Handshakes im Flugzeug
21. Juni 2014Der saudische König Abdullah ibn Abd al-Aziz hat seinen ersten Besuch in Ägypten sehr kurz gehalten. Der 89-jährige König weilte in Marokko, wo er gerne Urlaub macht. Auf dem Heimweg landete seine Maschine für einen Zwischenstopp am Kairoer Flughafen. So fand das kurze Treffen mit Präsident Abdel Fattah Al-Sisi gleich im königlichen Flugzeug statt. Das Gespräch dauerte insgesamt nicht einmal eine Stunde. Händeschütteln, Höflichkeitsstatements und ein Foto mit den beiden Staatsmännern vor den jeweiligen Landesflaggen. Mehr sprang am Ende nicht dabei heraus.
Die Tatsache, dass der letzte Staatsbesuch des kranken Königs von Saudi-Arabien in einem fremden Land über vier Jahre zurückliegt, hat viel Raum für Spekulationen zugelassen. Staatsnahe Medien in Ägypten sprachen von einem historischen Ereignis, vom Beginn einer neuen Ära der Annäherung zwischen dem Land am Nil und den arabischen Brüdern am Golf.
Übertriebene Spekulationen
Die ägyptische Presse spekulierte über einen Staatsbesuch, in dem schwerwiegende Themen besprochen werden, wie der Wiederaufbau der ägyptischen Wirtschaft, der gemeinsame Kampf gegen den Terror und ja, die Bildung einer panarabischen Allianz gegen den Westen und Israel. Manche ägyptische Kommentatoren drückten ihre Freude darüber aus, dass Ägypten "endlich in die Wiege der arabischen Mutternation zurückkehrt". Ein Verdienst des populären Präsidenten Al-Sisi, so die Kommentatoren.
Auch wenn sich nach Ende des Besuchs nun herausstellt, dass derartige Spekulationen arg übertrieben waren, fehlt es dem kurzen Stopp der königlichen Maschine trotzdem nicht an Bedeutung. Weil es faktisch das erste Treffen von Präsident Abdel Fattah Al-Sisi mit einem ausländischen Staatsoberhaupt ist. Und weil es der saudische König ist, um den es hier geht.
Al-Sisi hatte immer wieder darauf hingewiesen, dass Ägyptens Wirtschaft ohne die Hilfsgelder aus den Golfstaaten, allen voran Saudi-Arabien, längst in den Ruin getrieben worden wäre. In seinem ersten Interview - damals noch als Präsidentschaftskandidat - sagte er, dass sein erster Staatsbesuch ihn nach Saudi-Arabien führen werde. In der Tat ist Ägypten seit dem Ausbruch der Revolution 2011 auf die Hilfe aus dem Ausland angewiesen. Anfangs hatten auch die EU, die USA und Katar Gelder nach Ägypten geschickt.
Vor allem das Emirat Katar spielte eine sehr aktive Rolle, als die Muslimbrüder unter Ex-Präsident Mohammed Mursi an der Macht waren. Für Mursi war das Emirat und dessen finanzielle Zuwendungen ein Pluspunkt gegenüber seinen Kritikern. Denn alle wussten, wie es damals um die Wirtschaft stand. Alle waren sich darüber im Klaren, dass Subventionen aus dem Ausland dringend benötigt werden. Und dass nur Mursi die katarischen Milliarden locker machen konnte. Die Einstellung der Saudis war in dieser Phase, aufgrund ideologischer Unterschiede zwischen dem saudischen Wahhabismus und den sunnitischen Muslimbrüdern, eher zurückhaltend. EU und USA versprachen Hilfen, die sie nach dem Sturz der Muslimbrüder und bis heute, auf Eis gelegt haben.
