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Bio soll jetzt noch mehr bio werden

Rayna Breuer26. März 2014

Bio-Eier, Bio-Milch, Bio-Fleisch - aber wie viel "bio" steckt drin? Die Verbraucher sind verunsichert. Um ihr Vertrauen zurückzugewinnen, will die EU-Kommission nun schärfere Regeln für Öko-Produkte durchsetzen.

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Biogemüse Hofladen des Ökodorfs Brodowin (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Pestizidverseuchte Tomaten und falsch deklariertes Olivenöl - in der Biobranche hatten sich die Skandale gehäuft. Damit solle nun Schluss sein, meint der zuständige EU-Kommissar Dacian Ciolos und will die Branche zu einer Neuausrichtung zwingen. Dafür ist laut Kommission eine Revision der geltenden EU-Öko-Verordnung notwendig. Für den Verbraucher sind das gute Nachrichten. Bei Landwirten und Bioverbänden stößt der neue Vorschlag nicht nur auf Zustimmung.

"Bioprodukte sind keine Nischenprodukte mehr, sie sind ein wichtiger Sektor in der Landwirtschaft mit 20 Milliarden Euro Umsatz im Jahr. Klare und transparente Regeln sind nun umso mehr erforderlich", sagte der EU-Kommissar heute in Brüssel. Man müsse das Vertrauen der Verbraucher stärken, indem man unter anderem die Kontrollen verschärft. Kurzum: Wo "Bio" drauf steht, soll in Europa künftig wieder "Bio" drin sein.

Was ändert sich konkret?

"Egal ob im konventionellen oder im ökologischen Anbau, das entscheidende Problem ist, dass wir Verbraucher bei Lebensmittelskandalen in der Regel nicht erfahren, wer die betroffenen Hersteller und welche die betroffenen Produkte sind", sagt Andreas Winkler von Foodwatch. Man solle eine bessere Anreizkultur schaffen, dass Lebensmittelhersteller von sich aus alles dafür tun, lebensmittelrechtliche Vorgaben, Hygienevorschriften und Kennzeichnungsvorgaben zu beachten. "Es macht einen riesigen Unterschied, ob Hersteller nur Geldbußen und Produktrückläufe befürchten müssen, oder ob sie dann transparent über Lebensmittelkontrollergebnisse den Verbraucher informieren müssen", sagt Winkler. So würde man eine abschreckende Wirkung haben. Nach Meinung von Dacian Ciolos ist das wirksamste Mittel gegen Missbrauch, dass die jeweiligen Firmen bei Verstößen kein Öko-Zertifikat mehr für ihre Produkte erhalten.

Andreas Winkler von Foodwatch (Foto: Foodwatch)
Andreas Winkler: "Nicht nur mit Geldbußen drohen"Bild: Foodwatch

In der Vergangenheit gab es immer wieder Lebensmittelskandale, bei denen Waren zwar als "Bio" deklariert waren, aber tatsächlich beispielsweise mit Pestiziden belastet waren oder gar nicht aus einer Ökoproduktion stammten. In dem boomenden Markt sei "die Versuchung groß, mit Betrug auf die erhöhte Nachfrage zu reagieren", hatte Ciolos am Montag beim Treffen der EU-Landwirtschaftsminister in Brüssel gesagt. "Wir brauchen Kontrollen genau dort, wo das größte Risiko besteht", so Ciolos.

Um Missbrauch zu verhindern und das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen, sollen sämtliche Regelungen der aktuellen Öko-Verordnung geändert werden. So will die EU-Kommission etwa die erlaubten Ausnahmen abschaffen, die derzeit im Biolandbau gelten. Der Einsatz von konventionellem Futter oder Saatgut soll stark verringert werden. Die Grenzwerte für Verunreinigungen durch Pestizide oder gentechnisch veränderte Produkte sollen ebenfalls strenger werden. Da das nicht von heute auf morgen geht, sind Übergangsfristen vorgesehen.

Auch für den Handel sehen die Pläne Neuerungen vor - also für Produkte aus Drittländern, die das EU-Biosiegeln tragen wollen, und für EU-Exporte. "Wir brauchen eine bessere Aufsicht bei Einfuhren. Wir wollen mit Partnern außerhalb der EU verhandeln und einheitliche Standards gewährleisten", sagt der EU-Agrarminister. Die Kommission wolle außerdem mehr in Forschung und Entwicklung investieren, wie etwa in die Entwicklung von ressourcenschonenden Praktiken oder in bessere Datenerhebungen.

Die Vorschläge der EU-Kommission sind nur der erste Schritt. Jetzt sind das Europaparlament und die Mitgliedstaaten als Gesetzgeber gefragt.

Jahresumsatz von Bioprodukten in Deutschland in Milliarden Euro 2000 - 2012 (Foto: DW)

Streng, aber nicht zu streng, bitte

Während für den Verbraucher die vorgeschlagenen Änderungen nicht streng genug sein können, fürchtet die Ökobranche bereits, dass zu strenge Auflagen kleinen Biobauern das Leben schwer machen könnten. Politiker mahnen zur Mäßigung: "Ich will dass wir den Öko-Bauern nicht durch eine überbordende bürokratische Regelung die Lust an der Öko-Produktion vergällen wollen. Wir müssen alles mit Augenmaß machen", sagt Christian Schmidt, Bundeslandwirtschaftsminister.

Auch Ökoverbände laufen Sturm: "Diese Ziele unterstützen wir. Auch dass die Kommission künftig eine Gesamtbetriebsumstellung vorschreiben will, geht in die richtige Richtung. Trotzdem darf die Verordnung in dieser Form nicht in Kraft treten", sagt Jan Plagge, Präsident von Bioland. Denn in Zukunft werde es für Bio-Lebensmittel eigene und besonders scharfe Grenzwerte für Pestizide, GVO und andere unerwünschte Stoffe geben. "Die Vorschläge der Kommission bremsen 'Bio' aus", meint Plagge.

Das sieht der EU-Kommissar aber anders: Auf der Pressekonferenz betonte er, das Ziel sei nicht die Kapazitäten von biologisch erzeugten Produkten zu reduzieren, sondern das Vertrauen der Verbraucher zu stärken. Laut EU-Kommission hat sich der Markt für ökologische Erzeugnisse in den letzten zehn Jahren vervierfacht, die landwirtschaftlichen Flächen aber nur verdoppelt.

Kohl (Foto: fotolia)
Laut EU-Kommission gibt es mittlerweile 186.000 Bio-Bauernhöfe in der EUBild: eyetronic/Fotolia