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Umsiedlung der Beduinen

Vanessa O'Brien, Westjordanland18. Juli 2013

Kann man sich gegen den Fortschritt zur Wehr setzen? Genau dies versucht der Beduinenstamm der Jahalin, den die israelische Regierung aus dem Westjordanland vertreiben will.

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Eid Abu Khamis im Zelt
Bild: Vanessa O’Brien

Vor 46 Jahren erblickte Eid Abu Khamis, ein Jahalin-Beduine, genau auf jenem Hügel das Licht der Welt, auf dem sich jetzt seine Sippe niedergelassen hat. Die Jahalin leben mitten in der goldfarbenen Wüste von Judäa, auf halbem Weg zwischen Jerusalem und Jericho.

Das recht notdürftig zusammengezimmerte Dorf - nicht gerade eine Augenweide - ist den meisten vorbeibrausendem Motorradfahrern bekannt, denn es liegt am Highway One, der hinunterführt zum Toten Meer. Das Dorf mag für Aussenstehende nichts besonders attraktiv erscheinen - aber für Eid Abu Khamis ist es seine Heimat.

Bei näherem Hinsehen zeigt sich sogar eine gewisse Ordnung, nach der die jämmerlichen Bruchbuden aus Tierhäuten und Wellblech zusammengestückelt worden sind. Innen sind sie sauber und gepflegt. Bei heißem Sommerwetter bevorzugt Abu Khamis allerdings ein Plätzchen vor seiner Hütte - ein großer, mit Kissen ausgelegter Teppich unter dem Schatten rankender Weinpflanzen. Von dort aus kann er seine in der Ferne weidende Ziegenherde gut im Auge behalten.

Noch ist er hier der König der Wüste - aber das könnte sich bald ändern.

Jahalin-Beduinen camp
In dieser Hüttensiedlung leben etwa 5000 Jahalin-Beduinen. Eid Abu Khamis wurde hier vor 46 Jahren geborenBild: Vanessa O’Brien

Eid Abu Khamis lebt im Gebiet C des Westjordanlandes, einer israelischen Verwaltungseinheit. Diese hat vorgeschlagen, die 23 Beduinensippen der Jahalin, etwa 5.000 Personen, in eine eigens dafür gebaute Stadt in der Nueimeh-Region überzusiedeln, die in der Nähe von Jericho im Jordantal liegt. In Eids altem Dorf sind bereits Dutzende von Abrißanweisungen erteilt worden, auch für die dortige Schule, in die rund hundert Schüler gehen.

"Wir sind dauernd unter Druck", sagt Abu Khamis. "Nun müssen wir in dieser ständigen Ungewissheit leben. Die Kinder wollen von ihren Eltern wissen, wie es nun mit ihnen weitergehen soll. Vor allem die Schüler an dieser Schule. Denn sie kriegen das alles mit - die Besuche von Ausländern, die hierher kommen, um unser Anliegen zu unterstützen, und die Besuche der Verwaltungsbeamten. Also wollen sie nun wirklich wissen, was in Zukunft mit ihnen passieren soll."

Abu Khamis' Dorf wird von Israel nicht anerkannt. Das bedeutet, dass keine infrastrukturellen Dienstleistungen dort erbracht werden, wie etwa Elektrizität, Kanalisation und Wasseranschluss. Was allerdings keinesfalls heißen soll, dass den Jahalin die Errungenschaften der Moderne gänzlich fremd wären. Hier und da ragen ein paar Satellitenschüsseln von den Dächern empor, und durch Sonnenenergie gewonnener Strom speist diverse Geräte, wie etwa Handys und Laptops.

Tradition und Moderne

Im Gegensatz zu anderen Beduinenstämmen ziehen die Jahalin nun schon seit Jahren nicht mehr als Nomaden umher. Abu Khamis sagt, man wolle das beste beider Lebensformen miteinander vereinen - einen Teil der Zeit ein Nomadenleben führen, und zum anderen Teil in Häusern wohnen. "Normalerweise wollen die Menschen sich weiter entwickeln und nicht zu alten Traditionen zurückkehren. Aber wir wollen unsere Lebensform als beduinisches Volk beibehalten."

Satelliten Empfänger in Jahalin
Im Dorf gibt es weder Elektrizität noch Kanalisation. Die Bewohner gewinnen Strom aus Sonnenenergie.Bild: Vanessa O’Brien

Laut Abu Khamis wurden die Jahalin ursprünglich 1951 von Tel Arad in der Wüste Negev umgesiedelt. Dort beansprucht er noch immer Landrechte aus altem Familienbesitz. Er verlangt von der Zivilverwaltung, dass der Jahalin-Stamm entweder dorthin zurückgesiedelt wird, oder dass dort, wo er jetzt ansässig ist, eine Siedlung gebaut wird, sodass die Tiere genug Platz haben, um zu weiden.

