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Revolutionäre Musik beim Beethovenfest

Gaby Reucher6. September 2016

Unter dem Motto "Revolutionen" steht das Beethovenfest Bonn in diesem Jahr. Dabei geht es nicht nur um den Einfluss der Revolution auf die Musik, sondern auch um revolutionäre Entwicklungen in der Musik selbst.

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Gemälde Delacroix "Die Freiheit führt das Volk"
Bild: picture-alliance/Luisa Ricciarini/Leemage

Als die Pianistin Seda Röder mit Komponisten über den "Arabischen Frühling" sprach, war sie selbst erstaunt: "Ich dachte, ich hätte mir mit meinem türkischen kulturellen Hintergrund ein Bild von dieser Revolution gemacht, doch nicht einmal das stimmte." Es sei nicht einfach, diese Revolution zu verstehen und sich in der Informationsflut zurechtzufinden, sagt sie. "Vielleicht hilft die Musik."

Für ihren multimedialen Bühnenauftritt beim Bonner Beethovenfest hat die Pianistin Künstler aus verschiedenen arabischen Ländern gebeten, in Musik auszudrücken, was der "Arabische Frühling" für sie bedeutet. Der Komponist Amr Okba aus Ägypten findet heute alles noch schlimmer als vor der Revolte. Sein Stück "F.B.I. (Facebook Information)" kritisiert den wachsenden Radikalismus in der Gesellschaft und den Einfluss der Sozialen Medien. Auch die Rolle, die die USA in Ägypten spielten, sieht er kritisch.

Komponistin Seda Röder (c) Hasan Yavuz
Was bedeutet eigentlich 'Arabischer Frühling' fragt Pianistin Seda RöderBild: Hasan Yavuz

Okbas Werk erklärt Seda Röder so: "Auf dem Klavier spiele ich ein Thema aus Akkorden, das sich immer stärker aufbaut. Aber immer wieder reißen die Akkorde abrupt ab, und alles fängt wieder von vorne an. Wenn man dann endlich das Gefühl hat, es geht weiter, erklingt am Ende die amerikanische Nationalhymne."

Musik im Geiste der Revolution

Wie gesellschaftliche Revolutionen die Musik beeinflusst haben, ist ab dem 9. September vier Wochen lang Thema beim Bonner Beethovenfest. "Schon die Vordenker der französischen Revolution wussten, dass man Menschen mit Musik manipulieren kann", sagt der Musiksoziologe Stefan Aufenanger. "Bei Massenkundgebungen und Revolutionsfesten brauchte man Musik. Sie musste einfach sein, verständlich und leicht ins Ohr gehen."

Während die klassische weltliche Musik traditionell bei Hofe ihren Platz hatte, erstarkte im Vorfeld der Französischen Revolution das Bürgertum. Besonders in der Oper machte sich das bemerkbar, sagt Aufenanger. Beliebt waren Themen mit modernen, bürgerlichen Figuren - oder aus dem antiken Griechenland, bei denen es um das Ende der Tyrannei ging. Später kamen die Ereignisse der Französischen Revolution selbst als Thema auf der Bühne.

Napoleon I. Bonaparte Gemälde picture-alliance/aka-images
Viele Komponisten haben Stücke für Napoleon geschriebenBild: picture-alliance/aka-images

Beethoven und die Revolution

Auch Ludwig van Beethoven war ein Verfechter der Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Seine 3. Sinfonie, die "Eroica", hat einen direkten Bezug zur Französischen Revolution. Sie wird beim Beethovenfest als zentrales Werk in verschiedensten Fassungen gespielt. Doch auch musikalisch gilt die 3. Sinfonie als revolutionär. Beethoven baute als zweiten langsamen Satz einen Trauermarsch für die Gefallenen ein. So etwas hatte es in der klassischen Musik noch nicht gegeben. Außerdem war diese Sinfonie wuchtiger und länger als alle andere davor.

Musikformen wie die Trauermärsche oder die starken emotional geprägten dynamischen Gegensätze in der Musik der Revolution haben auch noch nachfolgende Komponisten geprägt. "Beethoven hat seinerseits Hector Berlioz beeinflusst", sagt Aufenanger. "Er arbeitete mit dynamischen Wechseln, dann die vielen Instrumente und dazu die düstere Stimmung."

Ludwig Van Beethoven (co Rischgitz/Getty Images)
Ludwig van Beethoven verehrte Napoleon - bis dieser sich zum Kaiser krönen ließBild: Getty Images

Ein bombastisches musikalisches Aufgebot findet man auch bei Sergei Prokofjew, der 1937 alles an Geräuschen und Instrumenten aufbot - bis hin zu Maschinengewehren - um die russische Oktoberrevolution von 1917 klanglich darzustellen.

Revolutionen in der Musik selbst

Revolutionäre Musik entstand nicht nur im Zuge politischer Revolutionen. Manche Stücke gelten als revolutionär, weil ihre Komponisten neue Klänge und neue Harmonien entwickelten oder die Möglichkeiten der Klangerzeugung etwa durch elektronische Technik erweiterten.

Der russische Komponist Alexander Skrjabin, der Anfang des 20. Jahrhunderts eine Zeit technischer Neuerungen erlebte, träumte von einem Gesamtkunstwerk aus Musik, Text, Tanz, Farben und Gerüchen. Arnold Schönberg wollte nach dem 1. Weltkrieg mit der direkten Vergangenheit brechen, auch musikalisch. Er entwickelte die atonale Zwölftontechnik. Und Luigi Nono gilt als revolutionär, weil er sich - wie Karlheinz Stockhausen - in den 1950er Jahren der experimentellen Musik verschrieb. Beide Komponisten arbeiteten mit elektronischen Klängen und Tonbandaufnahmen als zusätzlichem "Instrument".

Komponist Luigi Nono (c)Imago/Leemage
Luigi Nono mit einem Stück Partitur in der Hand: Noten sind outBild: Imago/Leemage

Sowohl die Musik der Revolutionen, als auch die Revolutionen innerhalb der Musik kommen beim Beethovenfest zur Sprache. Beethovens "Eroica" steht ebenso auf dem Programm wie Nonos "Fabricca Illuminata" oder Seda Röders multimedialer Auftritt zum Thema "Arabischen Frühling": eine Revolution, die für viele noch lange nicht zu Ende ist.