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Dalai Lama-Gegner

Günther Birkenstock und Stefan Dege22. August 2014

Nur drei Monate nach seinem Besuch in Frankfurt kam der Dalai Lama wieder, dieses Mal nach Hamburg. Den tibetischen Religionsführer erwarteten Proteste aus dem eigenen Glaubenslager. Was steckt dahinter?

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Shugden Buddhisten Protest gegen Dalai Lama
Bild: Getty Images

Demonstranten hielten Transparente hoch. Darauf standen Parolen: "Falscher Dalai Lama, hör auf zu lügen" und "Religionsfreiheit jetzt". Gar nicht friedfertig ging es zu, als das geistliche Oberhaupt der Tibeter Mitte Mai in Frankfurt eintraf, um öffentlich über "Mitgefühl und Selbstbewusstsein" zu sprechen. 350 Buddhisten folgten nach Veranstalterangaben einem Demonstrationsaufruf der erst im Februar gegründeten International Shugden Community (ISC). Und wirklich: Im Umfeld des Friedensnobelpreisträgers und Befürworters von Toleranz und Menschenrechten, klingen solche Töne ungewöhnlich. Doch neu ist die Kritik nicht. Zuletzt gab es in den USA Demonstrationen gegen den Dalai Lama. Der innerbuddhistische Streit schwelt seit Mitte der 1970er Jahre. Seine Wurzeln reichen indes fast 400 Jahre zurück.

Worum dreht sich der Konflikt? Im Kern geht es um die tibetische Schutzgottheit Dorje Shugden, die aus der vorbuddhistischen Volksreligiosität stammt. Ist der zornvolle Geist ein erleuchteter Buddha, ein weltlicher Beschützer oder ein bösartiger Dämon? Das ist unter Buddhisten umstritten, ebenso die Legitimität seiner Verehrung. Als "Dharmabeschützer" - eine Art Schutzgottheit der Lehre Buddhas - wird Shugden von Anhängern der Gelug-Schule verehrt, der auch der Dalai Lama angehört.

Der Dalai Lama in Hannover am 20.09.2013, Foto: dpa
Der Dalai Lama, das geistliche Oberhaupt der Tibeter.Bild: picture-alliance/dpa

Dalai Lama warnt vor Geisterglauben

Friedmann Eissler von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) in Berlin verweist auf politische Hintergründe des Konflikts: Der Shugden-Kult sei in Tibet zur Abgrenzung gegenüber anderen tibetischen Schultraditionen benutzt worden und damit als Machtinstrument, analysiert Eissler auf der website der EZW. Der Dalai Lama habe also nicht nur religiöse Gründe gehabt, gegen die Shugden-Verehrer vorzugehen. Für sein Ziel, die politische Einheit Tibets, "riet" der Dalai Lama "eindringlich davon ab", die Gottheit Dolgyal anzurufen: Die Substanz und die Einheit des Buddhismus seien gefährdet, der Buddhismus drohe zu einer Form des Geisterglaubens zu entarten.

Die meisten tibetischen Buddhisten folgten dem "Rat", dem in den 1980er und 1990er Jahren weitere Maßnahmen Nachdruck verliehen. "Von einem Verbot, das die Gegner anprangern, kann aber kaum die Rede sein", stellt EKD-Autor Eissler fest, "da der Dalai Lama dazu nicht befugt wäre." Jeder Tibeter sei frei zu verehren, wen er oder sie wolle, verkündete der Dalai Lama. Klöster und staatliche Institutionen, die dem Dalai Lama nahe stehen, sollten dem "sektiererischen Geist" jedoch abschwören, der "für die Sache Tibets schädlich" sei. Anhänger des Kults schloss der Dalai Lama von seinen Unterweisungen und Ermächtigungen aus. Der Druck auf die Shugden-Anhänger stieg. Der Konflikt eskalierte – bis 1997 ein shugden-kritischer Mönch und zwei seiner Schüler ermordet wurden. Seit 2008 kommt es verstärkt zu international organisierten Protesten gegen den Dalai Lama.