In Nueimeh bekäme jede Beduinenfamilie jedoch nur 500 Quadratmeter. Die Fläche würde zwar für den Bau eines normal großen Hauses ausreichen, aber nicht berücksichtigen, dass viele Familien bis zu 20 Kinder haben.

Niemandsland

Mordechi Kedar von der Bar-Ilan Universität sieht den Kern des Problems im Landbesitz. Er sagt, die Jahalin seien nicht die Eigentümer des Landes, auf dem sie jetzt lebten, sondern dieses Land gehöre dem Staat - was auch schon unter jordanischer Herrschaft der Fall gewesen sei.

"Die Frage, die sich nun stellt, lautet: Was machen wir jetzt daraus?", meint Kedar. "Sollen wir ihnen ihr traditionelles - manche würden sagen primitives - Leben leben lassen, oder sollen wir ihnen die Denkweise eines modernen Staates aufzwingen, ihnen aber aufgrund ihrer Nöte gleichzeitig große Landflächen zur Verfügung stellen?"

David El Haiani (links)
Bürgermeister El Haiani (links) sagt, Israel habe die Jahalin nicht in die Umsiedlungsplänge mit einbezogen.Bild: Vanessa O’Brien

Die israelischen Menschenrechtsorganisation Bimkom, getragen von Architekten und Stadtplanern, unterstützt die Jahalin in ihrer Auflehnung gegen die geplante Umsiedlung. Denn, sagt Alon Cohen-Lifshitz von Bimkom, in Nueimeh könnten die Jahalin nicht überleben.

"Sie sind doch sowieso schon Flüchtlinge - müssen sie wirklich nochmal vertrieben werden? Sie sollten das Recht haben, zu bleiben, wo sie jetzt sind, und ihren Lebensstil mit Hilfe von moderner Infrastruktur, insbesondere Straßenbau, zu verbessern. Und sie benötigen mehr Platz, sowohl für öffentliche Gebäude, als auch für Weideland."

Cohen-Lifshitz behauptet ferner, die israelische Regierung wolle aus einer Region in der Nähe der jüdischen Siedlung Ma'ale Adumim alle Beduinen vertreiben. Dadurch würde ein Korridor von Jerusalem bis hin zum Toten Meer geschaffen werden. Mit einer solchen Maßnahme würde das Westjordanland praktisch in zwei Hälften geteilt werden, was Israel erlauben würde, den Bau des dortigen Sicherheitszauns zu vollenden.

Gemischte Resultate

Vorherige Versuche, Beduinen in Städten anzusiedeln, haben gemischte Resultate erzielt. Einigen gelinge es, sich dem neuen Lebensstil anzupassen, anderen nicht, sagt Kedar. Manche Beduinen haben neben ihren neuen Häusern Zelte aufgeschlagen, während sie in den Häusern ihre Tiere hielten. "Man mag die Beduinen aus der Wüste entfernen können", sagt Kedar - "aber die Wüste aus ihnen zu entfernen - das ist eine andere Sache."

Andere Beduinen von der Region um Ma'ale Adumim wurden in einer neu errichteten Stadt in der Nähe von Azaria angesiedelt. Viele von ihnen haben schließlich ihre Häuser verkauft, um zu ihrem vorherigen Nomadenleben zurückzukehren, sagt Cohen-Lifshitz von Binkom.

Alon Cohen-Lifshitz zeigt auf eine Karte
Alon Cohen-Lifshitz von Bimkom zeigt auf die Waffenstillstandslinie von 1948 um Ma'ale Adumim.Bild: Vanessa O’Brien

Die Beduinenstämme Al Rashaydeh und Zeyed, die bereits in Nueimeh wohnen, sind übrigens alles andere als begeistert über die Pläne der Zivilverwaltung, dort auch noch den Jahalin-Stamm anzusiedeln.

"Wenn die Jahalin hierher kommen, dann wird es hier in Zukunft so einige Probleme geben", sagte Al Rashaydeh Mukhtar Abu Faisal. "Zwischen den Stämmen werden Konflikte und Streitereien ausbrechen."

David El Haiani, der Bürgermeister des Regionalrats des Jordantals, sagt, die israelische Zivilverwaltung habe die lokalen Behörden und Beduinenstämme nicht in ihre Nueimeh betreffenden Pläne mit einbezogen. Er befürchtet, dass die Hinzunahme weiterer Beduinenstämme ins Jordantal in einer Katastrophe enden könne - denn schließlich sei diese Region für israelische Sicherheitsinteressen besonders relevant.

Die Zivilverwaltung ist dazu verpflichtet, die Pläne für Nueimeh durch die Knesset, das israelische Parlament, genehmigen zu lassen, bevor die Jahalin zwangsumgesiedelt werden.

"Ich werde niemals aufgeben", sagt Eid Abu Khamis, während er seinen Blick über sein noch bestehendes Wüstenreich schweifen läßt. "Ich glaube, es gibt immer noch Hoffnung."