In Ungnade gefallen
Dabei verfolgt der kleine Wüstenstaat am Persischen Golf knallharte Interessen in Ägypten. Die richten sich gegen den großen Nachbarn Saudi-Arabien. Die gesamte katarische Außenpolitik, mit seinen nur 200.000 einheimischen katarischen Staatsbürgern, ist von der Angst getrieben, eines Tages von den Saudis geschluckt zu werden. Doch nachdem die Muslimbrüder am 30. Juni 2013 in Ägypten und später auch in Saudi-Arabien in Ungnade gefallen sind und ihre Vereinigung in beiden Ländern als Terrororganisation eingestuft wurde, hat sich das Blatt gewendet.
Die Kataris werden wegen ihrer Unterstützung der Muslimbrüder als Staatsfeinde angesehen. Die Büros des katarischen Senders Al-Jazeera in Kairo wurden geschlossen, die Reporter verhaftet. Immer wieder sieht man in den Straßen Kairos Bilder des Emirs von Katar Tamim bin Hamad Al Thani. Sie sind mit dem Davidstern übersprüht. Die Botschaft: Die Kataris haben die arabischen Brüder verraten und stecken mit den verfeindeten Israelis unter einer Decke. Ihr gemeinsamer Feind: Ägypten, das größte arabische Land.
Hilfe aus den Brüderstaaten
In Europa und den USA will man lieber noch die weiteren Entwicklungen abwarten. So bleiben den Ägyptern nur die Golfstaaten. So spielt Al-Sisi das gleiche Spiel wie sein Vorgänger Mursi. Nur er kann die Milliarden aus den Golfstaaten locker machen - das wissen auch seine Kritiker. Umso bedeutender erscheint der Staatsbesuch für die ägyptischen Machthaber. Er ist eine Geste, eine Bestätigung, dass die Golfstaaten, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait und Bahrain auf ägyptischer Seite stehen und dass sie die Politik Al-Sisis unterstützen.
Wie Al-Sisi mit seinen Kritikern umgehen wird, ist noch unklar. Immer wieder betont er, dass der Wiederaufbau der Wirtschaft und die Wiederherstellung der Sicherheit höchste Priorität haben - auch auf Kosten der Menschenrechte. Die Massentodesurteile in Minia, das noch geltende, repressive Demonstrationsgesetz sowie die harten Urteile gegen säkulare politische Aktivisten sind ein Vorgeschmack auf seine Politik.
Vor allem die Aktivisten, die maßgeblich an der Revolution 2011 beteiligt waren, sehen in dieser Politik eine Rückkehr zum Polizeistaat unter Husni Mubarak. Den gestürzten Präsidenten, gegen den sie auf die Straße gegangen waren. Die Muslimbrüder hingegen verlieren immer mehr an Rückhalt in der Bevölkerung, ihre Vereinigung musste in den letzten zwölf Monaten, auch im Ausland, starke Rückschläge hinnehmen.
Die Revolutionsjugend bleibt skeptisch
Die säkulare Revolutionsjugend sieht die Annäherung hin zu den konservativen Golfstaaten deshalb mit Skepsis. In sozialen Netzwerken warnen sie vor einer Gefolgschaft zu Saudi-Arabien, die aktiv versucht hat, den arabischen Frühling zu verhindern. Sie erinnern daran, dass der tunesische Ex-Diktator Ben Ali Zuflucht im saudischen Königshaus fand. Vor Abdullahs Besuch in Kairo haben sie sogar darüber spekuliert, ob der saudische König nur seinen alten Freund Mubarak, der sich Mitte der Woche den Oberschenkel gebrochen hat, im Krankenhaus besuchen.
Noch genießt Al-Sisi großen Rückhalt in der Bevölkerung, die gewaltige Hoffnungen in ihn setzt. Der Geldsegen ist eine Chance für ihn, doch das Land aus der Krise zu führen. Dennoch darf die Gegenleistung nicht auf Kosten anderer politischer Kräfte gehen, egal ob Revolutionsjugend oder Muslimbrüder, die zurzeit zum Schweigen gezwungen werden. Denn sie werden nicht ewig schweigen.