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Frank Schmidt - der loyale Trainer

Jonathan Harding
1. Juli 2020

Experten gilt Frank Schmidt als einer der besten Fußballtrainer Deutschlands, für viele Fans ist der Coach des 1. FC Heidenheim aber ein Unbekannter. Das wird sich ändern, sollte Heidenheim in die Bundesliga aufsteigen.

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Fußball 2. Bundesliga Frank Schmidt  Trainer FC Heidenheim
Bild: Imago Images/Eibner

Cheftrainer wollte Frank Schmidt eigentlich nie werden. Doch nur wenige Monate nach dem Ende seiner eigenen Spielerkarriere als solider Zweitliga-Verteidiger war er genau das - wenn auch nur übergangsweise. Heidenheims Klubchef Holger Sanwald hatte ihn im September 2007, nach der Entlassung des damaligen Cheftrainers, dazu überredet. "Damals hat Holger gesagt: 'So, mach das mal für zwei Spiele'", erzählte Schmidt dem Südwestrundfunk SWR. Doch statt nur zwei Spielen sind es mittlerweile über 450, denn knapp 13 Jahre später hat Schmidt den Posten immer noch inne. Aus zwei Wochen wurde eine halbe Ewigkeit. 

Vielleicht war der Mann, der im Januar 1974 nur wenige Meter vom Heidenheimer Stadion entfernt geboren wurde und dort auch als Spieler kickte, dazu bestimmt, Cheftrainer des FCH zu werden. Aber dass Schmidt in Heidenheim auch noch der dienstälteste Fußballlehrer Deutschlands werden würde, haben wohl nur die wenigsten erwartet.

Von der Oberliga in die zweite Liga

Als Schmidt den Trainerjob übernahm, spielte der 1. FC Heidenheim in der fünften Spielklasse, der Oberliga Baden-Württemberg. Am Ende der Saison stieg der Verein auf und noch ein Jahr später rückten die Baden-Württemberger sogar in die dritte Liga vor. 2014 schlug das Team unter anderem einen Klub namens RB Leipzig - und qualifizierte sich sogar vor dem heutigen Champions-League-Teilnehmer für die 2. Liga.

Nach Abpriff des Zweitligaspiels zwischen Heidenheim und dem Hamburger SV jubeln Trainer Schmidt und Kapitän Schnatterer zusammen.
Eine besondere Beziehung: Trainer Schmidt und Kapitän SchnattererBild: Imago Images/Sportfoto Rudel

Nach Jahren der Konsolidierung und über 200 Zweitliga-Pflichtspielen hat Schmidt Heidenheim nun in greifbare Nähe zur Bundesliga geführt - als Drittplatzierter trifft der FCH im Relegationsrückspiel am kommenden Montag (Anstoß 20:30 Uhr MESZ, ab 20:15 Uhr im DW-Liveticker) auf den Bundesliga-Traditionsverein Werder Bremen. Das Hinspiel endete 0:0.

Obwohl ein ganz eigener Charakter, ähnelt Schmidt hinsichtlich seiner sozialen Kompetenz Jürgen Klopp. Die Parallelen: der außergewöhnliche persönliche Zugang zu den Spielern und den Menschen im Umfeld. Und: Schmidt hat zudem schnell erkannt, dass es für viele Zuschauer in Heidenheim keine Rolle spielt, wie die Mannschaft spielt, solange der Einsatz stimmt.

"Menschlich ein überragender Typ"

Der Coach selbst bleibt bewusst auf dem Boden, während er gleichzeitig den Klub in ganz neue Höhen treibt. Dank seiner engen Beziehung zu Kapitän Marc Schnatterer, der fast ebenso viele Spiele für den Klub bestritten hat wie Schmidt als Trainer, ist eine Mannschaft mit einer besonderen Mentalität entstanden, die sich ständig - angetrieben von ihrem Trainer - weiterentwickelt.

Der Augsburger Stürmer Florian Niederlechner spielte zweieinhalb Spielzeiten unter Schmidt, bevor er in die Bundesliga wechselte, und spricht immer noch in den höchsten Tönen von ihm: "Er hat eine ehrliche Art, so wie er mit mir umgegangen ist. Er hat mich zu einem besseren Spieler gemacht", sagte Niederlechner gegenüber "t-online.de". "Er weiß, wie er Spieler anpacken muss und ist menschlich ein überragender Typ."

Bekannte Trainer-Freunde

2011 erwarb Schmidt die Fußballlehrerlizenz, die höchste Trainer-Qualifikation in Deutschland. Unter den Absolventen seines Jahrgangs waren auch der jetzige Kölner Coach Markus Gisdol, Leverkusens Ex-Trainer Roger Schmidt und der derzeitige Sportdirektor des VfB Stuttgart, Sven Mislintat. Zwei Jahre später war Schmidt im Dokumentarfilm "Trainer!" einer von drei cheftrainern, die als Hauptprotagonisten des Films eine Saison lang bei ihrer Arbeit begleitet wurden.

Vogelperspektive der Voith-Arena, der Heimstätte des 1. FC Heidenheims
Eine Machbarkeitsstudie besagt: die Voith-Arena ist auf 25.000 Plätze erweiterbarBild: picture-alliance/dpa/onw-images

Obwohl Schmidts Kompetenzen und sein Erfolg offensichtlich sind, stand ein Wechsel zu einem anderen Klub nie zur Diskussion. Schmidt gilt als Inventar der gesamten Gemeinde und des Vereins - Heidenheim ohne Frank Schmidt als Cheftrainer ist so schwer vorstellbar wie Freiburg ohne Christian Streich. Ohnehin ähneln sich die beiden hinsichtlich ihrer Ansicht über die privilegierte Stellung des Fußballs in der Gesellschaft. Auf die Frage, ob in den beiden Relegationsspielen der Druck nicht ganz bei Favorit Werder Bremen liege, antwortete Schmidt: "Druck hat der Milchmann."

Für immer Heidenheim?

Diese Reaktion spiegelt auch Schmidts Philosophie und die des Klubs wieder, dieses kleinen Vereins, den die meisten Fußballfans derzeit eigentlich nur in Verbindung mit dem neun-Tore-Krimi gegen Bayern München im DFB-Pokal aus dem vergangenen Jahr bringen. Damals siegten die Münchner in einem spektakulären Spiel hauchzart mit 5:4. Ohne Zweifel, der 1. FC Heidenheim will Bremen schlagen und in die Bundesliga aufsteigen. Wenn es jedoch nicht klappen sollte, ist das auch in Ordnung. Die Tatsache, dass sie überhaupt in dieser Position sind, ist für den Klub schon etwas Besonderes.

Mit seinen 46 Jahren gilt Schmidt als relativ jung in der Trainerwelt - in drei Jahren läuft sein Vertrag aus. Klubchef Holger Sanwald sagte gegenüber dem SWR, dass Schmidt einen Vertrag auf Lebenszeit haben könne. Angesichts der besonderen Beziehung zwischen dem Klub und dem Coach scheint es fast undenkbar, dass Schmidt jemals auf einer anderen Trainerbank sitzen könnte.

Sein Erfolg mit Heidenheim zeigt aber auch, dass - im richtigen Umfeld und mit den richtigen Leuten - die persönlichen Fähigkeiten eines Trainers den Unterschied ausmachen können. Schon allein aus diesem Grund wird Schmidt vermutlich früher oder später in der Bundesliga zu sehen sein - am besten mit Heidenheim.