Heidenheim steigt in die Bundesliga auf
28. Mai 2023Wer dachte, er hätte mit dem Dortmunder Meisterdrama am 34. Spieltag der Fußball-Bundesliga schon alles erlebt, der sah sich einen Tag später eines Besseren belehrt: Der Hamburger SV bewies, dass man einen sicher geglaubten Erfolg noch eine Spur dramatischer aus der Hand geben kann als der BVB: Die Fans des sechsmaligen deutschen Meisters feierten nach fünf Jahren in der 2. Liga schon die sicher geglaubte Rückkehr in Liga eins, als "Dorfklub" 1. FC Heidenheim doch noch sensationell vorbeizog und die Hamburger in Schockstarre versetzte.
Die Mannschaft von Trainer Frank Schmidt nutzte ihren Matchball am letzten Spieltag der Zweitligasaison durch ein hoch dramatisches 3:2 (0:0) nach 0:2-Rückstand bei Jahn Regensburg. Heidenheim ist erstmals in seiner Vereinsgeschichte in die Bundesliga aufgestiegen und wird der 57. Bundesligaklub der Geschichte.
Hamburger Fans feiern zu früh
Der Heidenheimer Siegtreffer durch Tim Kleindienst fiel in der neunten Minute der Nachspielzeit, nachdem schon der FCH-Ausgleich durch Jan-Niklas Beste (90.+3, Foulelfmeter) erst nach Ablauf der regulären Spielzeit gefallen war. "Da gibt's keine Worte dafür", sagte Kleindienst bei Sky: "Darum lieben wir den Fußball, darum lieben wir den Sport. Weil solche Geschichten geschrieben werden. Das ist einfach geil, Wahnsinn, geisteskrank. Das war einfach der pure Glaube. Aber wir haben es einfach verdient." Tatsächlich schafften die Heidenheimer nicht nur den Aufstieg, sondern schoben sich durch den Erfolg sogar auf Rang eins der Abschlusstabelle, weil der Sv Darmstadt 98, dessen Aufstieg seit einer Woche feststand, sein letztes Spiel verlor.
Die Fans des HSV hatten zu diesem Zeitpunkt nach dem 1:0 (1:0)-Erfolg ihrer Mannschaft beim Absteiger SV Sandhausen, das viel früher als die Partie der Heidenheimer beendet war, bereits den Platz gestürmt und begonnen den Aufstieg zu feiern. Auch der Sandhäuser Stadionsprecher gratulierte den Hamburgern bereits zum Aufstieg. Zu früh, wie sich auf bittere Art und Weise herausstellen sollte. Mit den Smartphones in der Hand mussten sie miterleben, wie zunächst der Ausgleich und schließlich der Siegtreffer für Heidenheim fiel, der für die Hamburger zum zweiten Mal in Folge den Gang in die Relegation bedeutete. Gegner ist der VfB Stuttgart. Das Hinspiel steigt bereits am kommenden Donnerstag in Stuttgart, die Entscheidung fällt vier Tage später im Hamburger Volkspark.
Lange Nachspielzeit
Heidenheim, das mit zwei Punkten Vorsprung auf den HSV in den letzten Spieltag gegangen war, schien lange Zeit auf bestem Wege zu sein, seinen Vorsprung zu verspielen. Regensburg ging zu Beginn der zweiten Hälfte mit einem Doppelschlag mit 2:0 in Führung (51. und 57.). Erst danach suchten die Heidenheimer den Vorwärtsgang und schöpften durch ein Regensburger Eigentor Hoffnung (58.).
Das Schiedsrichterteam zeigte zum Ende der regulären Spielzeit elf Minuten Nachspielzeit an, die sich allerdings wegen Videobeweisen nach Elfmeterpfiff und einer vermeintlichen roten Karte gegen Regensburg auf fast 20 Minuten ausdehnte.
Der "ewige Trainer" Frank Schmidt
Einer der Väter des Heidenheimer Erfolgs ist - neben Geldgeber Holger Sanwald, der dem Verein seit 1994 vorsteht - der Trainer. Frank Schmidt ist seit 16 Jahren beim 1.FCH in der Verantwortung als Cheftrainer. Der ehemalige Zweitligaprofi von Alemannia Aachen, der seine Spielerkarriere in Heidenheim hatte ausklingen lassen, übernahm die Mannschaft 2007 in der viertklassigen Oberliga und führte sie stetig weiter nach oben. 2008 gelang der Aufstieg in die Regionalliga, dem 2009 der direkte Durchmarsch und der Aufstieg in die 3. Liga folgte. Fünf Jahre später ging es eine weitere Stufe nach oben: Heidenheim stieg in die 2. Liga auf.
Dort etablierte sich der Verein schnell und kratzte in den vergangenen Jahren immer wieder mal am Aufstieg. 2020 beendete Heidenheim die Saison als Dritter, verlor aber die Relegation gegen Werder Bremen. Nun sind der "Dorfverein" und sein Trainer Frank Schmidt endlich am Ziel. Nach dem Spiel lobte Schmidt die "außergewöhnliche Mentalität" seiner Mannschaft: "Wir geben nie auf. Ich bin megastolz", sagte er.
Wo denn seine Statue hinkommen solle, wurde Schmidt gefragt. Seine Antwort: "Nirgendwo! Denn da wird irgendwann mal hingepinkelt - und das möchte ich nicht."