1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Boko Haram: Kampf gegen westliche Werte

Stefanie Duckstein/ Philipp Sandner16. Dezember 2014

Seit Jahren sorgt die islamistische Terrororgruppe Boko Haram im Nordosten Nigerias für Angst und Schrecken. Sie kämpft gegen die Verbreitung westlicher Werte. Ihr Ziel: islamisches Recht in ganz Nigeria durchzusetzen.

https://p.dw.com/p/1E5G1
Boko Haram Kämpfer
Bild: picture alliance/AP Photo

Die Ursprünge: Gegenbewegung zur Demokratisierung

Die Gruppe Boko Haram gründete sich Anfang 2000 in der Stadt Maiduguri im Bundesstaat Borno. Sie vertritt eine radikale Auslegung des Korans und nennt sich selbst "Vereinigung der Sunniten für den Ruf zum Islam und den Dschihad". Gründer der Organisation war Mohammed Yussuf. Seiner Bewegung schlossen sich zunächst arbeitslose Schulabgänger und Akademiker an. Weil ihre Bildung ihnen keinen Ausweg aus der Armut bot, verbrannten sie ihre Zeugnisse - aus Protest gegen die soziale Ungleichheit im Nordosten Nigerias. Neben dem als "westlich" und damit "sündhaft" empfunden modernen Bildungssystem wetterte Yussuf auch gegen die verbreitete Korruption im Land.

Schon bald war die Gruppe allgemein unter dem Namen "Boko Haram" bekannt. "Haram" ist im islamischen Sprachgebrauch alles, was den Lehren des Islam widerspricht. "Boko" (vom englischen Wort für Buch) steht in der in Nordnigeria weit verbreiteten Haussa-Sprache zum einen für "moderne Bildung". Zum anderen bedeutet "boko" aber auch "betrügerisches Verhalten". Zumindest in der Frühzeit der Bewegung ließ sich ihr Spitzname deshalb auch als "Betrug ist sündhaft" verstehen, was die anfangs durchaus verbreitete Sympathie mit den Lehren Yussufs erklärt. Wie schon zuvor andere Bewegungen im islamischen Norden Nigerias predigte "Boko Haram" als Lösung für die Probleme des Landes die Anwendung einer strikten, fundamentalistischen Interpretation des islamischen Rechts, der Scharia. Die gilt zwar offiziell in den meisten nordnigerianischen Bundesstaaten längst, was die Fundamentalisten allerdings als Lippenbekenntnisse abtun. "Boko Haram" fordert aber nicht nur die fundamentalistische Anwendung der Scharia im Norden des Landes, sondern will sie ganz Nigeria einführen.

Aufstieg: gewaltbereite Führer

Infografik Anschläge von Boko Haram
Anschläge von Boko Haram in Nigeria seit 2003. Stand Mai 2014

In den Jahren nach ihrer Gründung griffen die Rebellen vereinzelt staatliche Einrichtungen an. Im Juli 2009 kam es zu offenen Kämpfen in Maiduguri, nachdem die Polizei Mitglieder der Gruppe verhaftet hatte. 800 Menschen kamen ums Leben, Yussuf wurde kurz darauf in Polizeigewahrsam erschossen. Den Mord an Yussuf sehen Beobachter als Startpunkt für eine zunehmende Gewaltbereitschaft von Boko Haram. Während des Fastenmonats Ramadan griffen Schwerbewaffnete ein Gefängnis an und befreiten einige hundert Boko-Haram-Kämpfer. Seitdem gab es regelmäßig Morde sowie Anschläge auf Kirchen und staatliche Einrichtungen, zu denen sich die Miliz mit ihrem neuen Anführer Abubakar Shekau bekannte - vor allem im Norden, aber auch in Nigerias Hauptstadt Abuja.

Die große Armut und Arbeitslosigkeit in Nordnigeria und ihre gegen staatliche Willkür gerichtete Ideologie machte es den Anführern zunächst einfach, Kämpfer zu rekrutieren. Je mehr sich ihr Terror jedoch gegen die einfache Zivilbevölkerung richtete, desto mehr musste sie auf bezahlte Söldner und die Zwangsrekrutierung entführter Jugendlicher zurückgreifen. Die nigerianischen Sicherheitskräfte sind den heute hochbewaffneten Terroristen nicht gewachsen. Seit 2011 gehen Polizei und Militär gemeinsam gegen Boko Haram vor, neuerdings auch zusammen mit Bürgerwehren. Die Regierung verhängte wiederholt den Ausnahmezustand über die drei nordöstlichen Bundesstaaten Yobe, Borno und Adamawa. Im August 2014 erklärte Anführer Abubakar Shekau die besetzten Teile im Nordosten Nigerias zu einem Kalifat.

Der islamistische Terror im Nordosten Nigerias hat in den vergangenen Jahren immer größere Ausmaße angenommen. Anschläge fordern zum Teil dreistellige Opferzahlen. Im April 2014 entführt die Terrorgruppe mehr als 200 Schülerinnen aus der nordnigerianischen Stadt Chibok. Die Nachricht löst die internationale Kampagne #BringBackOurGirls aus.

Feindbilder: westliche Werte

Nigerias islamistischer Terror wird längst auch im Ausland wahrgenommen. Die USA vermuten, dass Boko Haram Verbindungen zur weltweit agierenden Terrororganisation Al-Kaida hat. Ebenso werden der Terrorgruppe Verbindungen zu Al-Kaida im islamischen Maghreb (AQMI) und der Al-Shabaab-Miliz in Somalia nachgesagt. Die USA setzten Boko Haram Ende 2013 auf ihre Terrorliste. Außerdem setzten sie ein Kopfgeld von sieben Millionen Dollar auf Anführer Shekau aus. Ob die internationale Drohkulisse im Kampf gegen Boko Haram helfen kann, bleibt fraglich. Die Islamisten in Nigeria sprechen von einer internationalen Einmischung - und dürften sich in ihrem Feindbild des Westens bestätigt sehen.