Berlinale präsentiert ihr Programm
19. Januar 2022Wie in allen kulturellen und gesellschaftlichen Bereichen hat die Omikron-Variante des Coronavirus auch Auswirkungen auf die diesjährige Berlinale. Während in Deutschland erstmals die Zahl von 100.000 Neuinfektionen am Tag überschritten wurde, haben die Internationalen Filmfestspiele Berlin am Mittwoch (19. Januar 2022) die Höhepunkte ihres Programms bekannt gegeben.
Wie die Ko-Direktorin des Festivals, Mariette Rissenbeek, auf der live gestreamten Pressekonferenz betonte, fand die Hauptplanung für die Veranstaltung im Sommer und Herbst 2021 statt, als die Infektionszahlen deutlich niedriger waren.
So musste das Festival auf die neue Infektionswelle reagieren und die Organisation für die 72. Berlinale kurzfristig ändern. Wichtige Veranstaltungen wie der European Film Market (EFM) werden nun ausschließlich online abgehalten. Keine leichte Entscheidung, wie Rissenbeek einräumte.
Hoffnung auf Präsenz
Die Berlinale-Leitung hat das Festival von zehn Tagen auf eine Woche verkürzt und alle Partys abgesagt, Fans am Roten Teppich wird es nicht geben. Am Konzept der Präsenz-Vorführungen halten die Organisatoren fest, "weil wir wirklich glauben, dass das kollektive Erlebnis im Mittelpunkt des Filmfestival-Erlebnisses steht", so der künstlerische Leiter der Berlinale, Carlo Chatrian.
Mariette Rissenbeek sagte, sie habe "die Hoffnung, das Filmprogramm in Präsenz zu zeigen". Offen ist, wie die Berlinale reagiert, wenn die Zahlen weiter steigen und die Behörden das Festival doch noch absagen. Eine Online-Berlinale wie 2021 haben die Organisatoren ausgeschlossen.
Fassbinder-Adaption eröffnet das Festival
Die Berlinale startet am 10. Februar im Berlinale Palast mit François Ozons Film "Peter von Kant", inspiriert von Rainer Werner Fassbinders Klassiker "Die bitteren Tränen der Petra von Kant" von 1972. Die Verleihung der Bären, die ursprünglich für den 20. Februar angesetzt war, ist nun vier Tage früher geplant.
Das diesjährige Programm umfasst zwar weniger Filme als die letzte Berlinale unter Normalbedingungen im Jahr 2020 - aber immer noch 256 Kurz- und Langfilme, von denen 18 Werke im Wettbewerb laufen. Zwölf Filmschaffende der für den Wettbewerb ausgewählten Filme waren bereits mit früheren Werken auf der Berlinale vertreten, fünf von ihnen haben bereits einen Goldenen oder Silbernen Bären gewonnen.
Besonders stark im Wettbewerb vertreten sind in diesem Jahr Stars aus Frankreich. Neben Denis Ménochet und Isabelle Adjani in Ozons Eröffnungsfilm spielen Juliette Binoche und Vincent Lindon die Hauptrollen in Claire Denis' "Both Sides of the Blade". Und Charlotte Gainsbourg ist in Mikhaël Hers "The Passengers of the Night" in der Hauptrolle zu sehen.
Dresen widmet sich Guantanamo
Auch namhafte Filmemacher aus dem deutschsprachigen Raum konkurrieren in diesem Jahr um die Bären. Andreas Dresen präsentiert "Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush" mit Alexander Scheer in der Hauptrolle - bekannt aus Dresens gefeiertem Film über den ostdeutschen Liedermacher "Gundermann".
Der österreichische Starregisseur Ulrich Seidl ist mit "Rimini" im Rennen, in dem Michael Thomas in der Rolle eines alternden Gigolos auftritt. Und Regisseurin Nicolette Krebitz ist mit "AEIOU - Ein schnelles Alphabet der Liebe" mit der gefeierten österreichischen Schauspielerin Sophie Rois im Wettbewerb dabei.
Zu den weiteren Berlinale-Favoriten gehört der südkoreanische Regisseur Hong Sang-soo mit "The Novelist's Film", einem Werk, das in Zeiten einer Pandemie spielt und laut Berlinale-Leiter Carlo Chatrian "die Schönheit zufälliger Begegnungen feiert". Hong Sang-soo hatte 2020 mit "The Woman Who Ran" den Silbernen Bären für die beste Regie gewonnen.
"Schönheit zufälliger Begegnungen"
Bereits zum vierten Mal im Hauptwettbewerb vertreten ist der kanadische Filmemacher Denis Côté, dieses Mal mit seinem Werk "That Kind of Summer", das im Dokumentarstil gedreht wurde.
Der kambodschanische Regisseur Rithy Panh, der 2020 mit "Irradiated" den Dokumentarfilmpreis gewann, ist mit "Everything Will Be OK" dabei, der als "apokalyptische Moralgeschichte" beschrieben wird. Auch Indonesien ist im Wettbewerb vertreten: Kamila Andini stellt ihren Film "Before, Now & Then" vor.
Dokumentationen über Nick Cave und die AfD
Das Programm für die Sektionen Berlinale Special und Encounters wurde ebenfalls am Mittwoch bekannt gegeben. Im Berlinale Special werden in diesem Jahr mehrere Dokumentarfilme gezeigt, darunter "This Much I Know to Be True" von Andrew Dominik, der die Arbeit des australischen Musikers Nick Cave während der Pandemie begleitet.
Als wichtigen Dokumentarfilm kündigte Carlo Chatrian "Eine deutsche Partei" von Simon Brückner an. Der Filmemacher liefert darin Innenansichten der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland (AfD). Die Sektion umfasst auch fiktionale Werke, darunter den Film "Occhiali neri" des Horror-Kultregisseurs Dario Argento, in dem seine Tochter Asia mitspielt.
Ehrenpreis für Isabelle Huppert
Der französischen Schauspielerin Isabelle Huppert ist das Rampenlicht in diesem Jahr sicher - sie erhält am 15. Februar den Goldenen Bären für ihr Lebenswerk. Ihr neuester Film "À propos de Joan" (Regie: Laurent Larivière, mit Lars Eidinger in der Hauptrolle) wird im Rahmen eines Berlinale Specials ebenfalls zu sehen sein.
In der Sektion Encounters, die sich laut Berlinale "als Kontrapunkt und Ergänzung des Wettbewerbs neuen filmischen Visionen verschreibt", laufen in diesem Jahr "Coma" des französischen Regisseurs Bertrand Bonello (bekannt für "Saint Laurent", 2014) und "See You Friday Robinson" des iranischen Regisseurs Mitra Farahani, in dessen Mittelpunkt ein Dialog zwischen dem iranischen Intellektuellen Ebrahim Golestan und der französischen New-Wave-Ikone Jean-Luc Godard steht.
Während des Festivals sind auch verschiedene Hommagen an Godard geplant, unter anderem Vorführungen seiner Klassiker sowie eine seinem Werk gewidmete Ausstellung.