"Bio" heißt nur "Minimum"
12. Februar 2014Die gute Nachricht vorweg: Ob eckig oder rund, ob erdbraun oder nutzpflanzengrün - wenn ein Packungssiegel das Wort "Bio" enthält, kann der Verbraucher davon ausgehen, dass der Inhalt aus einem nachhaltig wirtschaftenden Betrieb stammt.
"Der entscheidende Vorteil von Bio- oder Ökosiegeln ist, dass diese Begriffe rechtlich definiert sind", sagt Andreas Winkler der deutschen Verbraucherschutzorganisation Foodwatch. Wo "Bio" draufstehe, "kann ich mich auf einen Mindest-Bio-Standard verlassen. Private Siegel garantieren teilweise darüber hinaus noch strengere Richtlinien. Und wir haben zumindest keine Hinweise, dass dagegen verstoßen wird."
Höhere Nachfrage bei den Verbrauchern…
Tatsächlich ist beim Thema Bioprodukte in Deutschland eine ambivalente Entwicklung zu beobachten: Einerseits stieg die Nachfrage in der letzten Dekade stetig an (siehe Grafik unten). "Deutschland ist in Europa der zweitgrößte Absatzmarkt für Bio-Lebensmittel mit einem Umsatzvolumen von über sieben Milliarden Euro. Insofern ist es ein wirklich sehr wichtiger und großer Markt", sagt Hanns-Christoph Eiden, Präsident der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), die verantwortlich zeichnet für das deutsche Biosiegel.
"Bio" klingt nach gesunder Lebensführung - und in Teilen stimmt das auch, so Winkler: "Das europäische Biosiegel und die europäische Ökoverordnung garantieren beispielsweise, dass keine Pestizide eingesetzt werden und dass die Landwirte keine Mineraldünger verwenden". Es dürften auch keine gentechnisch veränderten Pflanzen als Tierfutter eingesetzt werden, und die Zahl der Zusatzstoffe sei limitiert: "Bei konventionellen Produkten sind ungefähr 320 Zusatzstoffe zugelassen, im Biobereich sind es weniger als 50."
... aber geringere Produktion
Andererseits aber liest sich die Verbreitung der biologischen Landwirtschaft in Deutschland nicht gerade eindrucksvoll: Nur sieben von einhundert deutschen Agrarbetrieben betreiben eine ökologische landwirtschaftliche Erzeugung. In der Gesamtsumme macht das rund 20.000 Betriebe, die sich der nachhaltigen Landwirtschaft verschrieben haben.
Über eine Million Hektar Fläche wird ökologisch bestellt, sechs Prozent der gesamten Nutzfläche Deutschlands. Die Zahl der Landwirte, die sich auf ökologischen Anbau spezialisierten, sei sogar noch leicht rückläufig - "weil sich ungeachtet der großen Nachfrage für viele die Frage der Wirtschaftlichkeit stellt", erläutert Eiden.
Schwachstelle Vorproduktion
Die Pachtpreise für Flächen, die Produktionskosten sowie der Preise, die auf dem Markt für ökologisch erzeugte Produkte erzielt werden können, seien zu hoch, die Bereitschaft der Verbraucher, diese erhöhten Produktionskosten beim Kauf zu honorieren, zu gering. "Von daher ist die Frage nach der Einfuhr von ökologischen Produkten und der Verlässlichkeit der ökologischen Produktion auch anderswo für deutsche Verbraucher und die Verbraucherinnen ein ganz wichtiges Thema."
Immer wieder geraten deutsche Biohöfe in die Schlagzeilen, die Vorprodukte - etwa Tierfutter - von Betrieben aus Drittländern verwenden, die nicht europäischen Standards entsprechen.
70 nationalen Biosiegeln wurde nach Angaben der BLE allerdings mittlerweile eine Gleichwertigkeit mit europäischen Standards zuerkannt. Regelmäßige Besuche sollen dies kontrollieren: "Der deutsche Weiterverarbeiter von Vorprodukten aus diesen Ländern kann anhand der Dokumente, die ein Produkt begleiten, nachvollziehen, dass es tatsächlich ökologisch hergestellt ist", so BLE- Präsident Eiden. Die Kontrolle der gesetzlichen Rahmenbedingungen ist dabei an privatwirtschaftlich organisierte Betriebe ausgelagert.
Zu viele Siegel verwirren Verbraucher
Biosiegel, gleich welchen Ursprungs, finden in Deutschland eine hohe Akzeptanz (siehe Grafik oben). Die Standards von deutschem und europäischen Biosiegel entsprechen sich in etwa. Foodwatch kritisiert allerdings die Vielzahl der verschiedenen Zertifikate: "Es gibt ja jetzt schon Hunderte, wenn nicht gar Tausende, verschiedene Gütesiegel im Lebensmittelbereich", so Winkler.
"Der Verbraucher im Supermarkt blickt kaum noch durch, welches Siegel ist denn jetzt seriös und welches ist nur ein Marketinggag ist, das sich die Lebensmittelindustrie selbst verleiht, um ihren Produkten ein besseres Image, eine bessere Qualität anzuheften." Foodwatch fordert daher "grundsätzlich klarere, bessere Kennzeichnungsregeln, die auch Nährwertzusammensetzung, Herkunft und den Einsatz von Gentechnik erfassen" und die "Fantasiebegriffe wie 'Premium' oder 'artgerechte Tierhaltung' ausschließen, die alles oder nichts bedeuten können" (Winkler).
Gerade bei der artgerechten Tierhaltung lässt sich Nachbesserungsbedarf feststellen: So ist es auch in der Haltung von Biohühnern Standard, dass männliche Küken direkt nach dem Schlüpfen geschreddert oder mit Gas getötet werden. Auch Biomilchkühe müssen in einer lebenslangen Dauerschwangerschaft gehalten werden, um überhaupt Milch zu geben - und auch ihre Kälber werden zeitnah zu Kalbfleisch und Lab für die Käseproduktion verarbeitet. Biotiere werden mit denselben Transportern zu denselben Schlachthöfen transportiert wie das Vieh aus konventionellen Betrieben - Themen, die bei der Biofach (12. bis 15. Februar 2014) intensiv diskutiert werden sollen.