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FC Bayern entlässt Kahn und Salihamidzic

27. Mai 2023

Nur wenige Minuten nach dem Titelgewinn des FC Bayern bestätigt der Verein die Entlassung von Vorstandschef Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic. Der Rekordmeister gibt auch im Erfolg ein schlechtes Bild ab.

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Bayern Münchens Sportvorstand Hasan Salihamidzic und Vorstandvorsitzender Oliver Kahn nebeneinander auf der Tribüne
Die Ära von Sportvorstand Hasan Salihamidzic (l.) und dem Vorstandvorsitzenden Oliver Kahn (r.) ist GeschichteBild: Stefan Matzke/empics/picture alliance

"Das kommt jetzt? Eine Minute nach dem Abpfiff?", auch Bayern-Urgestein Thomas Müller war überrascht, als ihm während eines Interviews beim TV-Sender "Sky" erklärt wurde, dass die Zeit von Vorstandschef Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic bei Fußball-Rekordmeister Bayern München abgelaufen sei.

"Bisher wusste ich nichts davon", sagte Müller verwundert, während um ihn herum im Kölner Stadion noch die Meister-Feierlichkeiten liefen. "Ich wusste es schon seit gestern", gab etwas später Bayern-Trainer Thomas Tuchel zu, der in diesem Moment nicht recht zu wissen schien, ob er sich über die gerade gewonnene Meisterschaft freuen oder traurig sein sollte.

"Ich muss es erstmal verarbeiten", sagte Tuchel. "Ich meine, wir schießen hier vor einer halben Stunde das Ding rein, aber anstatt zu feiern, haben wir jetzt wieder ein politisches Thema."

Entlassung wird geheim gehalten

Direkt nach dem Abpfiff hatte es Gerüchte zur Entlassung Kahns und Salihamidzics gegeben, wenig später kam dann die offizielle Bestätigung durch Vereinspräsident Herbert Hainer. "Die Entscheidung, sich von Oliver Kahn zu trennen, hat sich der Aufsichtsrat alles andere als leicht gemacht", sagte Hainer.

"Dennoch sind wir aufgrund der Gesamtentwicklung zu dem Entschluss gekommen, eine Neubesetzung an der Spitze des Vorstands vorzunehmen." Die Trennung von Salihamidzic erklärte der Präsident mit dem Saisonverlauf nach der Winterpause. Es habe "unterschiedliche Auffassungen über die zukünftige Ausrichtung der Mannschaft" gegeben.

Bayern Münchens Trainer Thomas Tuchel schaut enttäuscht
Auch Bayern-Trainer Thomas Tuchel ist von der Art und Weise der Entlassung wenig begeistertBild: Benjamin Westhoff/REUTERS

Die Abberufung Kahns und seines langjährigen Mitspielers Salihamidzic sei im Vorfeld des entscheidenden Spiels bei einer kurzfristig einberufenen, außerordentlichen Aufsichtsratssitzung beschlossen worden, so Hainer.

Hamann: "An Respektlosigkeit nicht zu überbieten"

Bei vielen Experten sorgte die Art und Weise für Unverständnis. "Das haben ein Hasan Salihamidzic und ein Oliver Kahn nicht verdient. Du kannst über die Arbeit der beiden denken, was du willst, aber das sind zwei so verdiente Spieler und auch Funktionäre. Die Entscheidung wenige Minuten nach dem Gewinn der Meisterschaft durchzustecken, ist unwürdig", giftete "Sky"-Experte und Ex-Bayern-Profi Dietmar Hamann: "Was sie heute gemacht haben, ist an Respektlosigkeit nicht zu überbieten."

Auch Lothar Matthäus stellte seinem Ex-Klub kein gutes Zeugnis aus. "Das Mia-san-mia-Gefühl ist überlebenswichtig für den FC Bayern, und das ist verloren gegangen", sagte der Rekordnationalspieler.

Kahn darf nicht nach Köln kommen

Wie durch einen Tweet Oliver Kahns bekannt wurde, war dem ehemaligen Vorstandschef offenbar verboten worden, noch die Reise nach Köln anzutreten, um die Mannschaft dort zu unterstützen. "Ich bin unheimlich stolz auf euch und diese Leistung!", schrieb Kahn. "Ich würde gerne mit euch mitfeiern, aber leider kann ich heute nicht bei euch sein, weil es mir untersagt wurde." Später ergänzte er in der Sendung Sky 90: "Das war der schlimmste Tag meines Lebens, es mir zu nehmen, mit den Jungs zu feiern."  Auch an der Meisterfeier soll er nicht teilnehmen dürfen.

"Das Gespräch mit Oliver Kahn lief sehr emotional", sagte Hainer am Sonntag während einer Pressekonferenz, bei der die Hintergründe erläutert wurden. Eine einvernehmliche Trennung vom ehemaligen Nationaltorhüter konnte nicht erzielt werden, daher war schließlich hatte es am Freitag einer außenordentlichen Aufsichtsratssitzung bedurft, in deren Folge Kahn entlassen wurde. Kahn widersprach dieser Darstellung. "Die Behauptung, dass ich ausgerastet bin, als ich über die Abberufung informiert wurde, stimmt definitiv nicht", schrieb er bei Twitter. Er habe am Telefon mit Hainer "ein ruhiges und sachliches Gespräch" geführt und sich "lediglich über diesen Aktionismus gewundert, warum diese Entscheidung nun vorgezogen wurde."