Tibet buddistische Mönche
Buddhistische Mönche in TibetBild: picture alliance/Robert Harding World Imagery

"Peking reibt sich die Hände"

Wie groß ihre Zahl ist, bleibt unklar. Fest steht: Das Agieren der Dalai Lama-Kritiker nützt dem kommunistischen Regime in China. "Peking reibt sich die Hände", konstatiert der Münchener Religionswissenschaftler Michael von Brück, der zudem vermutet, dass Peking die Dalai Lama-Gegner finanziell unterstützt: "Unbestritten ist, dass die chinesischen Kommunisten nun auch den Shugden-Kult im besetzten Tibet fördern, denn schließlich setzt Peking alles daran, die Autorität des Dalai Lamas zu untergraben."

Bis vor wenigen Jahren war die Shugden Community weitgehend unbekannt. Dann aber habe sie durch zahlreiche Veröffentlichungen und ihre Kritik am Dalai Lama von sich Reden gemacht, erläutert die Göttinger Religionswissenschaftlerin Katja Tripplett. "Die Shugden-Anhänger haben eine ausgesprochen erfolgreiche Präsenz im Internet. Das ist sehr professionell gemacht. Die Gruppe selbst ist marginal. Aber sie machen massiv Politik für ihre Sache", so Tripplett im DW-Gespräch.

"Tatsachen werden ins Gegenteil verkehrt"

Der deutsche Übersetzer Christoph Spitz, der den Dalai Lama auf seinen Reisen in Deutschland begleitet, hält die Shugden-Anhänger für "buddhistische Fundamentalisten". Mit einer geschickten Öffentlichkeitsarbeit verkehre die Gruppe die Tatsachen ins Gegenteil. "Sie wollen, dass der Dalai Lama ihrer speziellen Auslegung des Buddhismus folgt, behaupten aber, selbst diskriminiert zu werden." Das sei, als ob eine kleine freikirchliche Christengruppierung den Papst auffordere, ihren Glaubensvorstellungen zu folgen, empört sich der Übersetzer.

Für Hanno Schedler vom Asien-Referat der Gesellschaft für bedrohte Völker hat gerade die Offenheit für jede Glaubensrichtung den Dalai Lama in aller Welt beliebt gemacht. "Er versucht auf bescheidene Weise Menschen etwas mitzugeben für ihr Leben, egal ob sie Buddhisten, Muslime oder Atheisten sind. Und er hat keine Ambitionen, anderen seine Religion aufzuzwingen."

Tibetische Mönche. Foto: ap
Aus Protest gegen die chinesischen Besatzer haben tibetische Mönche ihre Gesicherter bemalt.Bild: dapd

Tatsächlich hat sich der Dalai Lama immer wieder gegen den Shugden-Kult ausgesprochen. Sein wichtigstes Argument: Einzige Autorität für Buddhisten sei der Buddha und seine im Kanon tradierten Lehren, nicht aber untergeordnete Gottheiten. Er hält den Kult für sektiererisch und warnt, der Buddhismus - der im Kern aus Weisheit und Mitgefühl besteht – werde auf blosse Geisterverehrung reduziert.

Grund für die aktuelle Zuspitzung der Kontroverse könnte sein, dass das tibetische Exilparlament im März die Anti-Shugden-Resolutionen von 1996, 1997 und 2008 offiziell bekräftigt hat. So sahen sich Anfang Mai der Verein der Tibeter in Deutschland und die Deutsche Buddhistische Ordensgemeinschaft (DBO) veranlasst, eine "Klarstellung" zu der Shugden-Kampagne zu veröffentlichen.

Während seines viertägigen Besuchs in Hamburg wollte der Dalai Lama öffentlich über menschliche Werte sprechen und darüber, wie man das Leben durch Geistesschulung meistert. Auch an einer politischen Diskussion wollte der Friedensnobelpreisträger teilnehmen - zur aktuellen Situation Tibets, das seit 1950 zur Volksrepublik China gehört.