Unterhaus stimmt für Johnsons Brexit-Deal
20. Dezember 2019Die Abgeordneten votierten in der zweiten Lesung mit großer Mehrheit für den von Premierminister Boris Johnson vorgelegten Gesetzestext zum Austrittsvertrag mit der Europäischen Union: 358 Abgeordnete stimmten dafür, 234 dagegen.
Die Zustimmung zum Brexit-Deal der Regierung galt als sicher: Johnsons konservative Partei hat seit den Parlamentswahlen am 12. Dezember einen Vorsprung von 80 Sitzen auf alle anderen Parteien. Vor der Neuwahl führte der Premierminister eine Minderheitsregierung an. Seine Vorgängerin Theresa May war drei Mal mit ihrem mit Brüssel ausgehandelten Brexit-Deal im zerstrittenen Parlament durchgefallen.
Johnson: Wendepunkt der "nationalen Geschichte"
Kurz vor der Abstimmung hatte Johnson das Parlament gedrängt, das jahrelange Gerangel um den Brexit zu beenden. "Es wird vollzogen. Es wird vorbei sein", sagte Johnson bei der Debatte im Unterhaus. "Die traurige Geschichte der vergangenen dreieinhalb Jahre wird zu Ende sein und wir werden weitermachen können", führte er unter dem Jubel der konservativen Abgeordneten im Unterhaus aus. Das Brexit-Gesetz lobte der Premier als einen Wendepunkt der "nationalen Geschichte". Es sei nun Zeit, "mit neuem Vertrauen in unser nationales Schicksal gemeinsam zu handeln".
Die Schlussabstimmung im Unterhaus soll nach dem Willen der Regierung am 9. Januar folgen. Der EU-Austritt soll nach mehrfacher Verschiebung am 31. Januar tatsächlich vollzogen werden. In der Übergangsphase bis Ende 2020 bleibt zunächst so gut wie alles beim Alten. Bis dahin wollen beide Seiten ein Freihandelsabkommen aushandeln. Die Zeit dafür gilt jedoch als äußerst knapp. Das Parlament war am Donnerstag feierlich von Königin Elizabeth II. wiedereröffnet worden.
Johnson verdankt seinen deutlichen Sieg bei den Parlamentswahlen in der vergangenen Woche insbesondere Wählern aus der Arbeiterschicht in den ehemaligen Labour-Hochburgen in Mittel- und Nordengland. Um sie zu locken, hatte er ein Ende der Sparpolitik angekündigt. Der Premier steht nun unter Druck, diese Versprechen - zum Beispiel Finanzspritzen für den staatlichen Gesundheitsdienst NHS und Schulen - auch einzulösen.
Gegenwind bekommt Johnson aus dem Norden Großbritanniens: Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon forderte den Premier schriftlich auf, einem zweiten Unabhängigkeitsreferendum zuzustimmen. Er sei dazu verpflichtet, schrieb die Politikerin. Ob eine Volksabstimmung in dem Landesteil stattfinden kann, entscheidet bislang die Zentralregierung in London. Johnson hatte Sturgeons Wunsch schon mehrfach abgewiesen. Die schottische Regierungschefin will das Referendum 2020 abhalten.
Rund 55 Prozent der Schotten hatten sich 2014 bei einem ersten Referendum gegen eine Abspaltung vom Vereinigten Königreich ausgesprochen. Sturgeon argumentiert jedoch, die Umstände hätten sich durch das Brexit-Referendum von 2016 verändert. Damals stimmte eine knappe Mehrheit der Briten für den EU-Austritt. Die Schotten votierten aber mit 62 Prozent gegen den Brexit.
bri/hk/ww (dpa, rtr)