"Veränderungen" beim Beethovenfest
2. September 2015Neue Besen kehren gut, sagt ein deutsches Sprichwort und so hat das wohl weltweit wichtigste Beethovenfest in diesem Jahr ein neues Logo. Es ist das erste Jahr, in dem Festivalintendantin Nike Wagner gestalterisch tätig ist. Passend dazu heißt das Motto 2015 denn auch "Veränderungen". Das Fest findet vom 4. September bis zum 4. Oktober an 22 Spielstätten in Bonn und Umgebung statt.
"Nur wer sich ändert, bleibt sich treu…"
"Veränderungen", dieser Begriff hat neben der allgemein verständlichen Bedeutung eine speziell musikalische und zwar im Sinne von "Variationen" . Es ist eine Kompositionstechnik, die Beethovens Werk durchzieht und besonders beliebt ist, spielt sie doch mit dem menschlichen Erinnerungsvermögen. Musikforscher wissen, dass das Wiedererkennen einer Melodie oder eines Motivs in abgewandelter Form dem Ohr schmeichelt und Glücksgefühle auslöst.
Variationswerke gibt es in der Musikgeschichte zuhauf, und viele davon stehen auf dem Festival-Programm, wie etwa Beethovens "33 Veränderungen über einen Walzer von Anton Diabelli". Am "Langen Diabelli-Wochenende" vom 10. bis 14. September wird András Schiff dieses zentrale Werk auf einem modernen Flügel spielen; eine ganz andere Klangwelt wird Ronald Brautigam am historischen Hammerklavier eröffnen.
Bei der Komposition folgte Beethoven dem Ruf des Wiener Diabelli-Verlags, Variationen auf ein Thema von Anton Diabelli zu schreiben. Aber wie so oft bei Beethoven, übertraf er den Auftrag um ein Vielfaches. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass damals 49 weitere Komponisten dem Ruf gefolgt sind. Sämtliche Variationen werden in Bonn gespielt. Der Marathon ist ganz im Geiste Beethovens, der seinem Publikum immer einiges abverlangte.
Altes und Neues
Eine Projektreihe, die 2015 startet: Jedes Jahr gibt das Beethovenfest eine neue Komposition in Auftrag, die auf ein Werk Beethovens Bezug nimmt. Altes (Beethoven) und Neues (Auftragswerk) erklingen dann zusammen im Konzert, die neue Komposition sogar zweimal. Ein interessanter Ansatz: So haben Ohr und Gehirn Gelegenheit, die neue Musik besser aufzufassen. Das Projekt mündet 2020, zum 250. Geburtstag Beethovens, in einem Showcase mit allen Auftragswerken. Für den Jahrgang 2015 erhielt Salvatore Sciarrino den Kompositionsauftrag; Ausgangspunkt für ihn ist Beethovens Chorfantasie.
Sogar das Hören als Phänomen wird am 5. und 6. September mit Komponisten, Künstlern und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen erörtert. "Musik/Hören: gestern, heute, morgen" heißt das Symposium.
Die "Big Names" dürfen nicht fehlen
Das Orchestra-in-Residence, Anima Eterna Brugge, legte zuletzt eine vielbeachtete Aufnahme aller Beethoven-Sinfonien vor. Im Festival präsentiert das Originalklangensemble sowohl Bekanntes - drei seiner Sinfonien - als auch Unbekanntes: Beethovens zu Unrecht selten gespielte Zeitgenossen Franz Berwald aus Schweden und George Onslow aus Frankreich.
Weitere Orchester haben Variationswerke im Gepäck: die Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim zum Eröffnungskonzert, das Budapest Festival Orchestra unter Ivan Fischer sowie die Wiener Symphoniker mit dem Dirigenten Philippe Jordan. Nike Wagners Traum, sämtliche deutsche Rundfunksinfonieorchester bis zum Jubiläumsjahr 2020 einzuladen, wird jetzt schon umgesetzt: Gastieren werden das WDR-Sinfonieorchester unter Leitung seines Chefdirigenten Jukka-Pekka Saraste und das SWR-Sinfonieorchester Baden Baden und Freiburg (Leitung: Lothar Zagrosek). Nicht zu vergessen sind die vielleicht größten Headliner der Saison: das Israel Philharmonic Orchestra mit seinem Ehrendirigenten Zubin Mehta, das am zweiten Festspieltag, dem 5. September, Gustav Mahlers 9. Sinfonie aufführt.
Kammermusik kommt auch nicht zu kurz beim - mit 54 Veranstaltungen leicht verkleinerten - Programm. Auf dem Spielplan stehen das Klavierduo Yaara Tal / Andreas Groethuysen, die Cellistin Sol Gabetta und - zum Auftakt eines dreijährigen Projekts, in dem alle Cellosonaten Ludwig van Beethovens vorgestellt werden - der Cellist Nicolas Altstaedt und der Pianist Alexander Lonquich.
Jenseits der Konvention
Neben dem Kernrepertoire bietet das Fest auch Ausgefallenes: den niederländischen Sprachkünstler Jaap Blonk etwa, der mit großem Variantenreichtum die Grenzen zwischen Sprache und Gesang auslotet.
Tradition hat mittlerweile die Jugendförderung des Beethovenfestes, etwa das Schülermanagement-Projekt. In diesem Jahr verwirklichen Schüler, die sich in der Konzertorganisation üben dürfen, die Veranstaltung "Caribbean Showdown" mit dem Multipercussionisten Martin Grubinger. Anreiz für Jugendliche, auch klassische Konzerte zu besuchen, bietet die Aktion "Für 8 um 8", die Restkarten für acht Euro an der Abendkasse bereithält.
Zu Beginn der Nike Wagner-Ära beim Beethovenfest soll es auch interdisziplinäre Events geben, etwa in der Zusammenarbeit der Choreographin Stephanie Thiersch mit dem Asasello-Quartett. Dabei werden alle Beteiligten zu Akteuren auf der Bühne, und Tänzer und Musiker stellen ihre Interpretation der "Großen Fuge" Beethovens vor. Dabei kommen auch elektronische Klänge zum Einsatz.. Weitere musikalische Varianten geben Jazz-Formationen - etwa Jazz-Größe Jan Gabarek - mit ihren Coverversionen bekannter Werke Beethovens.
Beethovenfest weltweit
Im Zentrum des Orchestercampus des Beethovenfestes und der DW steht diesmal die chinesische Komponistin Zulan. Ihr neues Werk, von der DW in Auftrag gegeben, nimmt Bezug auf Ludwig van Beethoven. Das Bundesjugendorchester spielte es zunächst im Sommer auf einer Chinatournee, um es jetzt beim Campuskonzert am 25. September dem Bonner Publikum vorzustellen.
Die DW, Hauptmedienpartnerin des Beethovenfestes, wird im Fernsehen und online berichten. Darüber hinaus werden 15 Konzerte aufgezeichnet, die in der Audiopräsentation Concert Hour zeitversetzt nachzuhören sind. Ferner sind 30 Tage lang eine Auswahl von Konzerten auf diesen Seiten als Audio on Demand zu hören.
Weitere Sponsoren des Beethovenfestes, das über einen Jahresetat von 1,6 Millionen Euro verfügt, sind die Stadt Bonn sowie die Deutsche Post mit 8000 und die Deutsche Telekom mit 20.000 Mitarbeitern am Standort Bonn.