"Brücke zwischen Deutschland und Russland"
25. Februar 2015In Russland Geschäfte zu machen sei nicht schwieriger als in Spanien oder Frankreich - nur "anders". Und damit meint Torsten Clauß vor allem die russische Mentalität. Seit mehr als zwanzig Jahren betreut sein Unternehmen "GABEC Projektmanagement" Bauprojekte in Russland. Meist sind es Zweigwerke deutscher Firmen, aus der Autoindustrie etwa, dem Maschinenbau oder dem Technologiesektor. Wer die russische Mentalität nicht kenne und mit in Deutschland bewährten Methoden den russischen Markt zu erobern versuche, werde scheitern, so Clauß. Es dauere eben oft eine ganze Weile, mit einem russischen Geschäftspartner warm zu werden und dessen Vertrauen zu gewinnen. Dann aber könne man sich voll und ganz auf sein Wort verlassen und Geschäfte, auch in Millionenhöhe, per Handschlag besiegeln. Was dem Deutschen Verträge und schriftliche Vereinbarungen sind, seien dem russischen Geschäftspartner Vertrauen und gegenseitiges Verstehen.
Dieses Vertrauen und die jahrzehntelange Erfahrung vieler deutscher Firmen in Russland sorgen dafür, dass die geschäftlichen Kontakte trotz politischer Krisen, Sprachlosigkeit und Eiszeit zwischen der EU und Russland noch weitgehend funktionieren, man weiter miteinander redet. Allerdings sind die Möglichkeiten für Erfahrungsaustausch und neue Geschäftsbeziehungen selten geworden, seit immer mehr gemeinsame Foren oder Arbeitsgruppen auf Eis liegen. Der "Wirtschaftskongress Russland", der am 25. und 26. Februar in Frankfurt am Main stattfindet, ist so eine Möglichkeit - und das Interesse ist entsprechend groß.
Mittelständler fürchten um ihre Zukunft
Miteinander reden - das scheint heute noch wichtiger zu sein als bei der ersten Auflage des "Wirtschaftskongresses Russland" vor einem Jahr. Damals war das Verhältnis zwischen Berlin und Moskau noch nicht so angespannt. Die Sanktionen, die der Westen in den vergangenen Monaten gegen Russland verhängt hat, bekommt auch der deutsche Mittelstand zu spüren. Rund einhundert deutsche Unternehmen hätten ihre russischen Niederlassungen bereits geschlossen, sagt Mario Ohoven vom "Bundesverband mittelständische Wirtschaft".
Bei vielen Mittelständlern, besonders in Ostdeutschland, gingen zwar Bestellungen ein, die Maschinen stünden bereit - doch die Unternehmen dürften nicht liefern. Denn zu den Kunden zählen viele russische Staatsunternehmen, die auf der Sanktionsliste stehen. "Die Firmen bangen um ihre Zukunft", so Ohoven. In seinen Augen schadeten die Sanktionen Deutschland und der EU mehr als Russland. Denn Unternehmen aus China oder Brasilien stünden schon bereit, Aufträge und Lieferungen zu übernehmen.
"Die Probleme der russischen Wirtschaft haben vielfältige Ursachen", so Ute Kochlowski-Kadjaia vom Osteuropaverein der deutschen Wirtschaft. Russland leide vor allem unter dem Wertverfall des Rubel und dem niedrigen Ölpreis, da die russische Wirtschaft seit Jahrzehnten zu einseitig auf Öl und Rohstoffe ausgerichtet sei. Die Sanktionen würden die Krise in Russland zwar verschärfen - Ursache seien sie aber keinesfalls.
Gegen die Entfremdung
Deutschland ist für Russland der drittwichtigste Handelspartner weltweit. Im vergangenen Jahr ist das Volumen deutsch-russischer Geschäfte jedoch um 20 Prozent zurückgegangen, vor allem wegen der EU-Sanktionen. Dass es nicht noch mehr war, liegt auch daran, dass man miteinander redet.
Sergey Nikitin, Vertreter der russischen Handels- und Industriekammer in Deutschland, hat in Frankfurt mit vielen Unternehmern gesprochen. Wirtschaftskontakte sind seiner Meinung nach eine wichtige Brücke, um Menschen zusammenzuführen. Das sagen auch die meisten Unternehmer auf dem Frankfurter Wirtschaftskongress. Auch, wenn sie das, was Russland gerade in der Ukraine macht, ganz und gar nicht gutheißen: Nicht mehr miteinander zu reden, hieße, sich weiter zu entfremden. Und das helfe weder Europa noch Russland.