Das Beethovenfest in Bonn beginnt
10. September 2016Eine Beethoven freie Zone, gerade zur Eröffnung des Fests, das den Namen des Komponisten trägt? Von der Tschechische Philharmonie waren tatsächlich nur Töne von Ligeti und Ullmann, Mozart, Bach und Dvořák zu hören. Eine Zusammenstellung, die man woanders wohl kaum erleben dürfte.
"Als wir das Programm besprochen haben, fand ich es eigentümlich, dass keine Komposition von Beethoven verlangt wurde", sagte der Dirigent Jiři Bělohlávek der DW. "Ich nahm an, dies sei Pflicht. Erst jetzt, nachdem ich das Gesamtprogramm des Beethovenfests gelesen habe, habe ich erkannt, dass die Leitung Beethoven auf Sparflamme hält, um in diesem Jahr auf Kontraste zu setzen."
Beethovenfest 2016: ein Fest der leiseren Töne
Der 70-jährige Bělohlávek, der schon viele Jahre mit dem Traditionsklangkörper arbeitet, dirigierte mit sparsamer Gestik und entlockte dem Orchester einen bodenständigen, natürlichen, gesanglichen Klang. Dieser Effekt steigerte sich noch, als die gefeierte amerikanische Violinistin Hilary Hahn die ersten Solo-Töne beim Fünften Violinkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart entfaltete. Mozart so zu spielen, dass es einfach klingt - das dürfte für jeden Musiker die größte Herausforderung sein - und selbstverständlicher hat man das Stück wohl nie gehört. Bei aller Anspannung und Aufregung zu einem Festivalbeginn war in dem Augenblick eine große Ruhe in der ausverkauften Beethovenhalle zu spüren.
Ein Fest der oft leiseren Töne dürfte das Festival in diesem Jahr werden - und das, obwohl "Revolution" das Thema ist. Doch Konzept ist, die Musik nicht krachend, sondern Gedanken anregend in Szene zu setzen. Bei der Begrüßung kündigte Beethovenfest-Intendantin Nike Wagner einen "vierwöchigen Ausnahmezustand mit der anderen Realität der Kunst" an. Nachdenkliche Worte schlug auch die nordrhein-westfälische Familienministerin Christina Kampmann zur Begrüßung an, als sie auf derzeitige Krisen in Deutschland und der Welt anspielte: "Die Menschen spüren Zeitumbrüche, die wir gerade erleben. Viele fragen sich, was die Zukunft bringen wird. Kunst bringt Antworten, die andere nicht geben können. Kunst steht für Dialog, den wir gut gebrauchen können."
Revolution im Inneren
Die Tschechische Philharmonie, die in dieser Saison ihr 120-jähriges Bestehen feiert, spielte einst unter der Leitung von Gustav Mahler und Antonín Dvořák. Dass diese Musiker - es sind übrigens kaum Frauen im Orchester vertreten - ihren Dvořák sehr gut kennen, stellten sie zum Schluss mit den drei Konzertouvertüren "In der Natur", "Othello" und "Karneval" klar. Dass alle drei nacheinander gespielt werden, erlebt man selten, entspricht jedoch der ursprünglichen Idee des Komponisten. Und da darf es schon mal krachen. Von Effekthascherei war in dieser Darbietung dennoch nichts zu spüren.
Das gilt ebenfalls für die anderen Werke des Abends: das "Concert Românec", ein von der rumänischen Volksmusik inspiriertes Frühwerk des ungarischen Komponisten György Ligeti, und "Don Quixote tanzt Fandango" vom österreichischen Komponisten Viktor Ullmann. Es erscheint schier unbegreiflich, wie das von prallem Leben strotzende Werk gerade im Konzentrationslager Theresienstadt entstehen konnte. "Unser Kulturwille war unserem Lebenswillen adäquat", schrieb Ullmann im Sommer 1944. Im Oktober des Jahres wurde er nach Auschwitz deportiert und ermordet. Die Musik beschreibt die absurden Fantasieausflüge von Cervantes "Ritter von der traurigen Gestalt", der seine innere Welt als reale inszenieren will.
Auch das sei typisch für Revolutionäre, wie es in der Programmbroschüre heißt. Einmal mehr wurde daran erinnert, dass Revolutionen erst im Inneren des Menschen entstehen.