Kahn hatte 2021 die Nachfolge von Karl-Heinz Rummenigge angetreten, Salihamidzic bereits 2017 zunächst das Amt als Sportdirektor übernommen. Der gebürtige Bosnier stand im Laufe der Saison wegen der getätigten Transfers in der Kritik. Trotz der glücklich errungenen Meisterschaft hat der FC Bayern seine Ziele verfehlt und insgesamt - inklusive der Entlassungen Kahns und Salihamidzics kurz nach Abpfiff - kein gutes Bild abgegeben. Die überstürzt wirkende Entlassung von Trainer Julian Nagelsmann im März brachte nicht den erwünschten Erfolg: Unter Nachfolger Thomas Tuchel schied der FC Bayern zunächst gegen den SC Freiburg aus dem DFB-Pokal und wenig später gegen Manchester City aus der Champions League aus. Kahn stand auch bei den Fans in der Kritik. Viele warfen ihm vor, er führe den FC Bayern nicht wie einen Fußballklub mit Herz, sondern wie ein Wirtschaftsunternehmen. 

Dreesen übernimmt, Rummenigge soll zurückkehren

Neuer starker Mann beim FC Bayern wird nun der bisherige Finanzvorstand Jan-Christian Dreesen. "Jan-Christian Dreesen hat in den vergangenen zehn Jahren für den FC Bayern herausragend gute Arbeit geleistet. Er lebt den FC Bayern, kennt den Verein aus dem Effeff und weiß, worauf es hier ankommt", ließ Bayern-Präsident Hainer mitteilen: "Er kann ohne Eingewöhnungszeit anpacken, und genau das braucht der FC Bayern in der aktuellen Situation."

Auch Dreesen selbst äußerte sich bereits am Samstag: "Eigentlich hatte meine Lebensplanung etwas anderes vorgesehen - aber wenn der FC Bayern ruft, lässt man alles andere stehen und liegen", gab der 55-Jährige bekannt. "Ich werde weiterhin meine gesamte Energie einsetzen, um mit dem FC Bayern in allen Bereichen erfolgreich zu sein und freue mich auf die neue Aufgabe. Wer mich kennt, weiß, wie viel mir der Verein, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie unsere Fans bedeuten."

Neben der Beförderung Dreesens möchte der Verein seinen früheren Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge zurückholen. "Wir werden ihn wieder stärker einbinden und am Dienstag vorschlagen, ihn in den Aufsichtsrat mitaufzunehmen", sagte Hainer. Rummenigge habe "unheimlich große Verdienste für den Klub und ist im europäischen Fußball sehr angesehen", führte Hainer aus. Mit dem 67-Jährigen komme "noch mehr sportliche Expertise hinzu".

Bei der Nachfolge Salihamidzics plant der FC Bayern eine namhafte Lösung. "Wir suchen ein großes Kaliber", sagte Hainer am Sonntagabend bei der Meisterfeier auf dem Münchener Marienplatz im ARD-Interview. "Wir sind schon unterwegs, wir haben Ideen." Spekuliert wird über den ehemaligen Bayern-Profi Max Eberl, den Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß schon vor einigen Jahren nach München lotsen wollte. Der 49-jährige Eberl war aber erst Ende letzten Jahres nach einer privaten Auszeit als Geschäftsführer Sport beim DFB-Pokalfinalisten RB Leipzig eingestiegen. Auch Eintracht Frankfurts Sportchef Markus Krösche wird gehandelt.

Enttäuschter Thomas Tuchel

Insgesamt bleibt viel zerschlagenes Porzellan zurück. Die Vereinsführung wird wohl einige Zeit brauchen, um bei den Spielern, dem Trainer und den Fans wieder Vertrauen aufzubauen. Sinnbildlich für die Verunsicherung, die in der Bayern-Mannschaft nach dem glücklich-positiven Saisonausgang herrschte, stand Thomas Tuchel, der mit der Entlassung Kahns und Salihamidzics seine beiden Vertrauensleute im Verein verloren hat.

"Hasan hat mich vor knapp acht Wochen mit Oliver Kahn angerufen, mich überredet und überzeugt, dass wir das zusammen machen", sagte Tuchel kopfschüttelnd. "Die beiden waren maßgeblich daran beteiligt, dass wir auf diese Reise gehen und uns das zugetraut wurde. Ich habe auch meine Co-Trainer überredet und überzeugt - und da ziehen Familien um."

Tuchel kündigte an, nach der Saison nun erstmal in München zu bleiben und die nächsten Entscheidungen abzuwarten und auch seine Meinung zu sagen. Man kann im Sinne des FC Bayern nur hoffen, dass Tuchel mit den Lösungen, die gefunden werden, gut leben kann. Ansonsten wäre er wohl konsequent genug zu sagen, dass es auch für ihn in München nicht mehr passt. Dann müsste der FC Bayern neben einem neuen Sportvorstand und einigen neuen Spielern auch noch (und schon wieder) einen neuen Trainer suchen.

Klubpräsident Hainer klang ob der Zweifel überrascht. "Wir sind von Thomas Tuchel absolut überzeugt", sagte er und ergänzte, er wüsste nicht, warum Tuchel im Sommer "bei uns nicht Trainer sein sollte". Vielleicht weiß es Thomas Tuchel...

Der Text ist am Sonntag nach der Pressekonferenz des FC Bayern aktualisiert worden.