Bundestag beschließt Syrien-Einsatz
4. Dezember 2015Gemessen an früheren Entscheidungen über Militäreinsätze der Bundeswehr legt die Berliner Politik ein rekordverdächtiges Tempo vor. Zweieinhalb Wochen nach der französischen Bitte um militärischen Beistand beschließt der Bundestag die Entsendung von bis zu 1200 Soldaten mit Aufklärungs- und Tankflugzeugen, einer Fregatte sowie weiterer Ausrüstung für den Krieg gegen die Terrormiliz IS in Syrien. Bei 598 abgegebenen Stimmen votieren 445 Abgeordnete für den Einsatz, 146 stimmen dagegen, sieben enthalten sich.
Die Bundeswehr will kommende Woche die ersten Aufklärungs-"Tornados" und Tankflugzeuge auf den türkischen NATO-Stützpunkt Incirlik verlegen. Die Aufklärer sollen Anfang Januar eingesetzt werden, wenn die notwendige Auswertungstechnik vor Ort ist. Mit dem neuen Kontingent hat die Bundewehr dann über 4200 Soldaten im Auslandseinsatz. Wegen der erwarteten weiteren Anforderungen ist in Berlin eine Debatte darüber aufgekommen, ob die Personalstärke wieder erhöht werden muss.
Die Opposition versucht zu Beginn der Bundestagssitzung vergeblich, die Entscheidung über den Syrien-Einsatz gründlicher diskutieren zu lassen. "Wir wollen uns als Opposition nicht im Tornado-Tempo in diesen Krieg hineinziehen lassen", sagt die Linken-Politikerin Petra Sitte. Die Regierungskoalition hält das für ein Verzögerungsmanöver und überstimmt die Anträge der Opposition.
Signal an die Verbündeten
Mit diesem Tempo, erklärt der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold, zeige man den Verbündeten, dass der deutsche Parlamentsvorbehalt bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr nicht zu langsamen Entscheidungen führen müsse. Es sei gelungen, so lobt auch der CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter, in kurzer Zeit ein entschlossenes Zeichen der Solidarität mit Frankreich zu setzen. Mittelfristig müsse es aber auch darum gehen, ein Mandat der Vereinten Nationen zu erreichen, erklärt Kiesewetter und geht damit auf rechtliche Bedenken der Opposition ein, die den Einsatz nicht durch das Völkerrecht gedeckt sieht.
Linke und Grüne nutzen die abschließende Debatte, um noch einmal die Gründe für ihre Ablehnung darzulegen. Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, warnt, Krieg mache alles nur noch schlimmer, und wirft dem Westen vor, als Antwort auf die Anschläge von Paris Unschuldige in Rakka und anderen syrischen Städten zu bombardieren. "In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich?" fragt sie und spricht von "Wahnsinn". Wagenknecht, die für diese Parallele zwischen westlichen Bombenangriffen und IS-Terror wütende Zwischenrufe aus den Regierungsfraktionen erntet, sagt, die Bombenangriffe der letzten drei Wochen hätten mehr unschuldige Menschen getötet als die Anschläge in Paris. Die Linke fordert stattdessen, den Nachschub für den IS zu stoppen, ihn von seinen Finanzquellen abzuschneiden und den "Terrorpaten Saudi-Arabien und Türkei" das Handwerk zu legen. Die Waffenexporte nach Saudi-Arabien, der Schmuggel von Öl und das Einsickern von Dschihadisten über die türkische Grenze müssten beendet werden. Wagenknechts Fraktion stimmt geschlossen gegen das Mandat.
"Ohne guten Plan"
Auch die meisten Grünen halten den Entsendeauftrag der Regierung an die Bundeswehr für "Aktionismus" und lehnen ihn ab. Der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter sagt, es sei zwar schwierig, einem engen Verbündeten wie Frankreich eine Bitte abzuschlagen, aber man könne Soldaten nicht ohne einen guten Plan in den Krieg schicken. Die Regierung gehe selbst davon aus, dass der Einsatz zehn Jahre dauern könne. Sie wisse aber nicht, wie eine politische Lösung aussehen könne. Die Grünen sehen ungeklärte Fragen: Wie geht man damit um, dass Russland praktisch den syrischen Luftraum kontrolliere und dass die Türkei mehr gegen die Kurden kämpfe als gegen den IS? Treibe man durch die Bombenangriffe nicht die sunnitische Bevölkerung in die Arme des IS?
"In unseren Augen ist Ihr Einsatz planlos und birgt die Gefahr, dass er das Gegenteil dessen erreicht, was er beabsichtigt", warnt der Grünen-Politiker. Die Bundestagsmehrheit sieht das anders.