Sympathien für Bradley Manning
3. Juni 2013"Er ist ein Held", sagt die 24-jährige Heather Linebaugh über den Obergefreiten Bradley Manning. "Wenn er die Dokumente nicht veröffentlicht hätte, hätten die Leute nicht gesehen, was im Krieg wirklich passiert." Linebaugh gehört zu den hunderten Demonstranten, die am Samstagnachmittag (01.06.2013) vor die Kaserne in Fort Meade nördlich der US-Hauptstadt Washington gekommen sind, um ihre Unterstützung für Manning zu zeigen. In der glühenden Hitze singen sie Slogans wie "Befreit Bradley Manning", "Die Wahrheit ist auf unserer Seite" und "Bradley Manning ist kein Verräter".
Dem 25-jährigen Obergefreiten wird vorgeworfen, während seiner Stationierung im Irak hunderttausende geheime Dokumente des US-Militärs und des Außenministeriums heruntergeladen und an die Internetplattform WikiLeaks weitergeleitet zu haben. Die Anklage lautet unter anderem auf Spionage und Unterstützung des Feindes. Ihm droht eine lebenslange Freiheitsstrafe. In zehn der 22 Anklagepunkte hat er sich bereits für schuldig erklärt, was ihm allein bis zu 20 Jahre Gefängnis einbringen kann. Er bestreitet allerdings die Spionagevorwürfe und den Vorwurf, dem Feind geholfen zu haben. Neben diplomatischen Depeschen und Geheimunterlagen zu Einsätzen im Irak und in Afghanistan hat Manning auch ein Video weitergeleitet, das einen Hubschrauberangriff von US-Soldaten auf Zivilisten im Irak zeigt. Durch den Beschuss kamen unter anderem zwei Journalisten ums Leben.
Manning wartet seit drei Jahren auf seinen Prozess
Heather Linebaugh hatte den gleichen Job wie Bradley Manning. Sie habe als Informationsanalytikerin von 2009 bis 2012 die Videos und Aufzeichnungen der Drohnen ausgewertet, erzählt die junge Frau mit den schwarzen langen Haaren. Die Luftwaffe hat sie als Stabsgefreite im März 2012 verlassen und jetzt studiert sie Politologie. "Jeder, der diesen Job mit den Drohnen gemacht hat, hat Tötungen beobachtet, auf beiden Seiten", erzählt sie, "hat gesehen, wie Konvois explodieren, wie wir unsere eigenen Leute verlieren." Durch das von Manning veröffentlichte Video sei deutlich geworden, wie die Realität des Krieges im Irak ausgesehen habe: mit Unschuldigen und Zivilisten als Opfern.
"Er hat so viel für uns riskiert", sagt Nathan Fuller, Sprecher des Unterstützernetzwerks für Bradley Manning, der die Demonstration in Fort Meade organisiert hat. "Er hat sein Leben und seine Freiheit riskiert, um uns über das zu informieren, was die Regierung im Geheimen tut, deswegen hat er unsere Unterstützung verdient und wir müssen ihn verteidigen." Seit drei Jahren wartet Bradley Manning auf den Beginn seines Prozesses, fast ein Jahr lang saß er in Einzelhaft, teilweise ohne Kleidung. 112 Tage werden ihm dafür von der Strafe erlassen, wenn er verurteilt wird, hat die zuständige Richterin entschieden. Viel zu wenig, finden die Demonstranten.
"Peinlich für die Regierung"
Wenn es nach Daniel Ellsberg ginge, dann wäre die harte Behandlung Mannings durch das US-Militär Grund genug, den Prozess zu beenden. Der inzwischen 82-Jährige hat Anfang der 70er Jahre die sogenannten "Pentagon Papiere" veröffentlicht. Geheime Dokumente der US-Regierung, die bewiesen, dass die Administration früh wusste, dass der Vietnamkrieg nicht zu gewinnen war und zu weit mehr Opfern führen würde, als öffentlich zugegeben. Auch Ellsberg wurde angeklagt, doch als Zivilist unterlag er nicht der Militärgerichtsbarkeit und sein Prozess wurde eingestellt, nachdem im Auftrag der Regierung bei seinem Arzt eingebrochen wurde. "Ich identifiziere mich sehr mit Bradley Manning", sagt er am Rande der Demonstration. Es sei kein Verbrechen, die Realität zu zeigen: "Es gibt keinen Beweis, dass amerikanische Truppen oder sonst jemand durch die Veröffentlichung zu Schaden kam, allerdings war es sehr peinlich für die Regierung."
"Verglichen mit den Kriegsverbrechen und der Missachtung internationalen Rechts durch die Bush-Regierung, die bisher ungestraft sind", findet auch Peter Swords, "hat Bradley uns einen großen Gefallen getan." Der Sozialarbeiter Swords ist Mitglied des Syracuse Peace Council, und ist wie viele andere an diesem Wochenende mit dem Bus nach Fort Meade gekommen. Viele der Demonstranten haben schon seit Jahren gegen die Kriege im Irak und in Afghanistan protestiert. Sie sind gespannt, wieviel sie von dem Prozess erfahren werden, denn die Berichterstattung ist schwierig. Das Gericht lässt keine Ton- oder Videoaufzeichnungen zu, Mobiltelefone sollen verboten sein, wenn der Prozess am Montag beginnt.
Mahnwachen für den Volkshelden
Nathan Fuller ist deswegen schon seit einem Jahr einmal im Monat für eine Woche in Fort Meade, um bei den Anhörungen dabei zu sein, sich Notizen zu machen und sie zu veröffentlichen. "Das Militär gibt keine Mitschriften, Entscheidungen oder Anträge an die Öffentlichkeit und die Presse weiter, deswegen müssen wir unsere eigenen Abschriften anfertigen, um dem entgegenzuwirken", sagt er. Viele Demonstranten hier beklagen auch, dass die amerikanischen Medien ihrer Ansicht nach zu wenig über Bradley Manning berichten würden.
Für den 24-jährigen Fuller ist die Unterstützung für Manning ein Vollzeit-Job, der ihn noch eine Weile beschäftigen wird, denn der Prozess ist auf zwölf Wochen angesetzt. Für Montag, den Prozessbeginn, ist eine Mahnwache geplant. "Wir hoffen, dass das Interesse den ganzen Sommer aufrecht erhalten bleibt, die Mahnwache und die Unterstützung, denn der Prozess soll bis Mitte August gehen." Deswegen sind auch im Juni und Juli weitere Demonstrationen und Aktionen geplant.