Vorschau auf das Beethovenfest Bonn 2016
7. September 2016"Beethoven wuchs im Echoraum der Französischen Revolution auf", sagte Beethovenfest-Intendantin Nike Wagner bei der Vorstellung des diesjährigen Programms in Bonn. Diese Zeit prägte ihn - wie auch die Oktoberrevolution von 1917 eine Generation sowjetischer Komponisten prägte. Auch der "arabische Frühling" vor fünf Jahren, dessen Auswirkungen auf den Nahen Osten, Europa und die Welt immer noch nicht absehbar sind, hatte eine musikalische Komponente.
Wie Intendantin Wagner erklärte, hat jede einzelne der 59 Veranstaltungen ihres Festivals vom 9. September bis zum 9. Oktober einen Bezug zum Motto, zur Geschichte oder zur Gesellschaft. "Die Musik, die Kunst hat nie im Elfenbeinturm existiert", sagte sie im DW-Interview. "Sie hat das immer wieder versucht, wie wir wissen - und wurde entsprechend abgestraft."
Beethoven als Marke
Dass 171 Jahre nach dem ersten Bonner Beethovenfest das Marketing-Potential des berühmtesten Sohns der Stadt immer noch nicht voll ausgeschöpft ist, glaubt Ashok Sridharan. Bonns neuer Oberbürgermeister hat das mittelfristige Ziel vorgegeben, die "Marke Beethoven" in der Stadt fest zu etablieren. Der unausgesprochene Zeitrahmen dafür dürfte das Jahr 2020 sein, in dem der 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens gefeiert wird.
Der "Echoraum der Französischen Revolution" klingt wohl am stärksten in einem Werk Ludwig van Beethovens nach: Seine Sinfonie Nr. 3, die "Eroica", die die Grenzen dessen, was man zu der Zeit unter "Sinfonie" verstand, völlig sprengte. Das Werk wird gebührend im Programm berücksichtigt, etwa in einer Aufführung mit dem WDR-Sinfonieorchester unter der Leitung von Marek Janowski, sowie in Franz Liszts Bearbeitung für Klavier, in den "Eroica"-Variationen, die Beethoven selber für Klavier verfasste und in einer Version für Jazztrio.
Nike Wagners Vorliebe, ein Thema von vielen Seiten zu beleuchten, findet auch seinen Niederschlag in einem "Tag der Bagatellen", an dem Preisträger der Telekom Beethoven Competition Bagatellen von Beethoven sowie von einer Reihe weiterer Komponisten vorstellen werden - und dabei soll der Zuhörer entdecken, dass es sich dabei keinesfalls um kompositorische Kleinigkeiten handelt.
Betont international
Eine "stärkere Einbindung der lokalen Kräfte" wurde als Programmziel vor wenigen Jahren ausgegeben, dennoch kommen die großen Namen immer noch von weither. Das Ural Philharmonic Orchestra aus Jekaterinburg gilt als eines der besten Russlands und wirft an zwei Abenden ein Licht auf Komponisten aus der Zeit vor und nach der Oktoberrevolution. Aus Perm - auch am äußerst östlichen Rand Europas - kommt der Wahlrusse und Shooting Star Teodor Currentzis, der das Mahler Chamber Orchestra in einem Programm mit Beethoven und Schönberg leiten wird.Der russische Pianist Boris Berezowsky gestaltet einen Soloabend. Aus Frankreich reist das Originalklangensemble Les Siècles an. Der deutsche Pianist Christian Zacharias tritt mit dem Orchestre National du Capitole de Toulouse auf, die Tschechische Philharmonie unter Jiri Behlolavek gestaltet das Eröffnungskonzert und zum Abschluss spielt das London Symphony Orchestra unter der Leitung von John Eliot Gardiner.
Das Campus-Projekt - in dem das Beethovenfest mit der Deutschen Welle kooperiert - hat in diesem Jahr Mexiko als Thema. Den Gedanken "Revolutionen" greift die türkische Pianistin Seda Röder auf. In einer Multimedia-Präsentation stellt sie "Songs of Spring" vor - mit Liedern und Klängen, die von Komponisten in den Ländern des "arabischen Frühlings" geschaffen wurden.
Deutsche Künstler und Klangkörper scheinen im Festivalprogramm in der Minderheit zu sein. Dennoch dürften Festivalbesucher auf den Auftritt des Bayerischen Staatsorchesters unter der Leitung eines Dirigenten gespannt sein, der auf lange Sicht das Musikleben in Deutschland prägen wird: der zukünftige Chef der Berliner Philharmoniker Kirill Petrenko.
Noch geht es in der Beethovenhalle
Interdisziplinäres gibt es wieder beim Beethovenfest, etwa mit der postmodernen Lucinda Childs Dance Company aus New York oder bei "Rituals from the Fringe", in dem sich Künstler aus den Bereichen Tanz, Performance, Komposition und Film auf Recherche ins Kunstmuseum Bonn begeben und danach ein neues, kollektives Gesamtkunstwerk vorstellen sollen.
Der zentrale Punkt unter den 23 Spielstätten in Bonn und Umgebung ist die Bonner Beethovenhalle - noch in dieser Saison zumindest. Wie es danach aussieht, dürfte der Festivalleitung Kopfzerbrechen machen: Ab Oktober wird der Saal restauriert; die veranschlagten Kosten bezifferte der Bonner Oberbürgermeister auf 63 Millionen Euro. Zwei Jahre sollen die Bauarbeiten andauern.
Wie hält es ein Festival dieses Niveaus aus, vorläufig ohne einen sinfonischen Konzertsaal dazustehen? Auch die Festivalintendantin hat keine eindeutige Antwort darauf, setzt jedoch auf das Prinzip Hoffnung und erklärt: "Wir machen es wie in der Natur: Wir assimilieren uns mal an die Farbe der Umgebung und schauen, was zu machen ist."
Zumindest finanziell steht das Beethovenfest weiterhin auf sicherem Boden. Bei einem Gesamtetat von 4,6 Millionen Euro scheinen die Zuschüsse mittelfristig gesichert.