CDU beendet Homo-Debatte vorerst
4. März 2013"Wir haben einmütig bekräftigt, dass der Parteitagsbeschluss gilt", sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe in Berlin auf einer Pressekonferenz nach der Präsidiumssitzung seiner Partei. Die Partei wolle, wie der Beschluss vom Dezember 2012 besagt, "an der steuerlichen Privilegierung der vom Grundgesetz besonders geschützten Ehe und Familie festhalten". Das Präsidium habe aber intensiv über die Folgen des jüngsten Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu Adoptionsrechten gleichgeschlechtlicher eingetragener Lebensgemeinschaften diskutiert.
Auf eine Nachfrage der Presse, ob "einmütig auch einstimmig" bedeute, wollte Gröhe nicht direkt antworten. Er sagte jedoch, im Präsidium seien, wie auch auf dem Parteitag in Hannover, die unterschiedlichen Meinungen zur Sprache bekommen.
Dort war ein Antrag auf Gleichstellung mehrheitlich abgelehnt worden, wobei es eine "beachtliche Minderheit" gab, wie der Versammlungsleiter erstaunt festgestellt hatte.
CDU gespalten
Dass die CDU-Führung bei Fragen der sogenannten Homo-Ehe weiterhin unterschiedlicher Meinung ist, machte auch die stellvertretende Bundesvorsitzende Julia Klöckner am Rande der Präsidiumssitzung deutlich. "Wir werden um eine steuerliche Gleichstellung nicht herum kommen", sagte die rheinland-pfälzische CDU-Landesvorsitzende. Sie gehört wie mindestens zwei der anderen CDU-Stellvertreter - Ursula von der Leyen und Thomas Strobl - zum Lager der Befürworter einer Gleichstellung.
Auch Präsidiumsmitglied und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zeigte sich jüngst einem solchen Schritt gegenüber aufgeschlossen: "Wenn die CDU Volkspartei bleiben will, muss sie veränderte Realitäten zur Kenntnis nehmen."
Doch klammert auch Schäuble aus, dass es in der CDU noch immer einen starken konservativen Flügel gibt, der Gleichstellungspolitik eher bei den anderen Parteien sehen möchte. Die CDU solle weiterhin Bewahrer der klassischen Ehe zwischen Mann und Frau bleiben, heißt es. Kanzlerin Angela Merkel darf diese, durch andere Politik-Wenden schon stark strapazierte Klientel nicht vergraulen, will sie die Bundestagswahl gewinnen.
Kein vorauseilender Gehorsam
Dass die CDU - und vor allem wohl ihre Vorsitzende Merkel - die Diskussion nun vorerst ausbremst, hat mehrere Gründe. Offiziell heißt es, man wolle nicht in Erwartung der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts weitere Schritte unternehmen, erläuterte Hermann Gröhe.
Wahrscheinlich im Frühsommer wollen die obersten deutschen Richter in Karlsruhe ihr Urteil zur steuerlichen Gleichstellung bekannt geben. Aller Voraussicht nach wird das Gericht, wie in seinen Urteilen zuvor, die Rechte von Schwulen und Lesben in Deutschland stärken.
Merkel hatte ihrer Partei vor rund einer Woche eine zehntägige Diskussionsphase verordnet, nachdem ihr Fraktionsvorsitzender im Bundestag, Volker Kauder, in einem Zeitungsinterview eine Öffnung angedeutet und damit das Thema in die Schlagzeilen gebracht hatte. Sie tue sich persönlich schwer mit Splitting und Adoption, wird die Kanzlerin zitiert.
Koalitionsfrieden gefährdet
Gegenwind kam auch von der bayerischen Schwesterpartei CSU. Er sehe keinen Anlass für eine Änderung, sagte der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer zur Diskussion und drohte damit einen Streit in der Regierungskoalition an.
Der Koalitionspartner FDP dagegen drängt schon seit längerem auf eine Änderung der Familienpolitik. "Wir brauchen Tempo bei der vollständigen Gleichstellung von Ehe und eingetragenen Lebensgemeinschaften - vom Steuerrecht bis zur Adoption", sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die Politik solle gestalten und dürfe sich nicht vom Bundesverfassungsgericht treiben lassen.
"Bürger 2. Klasse"
Der Bundesvorsitzende des Vereins "Lesben und Schwule in der Union", Alexander Vogt, sieht die Debatte zwiespältig, wie er der DW sagte. Zwar sei es wohltuend, wie viele Unterstützer es für eine Gleichstellung gebe. Dennoch befürchte er, "dass sich die Union nicht im Klaren darüber ist, welche katastrophale Botschaft sie aussendet, wenn führende Unions-Politiker vehement gegen die Gleichstellung streiten". Man werde noch immer als "Bürger 2. Klasse behandelt", so Vogt. Das führe "zu größerer Enttäuschung und gar Wut".
Auch andere potentielle Wähler könnten nun eher abgeschreckt sein. Eigentlich wollte die Union mit der offensiven Diskussion über das Thema attraktiver für verlorene Wählergruppen in den Großstädten werden. Doch hätte es dazu wahrscheinlich ein klares Plädoyer für weitere Schritte zur Angleichung gebraucht.
Nur eine Pause
Beendet ist die Debatte jedoch nicht, sondern nur unterbrochen. Spätestens nach dem nächsten Urteil der Karlsruher Richter wird sie wieder aufleben. Sie könnte damit allerdings in die heiße Phase des Wahlkampfes für die Bundestagswahl im September fallen.
Aber auch unabhängig von der höchstrichterlichen Entscheidung lebt das Thema weiter. CDU-Generalsekretär Gröhe kündigte an, dass die CDU bis dahin weiter an einem "Real-Splitting als Ergänzung zum bestehenden Ehegattensplitting" arbeite. Damit soll die steuerliche Privilegierung vor allem auf das Vorhandensein von Kindern ausgerichtet werden, ohne das bestehende Modell zu benachteiligen. Zumindest für eingetragene Lebenspartnerschaften mit Kindern hätte die CDU hier einen denkbaren Rahmen, auch schwule und lesbische Eltern zu berücksichtigen.
In Deutschland gab es im Jahr 2011 etwa 27.000 eingetragene gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Etwa 7000 Kinder werden von gleichgeschlechtlichen Eltern groß gezogen. Diese Zahlen dürften laut Statistischem Bundesamt zufolge allerdings eine Untergrenze darstellen.