CDU: Nachfolge-Rennen um Parteispitze
25. Februar 2020Die CDU steckt in einer der tiefsten Krisen ihrer Geschichte. Nachdem Annegret-Kramp-Karrenbauer bereits nach seit 14 Monaten als Parteichefin ihren Rückzug ankündigte und sich Kanzlerin Angela Merkel absehbar von der politischen Bühne verabschiedet, stehen die Christdemokraten vor einem politischen Scherbenhaufen. Ihnen droht nicht nur ein lähmendes Machtvakuum, sondern auch ein kräfterzehrender Nachfolgestreit. Denn gleich drei Männer greifen nach der Macht. Nachdem Außenpolitiker Norbert Röttgen am 18. Februar seine Kandidatur bekanntgab, haben sich eine Woche später erwartungsgemäß NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und der frühere CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Friedrich Merz, offiziell in Position für das Amt des Parteichefs gebracht.
Am 25. April entscheiden die CDU-Delegierten auf einem Sonderparteitag in Berlin über die Chefposition - vermutlich mit einer Kampfabstimmung. Wer auch immer am Ende die Nase vorn haben wird, die Inthronisierung des AKK-Nachfolgers könnte endgültig das Ende der Kanzlerschaft Merkels einläuten. Den eines hat das Scheitern Kramp-Karrenbauers bewiesen: Es gibt gute Gründe dafür, Kanzlerschaft und Parteivorsitz wie früher in eine Hand zu legen, um für eine ausreichende politische Durchschlagskraft zu sorgen.
FRIEDRICH MERZ - der Konservative
Der Wirtschaftsjurist ist der Hoffnungsträger der Wirtschaftspolitiker in der CDU, aber auch derjenigen Konservativen, denen der Kurs von Angela Merkel zu sozialliberal und beliebig wurde. Der 64-jährige gilt als scharfer Kritiker von Merkels Flüchtlingspolitik und würde das Asylrecht gerne verschärfen. Seine Unterstützer erhoffen sich von ihm eine Rückbesinnung auf die bürgerlich-konservativen Werte, für die die CDU früher stand. Merz kündigte mehrfach an, dass er Wähler zurückgewinnen würde, die zur rechtspopulistischen AfD abgewandert seien.
Merz war zwei Jahre lang Fraktionsvorsitzender von CDU und CSU im Bundestag, bevor ihn Angela Merkel 2002 von dem Posten verdrängte. 2009 verließ Merz den Bundestag im Groll und wechselte in die Privatwirtschaft. Seinen Posten als Aufsichtsratschef für den deutschen Ableger des weltweit größten Vermögensverwalters Blackrock hat Merz vor ein paar Wochen niedergelegt und angekündigt, sich wieder stärker in der Politik engagieren zu wollen.
Der Hobbyflieger Merz gilt als brillanter Redner und tritt in letzter Zeit vermehrt öffentlich auf. Gerne arbeitet er sich dann an großen, außenpolitischen Themen ab und inszeniert sich als Staatsmann. "Denk ich an Deutschland in der Nacht - 10 Thesen zur Lage der Nation", hieß eine Rede, die er Anfang Januar im bayerischen Rottach-Egern hielt.
Darin plädierte er für ein weiterhin starkes Bündnis mit den Europäern und den USA. "Es gibt auf der Welt Handelspartner wie die Volksrepublik China und Russland, aber wir teilen mit diesen Ländern ganz offensichtlich nicht unsere Vorstellungen von Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit und allen übrigen Bürgerrechten", so Merz. "Darin sollten wir aber mit den Ländern Europas übereinstimmen, und diese Grundlagen unserer Verfassungen teilen wir - nicht wegen Trump, sondern trotz Trump - immer noch mit den Vereinigten Staaten von Amerika."
ARMIN LASCHET - der Integrative
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident hielt sich 2018 mit einer Kandidatur für den CDU-Vorsitz zurück. Wohl auch, um die Chancen von Annegret Kramp-Karrenbauer nicht zu mindern, deren politische Linie der seinen sehr ähnlich ist. Der 58-Jährige gehört zu den Getreuen von Angela Merkel. In der Flüchtlingskrise 2015 und auch danach hat er sie immer verteidigt.
Bis 2010 war Laschet im einwohnerstärksten Bundesland NRW Integrationsminister - der erste, den es in Deutschland gab. Entsprechend seiner liberalen Haltung in der Ausländer- und Integrationspolitik der CDU ging er an diese Aufgabe sehr differenziert heran. Konservativen Kreisen in der CDU war das ein Dorn im Auge. Mehrfach plädierte Laschet bereits dafür, den Islam in Deutschland als Religion staatlich anzuerkennen - ähnlich wie dies für christliche Kirchen und die jüdischen Gemeinschaften im Staatskirchenrecht verankert sei.
Im Gegensatz zu Friedrich Merz gilt Armin Laschet als "anschlussfähig" nicht nur zur FDP, mit der er in NRW in einer Koalition regiert, sondern auch zu den Grünen. In der Sicherheitspolitik vertritt er allerdings eine eher harte Haltung. Seinem Landesinnenminister lässt er im Kampf gegen die Clan-Kriminalität freie Hand, außerdem ließ er eine Regierungskommission "Mehr Sicherheit für NRW" einrichten.
CDU-Jungstar und Gesundheitsminister Jens Spahn unterstützt Laschet und hat dafür seinen Verzicht auf eine eigene Bewerbung erklärt.
NORBERT RÖTTGEN - der Außenpolitiker
Der nordrhein-westfälische Politiker Norbert Röttgen ist der erste prominente Christdemokrat, der sich offen nach vorne wagte und seine Kandidatur für die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer an der Parteispitze ankündigte. Der frühere Bundesumweltminister schrieb in einem Brief an Kramp-Karrenbauer: "Die Lage ist so ernst, dass es um die Zukunft der CDU geht und darum, was sie für die Stabilität Deutschlands bedeutet."
Nach der Rückzugsankündigung Kramp-Karrenbauers hatte der 55-jährige für eine schnelle Nachfolgeregelung geworben. Röttgen war von 2009 bis 2012 Bundesumweltminister und setzte sich 2010 in einer Mitgliederbefragung um den NRW-Landesvorsitz gegen Armin Laschet durch. Die Landtagswahl 2012 verlor er, woraufhin Bundeskanzlerin Merkel ihn aus dem Kabinett entließ. Er ist der bisher einzige Minister, den Merkel aus dem Amt warf. Seitdem gilt sein Verhältnis zu ihr als bestenfalls nüchtern und sachorientiert. Als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages konnte er sich danach international neu profilieren. Röttgen kündigte eine Tandem-Kandidatur mit einer Frau an. Noch ist nicht bekannt, wen er in sein Team holt. So könnte zumindest eine Frau im Rennen der Männer aus dem Westen Deutschlands mitmischen.