Deutsche IS-Anhänger aus Syrien kehren zurück
19. Dezember 2020Sie waren aus Deutschland nach Syrien ausgereist, um sich dem Terrorregime des sogenannten "Islamischen Staats" (IS) anzuschließen. Hunderte Frauen mit deutscher Staatsbürgerschaft begleiteten ihre Männer oder heirateten im IS-Herrschaftsgebiet vermeintlich gottesfürchtige Dschihadisten. Oft hatten sie Kinder dabei, die sie aus Deutschland mitgenommen oder im Kriegsgebiet geboren hatten. Nach der militärischen Niederlage des IS wurden die meisten von ihnen von kurdischen Militärs in Nordsyrien festgenommen. Seit Jahren sitzen sie in Camps fest, etwa in den Lagern Al-Hol oder in Roj.
In einer konzertierten Aktion haben nach übereinstimmenden Medienberichten nun Vertreter der kurdischen Selbstverwaltung in der Stadt Kamishli eine größere Gruppe von Frauen und Kindern an deutsche Beamtinnen und Beamte übergeben. Nach Informationen des Südwestrundfunks (SWR) handelt es sich um drei Frauen im Alter zwischen 21 und 38 Jahren und zwölf Kinder, die zwischen zwei und zwölf Jahre alt sind.
Unter den Frauen ist demzufolge auch Leonora M. aus Sachsen-Anhalt. Deren Fall hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht, weil sie 2015, im Alter von gerade einmal 15 Jahren, nach Syrien ausgereist war. Sie und ihre beiden kleinen Kinder können nun zurück nach Deutschland. Unter den Minderjährigen sollen zudem mehrere Waisenkinder sein.
Bestätigung von kurdischer Seite
Ein Sprecher der kurdischen Selbstverwaltung bestätigte dem ARD-Studio Kairo, man habe eine Gruppe deutscher Staatsangehöriger an Repräsentanten aus Deutschland übergeben - daneben auch mehrere Personen mit finnischer Staatsbürgerschaft. Das Auswärtige Amt in Berlin wollte sich zu der Übergabe gegenüber dem SWR bisher nicht äußern. Für den Rücktransport habe das Auswärtige Amt ein Flugzeug gechartert, berichtet die "Bild"-Zeitung. Der Flug werde von Bundespolizisten begleitet.
Lange hatte sich die Bundesregierung schwergetan mit der Rückführung deutscher IS-Unterstützer nach Deutschland - nicht nur aus Sicherheitsgründen. Trotz vielfacher Warnungen von Experten, der Aufenthalt in kurdischen Camps könne Frauen erneut radikalisieren und Kinder traumatisieren, verwies das Auswärtige Amt immer wieder auf die fehlende konsularische Vertretung in Nordsyrien.
Tatsächlich gehört das Kurdengebiet völkerrechtlich zu Syrien, das vom Regime des Staatschefs Baschar al-Assad regiert wird. Zu seiner Regierung hat Deutschland sämtliche diplomatischen Beziehungen abgebrochen. Nach Ansicht von Beobachtern dürfte die türkische Regierung wiederum kritisch beäugen, welche Verhandlungen Deutschland mit der kurdischen Selbstverwaltung in Nordsyrien führt.
Seit Monaten vorbereitet
Die aktuelle Rückführung war den Berichten zufolge schon lange geplant gewesen, hatte sich aber wegen der Corona-Pandemie und Verhandlungen mit der kurdischen Seite verzögert. Sie dürfte mit humanitären Gesichtspunkten begründet worden sein. Eine entsprechende Namensliste lag den kurdischen Selbstverwaltungsbehörden seit Längerem vor.
Im August 2019 konnten Beamte des Auswärtigen Amtes vier Kinder aus Nordsyrien nach Deutschland bringen, drei Waisenkinder und ein schwer krankes Kind. Vor wenigen Wochen durfte eine Mutter mit drei Kindern zurückkehren. Mehrere Gerichte haben die Bundesregierung inzwischen dazu verurteilt, entsprechende Rückführungen zu forcieren.
Laut "Bild"-Zeitung befinden sich noch knapp 70 erwachsene Deutsche in kurdischer Gefangenschaft, dazu 150 Kinder deutscher Eltern. Knapp zwei Dutzend Deutsche seien seit dem vergangenen Jahr aus der Gefangenschaft in Nordsyrien geflohen, zehn von ihnen nach Deutschland zurückgekehrt.
kle/jj (afp, dpa, tagesschau.de)