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Verräter oder Held?

Sandy Hausman, Benjamin Knight / db3. Juni 2013

Der Prozess gegen Bradley Manning, angeklagt wegen Geheimnisverrats, spaltet die Gemüter. Kritiker bezeichnen den US-Soldaten als psychisch instabil und waghalsig - doch viele Menschen stellen sich hinter ihn.

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Anhörung Bradley E. Manning (Photo by Mark Wilson/Getty Images)
Bild: Getty Images

"Wenn Du Dich als 22-Jähriger aus Oklahoma im Irak in einem dunklen Raum befindest, wo Du grobkörnige Videos von möglichen Kriegsverbrechen siehst und Deine Bedenken den Vorgesetzten mitteilst, und die sagen Dir dann, 'schau weg, halt den Mund, Dein Leben wird ungemütlich, wenn Du weiter über diesen Kram redest' - dann ist es nicht schwer sich vorzustellen, dass sich einer das große Ganze betrachtet und denkt, vielleicht könnte ich, wenn auch nur eine kleines bisschen, die Welt zum Besseren verändern."

So erklärt Jeff Paterson, Mitglied der "Courage to Resist"-Gruppe, die Situation des US-Soldaten Bradley Manning. An diesem Montag (03.06.2013) beginnt der Prozess gegen ihn wegen Geheimnisverrats: Manning wird beschuldigt, während seiner Stationierung im Irak 2010 hunderttausende geheime Regierungsdokumente, diplomatische Telegramme und Militär-Videos an Wikileaks-Gründer Julian Assange weitergegeben zu haben.

Scharfe Haftbedingungen

Wie auch immer das Gericht in Fort Meade im US-Bundesstaat Maryland letztlich entscheidet: Der Fall Manning hat viele Menschen berührt, trotz der spärlichen Berichterstattung der etablierten US-Medien. Dennoch bewegt der Fall sowohl ältere Menschen, die schon gegen den Vietnamkrieg protestiert haben, als auch viele junge Wikileaks-Anhänger.

Bradley Manning und zwei soldaten beim Verlassen des Militärgerichts (AP Photo/Patrick Semansky)
Bradley Manning beim Verlassen des MilitärgerichtsBild: AP

Nach seiner Festnahme im Mai 2010 kam Manning im Militärgefängnis in Quantico in Virginia in Untersuchungshaft, und zwar die meiste Zeit mit dem Status "Prevention of Injury". Dieser erlaubt es dem Gefängnis, das Recht des Gefangenen auf Bewegung einzuschränken und ihn besonderen Haftbedingungen zu unterwerfen, angeblich, um ihn vor Suizid oder Selbstverletzung zu schützen. Manning wurde alle fünf Minuten von Wachen kontrolliert. Er wurde gezwungen, mit dem Gesicht zu einer grellen Lampe zu schlafen, durfte sich tagsüber nicht an die Wand lehnen. Seine Kleidung und die Brille nahm man ihm ab, als er die Wachen wütend ansprach.

Nach internationaler Kritk an den Haftbedingungen wurde Manning 2011 in das Militärgefängnis in Fort Leavenworth in Texas verlegt. Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Juan Mendez, sprach im März 2012 von "grausamer, inhumaner und entwürdigender Behandlung" Mannings, er hatte den Fall 14 Monate lang untersucht. Fast eine Million Menschen unterzeichneten eine Petition zur Beendigung der Isolationshaft des Soldaten.

Die Aussage Mannings vor Gericht habe ihn sehr bewegt, erinnert sich Michael Ratner, Anwalt und Präsident des Europäischen Zentrums für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) in Berlin. "Von Anfang an hatte ich Tränen in den Augen, als ich sah, wie dieser junge Mann, sogar nach den scharfen Strafmaßnahmen, mit unglaublicher Würde aussagte", berichtete der Menschenrechtsanwalt im Gespräch mit der DW. "Er war unheimlich klug, er verstand, wo er war und was mit ihm passierte."

Mannings Geschichte

Kritiker beschreiben Manning als psychisch instabil und waghalsig. Er sei wohl in einer dysfunktionalen Familie aufgewachsen, war mit 1,55 Metern und etwa 45 Kilo eher klein und schmächtig und sei gemobbt worden, sagt Robert Turner, Mitbegründer und Direktor des "National Center for Security Law" an der Universität von Virginia. Er habe auch Mitleid, sagt Turner, aber "das entschuldigt nicht die Weitergabe von Abertausenden Geheimnissen". Das sei so, als marschiere man über einen Militärstützpunkt und werfe Handgranaten durch die Fenster.

Aktivisten halten Schilder mit Konterfei von Manning ) Foto: Jacquelyn Martin/AP/dapd
Bradley Manning hat weltweit UnterstützerBild: dapd

Auch Adrian Lamo hat eine Meinung zu Manning. Der bekannte Hacker, der in das Computersystem der New York Times, von Yahoo und Microsoft einbrach, wurde von Manning während dessen Stationierung im Irak im Internet-Chat kontaktiert. Als Lamo bemerkte, dass das FBI ihn beobachtete, stellte er sich. Kritiker meinen, er habe dann undercover für die Regierung gearbeitet - was Lamo verneint, obwohl er derjenige war, der Manning an die Behörden verpfiff.

Er sei Soldat geworden, um genug Geld für ein Studium zu verdienen, erklärt Manning. Seine Computerkenntnisse habe man am Anfang sehr geschätzt. Im Irak habe er sich verunsichert gefühlt und mit seiner sexuellen Orientierung gerungen. "Ich bin sehr isoliert, habe alle emotionale Unterstützung verloren - die Familie, den Freund, vertraute Kollegen. Ich bin total fertig", schrieb er an Lamo. "Ich bin in der Wüste mit einer Bande hypermaskuliner, schießwütiger, dummer Proleten als Nachbarn - und der einzig sichere Ort, den ich habe, ist wohl diese Satelliten-Internetverbindung."

Straßenszene mit Leuten, von oben gesehen (AP Photo/Wikileaks.org)
Zivilisten in Bagdad, kurz bevor sie aus einem US-Hubschrauber beschossen werdenBild: AP

Handlung aus Gewissensnot

Der ehemalige Elitesoldat Jeff Paterson versteht nur zu gut, was Manning beim Militär durchgemacht hat. "Ich glaubte nicht, was andere Marines glaubten", erzählt er im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Ich war als Einziger im Regiment für die taktischen Atomsprengköpfe zuständig. Wenn im Irak irgendetwas schief gelaufen wäre, wäre es mein Job gewesen, sie alle mit Atomwaffen zu vernichten." Paterson war der erste US-Soldat, der sich weigerte, im Irakkrieg zu kämpfen. Er kam ins Gefängnis und wurde später aus der Armee entlassen.

Manning hat es schwerer. Seinem Verteidiger hat er gesagt, er wolle einen College-Abschluss machen und in den Öffentlichen Dienst eintreten, er wolle etwas bewegen. Das ist ihm vielleicht bereits gelungen - egal, wie der Prozess ausgeht. "Es ist wichtig, dass es bekannt wird", schrieb Manning an Lamo. "Aus irgendeinem verrückten Grund denke ich, dass es wirklich etwas verändern könnte."