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Berlinale eröffnet mit Fassbinder-Adaption

Torsten Landsberg
10. Februar 2022

Mit einem Plädoyer fürs Kino beginnt die 72. Berlinale. François Ozons "Peter von Kant" nach einer Vorlage von Rainer Werner Fassbinder eröffnet den Wettbewerb.

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Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek eröffnen die 72. Berlinale.
"Wir sind zurück auf der Bühne - wow!": Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek bei der Eröffnung im Berlinale PalastBild: Monika Skolimowska/dpa/picture alliance

Auf Abstand und unter strengen Hygienemaßnahmen versammelten sich am Donnerstagabend (10. Februar 2022) Film- und Medienschaffende sowie Politikerinnen und Politiker im Berlinale Palast am Potsdamer Platz zur Eröffnung der 72. Internationalen Filmfestspiele Berlin.

Das sei "lange Zeit nicht selbstverständlich" gewesen, sagte Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek auf der Bühne mit Blick auf die Pandemie. In der Vorbereitung habe sie ständig neue Kraft aus Gesprächen mit Filmschaffenden gezogen. Dass zu fast allen Werken Filmteams anreisten, zeige, wie wichtig das Gemeinschaftserlebnis sei.

Vor dem Hintergrund der Rekordzahlen bei den Corona-Infektionen hatte es der Festival-Leitung im Vorfeld viel Kritik eingebracht, an dem Festival als Präsenzveranstaltung festzuhalten.

Claudia Roth freut sich auf dem roten Teppich der Berlinale.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth hob die Bedeutung der Kultur für die Demokratie hervorBild: REUTERS

"Wir sind zurück auf der Bühne - wow!", sagte der künstlerische Leiter der Berlinale, Carlo Chatrian. Filme hätten den Menschen in den vergangenen beiden Pandemie-Jahren gut getan. "Filme können helfen, die Einsamkeit zu überwinden." Zwar müsse man vorsichtig bleiben, "aber vielleicht ist es an der Zeit, etwas zurückzugewinnen, das wir vermisst haben".

Claudia Roth: "Zeichen für Kino und Kultur"

Erleichtert und dankbar zeigte sich die neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth: "Jede Berlinale wird ein Ereignis erst durch die Menschen, die sie erleben wollen, das Publikum." Die Präsenzveranstaltung setze ein Zeichen für das Kino und die Kultur. "Ohne Kunst bleibt alles stumm", sagte Roth, die auch die Bedeutung der Kunst für die Demokratie hervorhob.

Die Kulturstaatsministerin dankte auch Pflegerinnen und Pflegern sowie Ärztinnen und Ärzten, die stellvertretend für ihre Kolleginnen und Kollegen eingeladen waren, für ihren Einsatz in der Pandemie. Das Publikum im Berlinale Palast erhob sich zu Standing Ovations.

Standing Ovations für Krankenhauspersonal im Berlinale Palast
Für den Einsatz des Krankenhauspersonals in der Pandemie gab es Standing OvationsBild: Hannibal Hanschke/REUTERS

Hommage ans Kino

Insgesamt 256 Filme aus 69 Ländern sind auf der 72. Berlinale vertreten, 17 laufen im Wettbewerb um die Bären. Bereits die Auswahl des Eröffnungsfilms ist eine Hommage an das Kino: Mit "Peter von Kant", der im Anschluss an die Gala seine Weltpremiere feierte, adaptiert der französische Regisseur François Ozon den ursprünglich als Theaterstück geschriebenen und 1972 verfilmten Klassiker "Die bitteren Tränen der Petra von Kant" von Rainer Werner Fassbinder.

In der Neufassung spielt Denis Ménochet ("Inglourious Basterds") den Filmemacher Peter von Kant, der schon nach dem Aufwachen seinen Assistenten Karl herumkommandiert, der fortlaufend Gin Tonic servieren und das nächste Drehbuch tippen muss. Die Beziehung zu seinem Partner ist kürzlich zerbrochen, wie Peter von Kant seiner Star-Schauspielerin Sidonie (Isabelle Adjani) berichtet, als die zu Besuch kommt.

Sidonie stellt ihm den jungen Amir (Khalil Ben Gharbia) vor, der von einer großen Karriere träumt und den Peter von Kant sogleich begehrt. Monate später haben sich die Machtverhältnisse umgekehrt, der vom Regisseur zum Star gemachte Amir begegnet diesem nun mit Abscheu.

Das Kammerspiel, das ausschließlich in der Wohnung des Protagonisten spielt, erzählt von Dekadenz, gegenseitigen und wechselnden Abhängigkeiten, der Sehnsucht nach Liebe und der Gier nach Besitz.

Denis Ménochet und Isabelle Adjani in einer Szene des Films "Peter von Kant"
Denis Ménochet und Isabelle Adjani spielen in "Peter von Kant" von François Ozon, der die 72. Berlinale eröffnetBild: C. Bethuel/FOZ

Hauptfigur inspiriert von Fassbinder selbst

Die Rolle von Kants Mutter besetzte Ozon mit Hanna Schygulla, die im Original die Rolle der Geliebten Karin Thimm spielte, die Entsprechung des Amir in "Peter von Kant". Ihre Teilnahme an der Berlinale hatte Schygulla aus Sorge vor einer Corona-Infektion abgesagt.

Ozons exzessive Hauptfigur ist derweil inspiriert von Rainer Werner Fassbinder selbst, der 1982 im Alter von nur 37 Jahren gestorben war - vermutlich infolge einer Überdosis Kokain, Schlaftabletten und Alkohol. Über "Die bitteren Tränen der Petra von Kant" sagte François Ozon: "Ich hatte immer den Verdacht, dass es sich bei der Geschichte um ein kaum verhülltes Selbstporträt handelt, das sich um eine von Fassbinders leidenschaftlichen Liebesaffären dreht." Deshalb habe er das Geschlecht der Hauptfiguren im Vergleich zur Vorlage verändert.

Jury mit M. Night Shyamalan und Tsitsi Dangarembga 

Bereits am Vormittag hatte sich die diesjährige Berlinale-Jury vorgestellt, die der indisch-US-amerikanische Filmemacher M. Night Shyamalan anführt, bekannt vor allem durch seinen 1999 veröffentlichten Thriller "The Sixth Sense".

Neben ihm in der Jury sitzt die Schriftstellerin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe, die 2021 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhalten hatte und für ihren Roman "Überleben" für den Booker Prize nominiert war.

Weitere Juroren sind der brasilianische Filmregisseur und bildende Künstler Karim Ainouz sowie der japanische Regisseur Ryusuke Hamaguchi, der gerade vier Oscar-Nominierungen für "Drive My Car" erhalten hat.

Die Mitglieder der Berlinale-Jury 2022
Regisseur M. Night Shyamalan (3. von rechts) sitzt der diesjährigen Jury vor, die die Bären vergibtBild: Hannibal Hanschke/AP Photo/picture alliance

Die deutsche Filmemacherin Anne Zohra Berrached, die 2016 mit "24 Weeks" im Wettbewerb der Berlinale war, und die dänische Schauspielerin Connie Nielsen ("Gladiator") komplettieren die diesjährige Jury.

Das Programm des Wettbewerbs hatte die Festival-Leitung in diesem Jahr aufgrund der Pandemie verkürzt. Der Goldene Bär als Hauptpreis sowie die Silbernen Bären in verschiedenen Kategorien werden deshalb bereits am 16. Februar vergeben. Die öffentlichen Filmvorführungen werden bis zum 20. Februar fortgesetzt.