Vertane Gelegenheit
18. Oktober 2018Keine Einigung mit Großbritannien, wieder mal. Die 27 Staats- und Regierungschefs haben praktisch nichts Neues von der britischen Premierministerin Theresa May gehört. Daher gab es auch nicht viel zu bereden. Aber das heißt auch, dass es möglicherweise keinen Sondergipfel Mitte November zum Brexit gibt. Denn welchen Sinn sollte der haben, wenn man nicht endlich mit den Briten zu einem Abschluss kommt? Obwohl die Zeit drängt - Ende März verlässt Großbritannien die EU mit oder ohne Vertrag -, ist man also wieder nicht weitergekommen. Ein Brexit ohne Vertrag droht zu chaotischen wirtschaftlichen Verwerfungen und Rechtsunsicherheit für Millionen von Bürgern zu führen.
Eine ganze Reihe von Regierungschefs hatte sich im Laufe des Abends zuversichtlich gezeigt, aber das gehörte wohl zum guten Ton. May selbst hatte nur vage gesagt: "Ein Deal ist erreichbar, und jetzt ist die Zeit, ihn möglich zu machen." Doch konkreter war sie nicht geworden, vor allem hatte sie keinerlei Zugeständnisse gemacht. "Vieles von dem, was sie uns gesagt hat, war schon bekannt", so der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz enttäuscht. Dabei hatte die EU eine längere Übergangsfrist angeboten, bei der sich für die Briten trotz Brexit kaum etwas ändert. EU-Ratspräsident Donald Tusk war wohl der einzige, der öffentlich gesagt hatte, er sehe "keinen Grund für Optimismus". Damit blieb er schließlich der Realist.
Die ungelöste irische Grenzfrage
Nach wie vor geht es um vor allem zwei wesentliche Punkte: die Rechte von EU-Bürgern nach dem britischen Ausstieg und die Grenze zwischen Nordirland, das zum Vereinigten Königreich gehört, und dem EU-Mitglied Irland. Diese Grenze würde in Zukunft die EU-Außengrenze sein. Sie soll nach Ansicht beider Seiten keine feste Grenze mit Grenzanlagen und -kontrollen sein. Doch das wird sich kaum vermeiden lassen, wenn das Vereinigte Königreich und damit auch Nordirland aus EU-Binnenmarkt und Zollunion aussteigt.
Der luxemburgische Ministerpräsident Xavier Bettel gab sich wie viele andere unnachgiebig. Man könne nur ein Gesamtpaket haben: "Solange wir nicht alles geklärt haben, werden wir keinen Deal haben, und no deal bleibt noch immer eine Möglichkeit." Man könne nicht einfach die Regeln des Binnenmarktes aufgeben. Der sieht nun einmal die Freizügigkeit nicht nur von Waren, sondern auch von Dienstleistungen und Personen vor. Die Waren würde London gern weiter mit dem Rest der EU austauschen, die Personen aber nicht. "Es ist die Stärke Europas, dass wir zusammenhalten", sagte Bettel. Tatsächlich ist bisher kein Land aus der Reihe getanzt und hat Sonderkonditionen für London gefordert.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ging noch einen Schritt weiter: Es wäre "schlechte Politik", sagte er, wenn 27 Staats- und Regierungschefs Empfehlungen abgeben würden, es sei schließlich der EU-Unterhändler Michel Barnier, der die Verhandlungen zum Brexit führe. Er allein habe das Mandat.
Viele sind es langsam leid
Sebastian Kurz wies auch darauf hin, dass es nicht reicht, wenn man sich auf Ebene der Regierungschefs einigt: "Es geht darum, dass wir einen Deal zustandebringen, der dann hoffentlich auch eine Mehrheit im britischen Parlament und im EU-Parlament erhält, denn wenn das nicht gelingt, stehen wir sowieso wieder vor der nächsten Herausforderung." Und gerade im britischen Unterhaus gibt es viele Abgeordnete in Mays Konservativer Partei, die es geradezu auf einen Brexit ohne Deal anlegen.
Wie es nun weitergeht, das blieb erst einmal im Unklaren. Falls Barnier "entscheidende Fortschritte" erziele, sei man zu einem neuen Gipfeltreffen bereit, hieß es in der Erklärung. Doch Barnier hat gesagt, er brauche noch "sehr viel Zeit". Manfred Weber, Chef der EVP-Fraktion im Europaparlament, das einem Vertrag dann auch noch zustimmen müsste, zeigt sich langsam ungeduldig. "Was wir nicht akzeptieren könnten, wäre ein endloser Prozess ständiger Verlängerungen", jedenfalls nicht über die Europawahl im kommenden Jahr hinaus. Denn die Wähler "wollen wissen, was der Brexit in ihrem Alltagsleben bedeutet".
Der Luxemburger Xavier Bettel nimmt die Dinge mit einer gewissen Ironie: "Ich kann so oft wiederkommen wie nötig, um eine Lösung zu finden, aber ich komme nicht her, nur um eine Tasse Kaffee zu trinken und Kekse zu essen." Es gab zwar ein richtiges Abendessen am Mittwoch und nicht nur Kaffee und Kekse, doch Bettel dürfte es als ziemlich sinnlos abgehakt haben.