Testwahl für Merkel
14. September 2013Horst Seehofer und Angela Merkel strahlen um die Wette. So sehen Sieger aus. Der bayerische Ministerpräsident und seine CSU (Christlich Soziale Union) rangieren in Umfragen der Forschungsgruppe Wahlen vom 6. September mehr als 25 Prozentpunkte vor der SPD. Ein Machtwechsel in Bayern scheint so gut wie ausgeschlossen. So komfortabel liegt selbst die populäre Bundeskanzlerin nicht im Rennen: Die CSU liegt nahe an der Absoluten Mehrheit von 50 Prozent, eine Sensation am Wahlabend ist am Sonntag (15.09.) in München noch unwahrscheinlicher als eine Woche später (22.9.) in Berlin.
"Bayern ist die CSU, und die CSU ist Bayern". Der Wahlkampfslogan deckt sich seit Jahrzehnten mit der Lebenseinstellung der Mehrheit der Bayern. Seit 1957 ist die Partei ununterbrochen an der Regierung. Eigentlich gilt für die CSU die Formel 50 Prozent plus X. Erst in dieser Legislaturperiode (2008 -2013) bescherten ihr die Wähler einen Koalitionspartner (die FDP) - ein Betriebsunfall, so sehen es die Christsozialen. Damals verloren sie über 17 Prozent der Stimmen. Ein politisches Erdbeben im Freistaat. Und da die CSU in Bayern mehr ist, als nur der natürliche Partner der CDU im Bund, hat Merkel keinen Grund, der Schwesterpartei den Erfolg zu neiden. Eine Bestätigung der CSU an der Urne wäre auch für die CDU von Vorteil. Doch die Bayern-Wahl birgt auch Risiken für die Bundeskanzlerin. Denn Bayern funktioniert anders als der Rest der Republik.
Staatspartei CSU
Bayern und die CSU, das ist ein historischer Sonderfall. Bayern erstreckt sich über den Südosten Deutschlands. Es war lange das Armenhaus Deutschlands. Ein Agrarland ohne Bodenschätze und nennenswerte Schwerindustrie. Heute ist Bayern ein Musterstaat. Siemens und BMW sind hier zuhause, dazu zahlreiche Maschinen- und Flugzeugbau-Firmen. Der Mittelstand boomt und einige der besten Forschungseinrichtungen mit internationalem Ansehen haben ihre Adresse rund um München. Kurz: Bayern ist reich und finanziert im Rahmen des Länderfinanzausgleichs ärmere Bundesländer mit.
Das freut die Empfänger, sorgt aber immer mal wieder für Zorn und Unruhe in München, denn Bayern will auf Dauer nicht der Zahlmeister der Nation sein. Umgekehrt befeuert die bayerische Erfolgsgeschichte das Selbstbewusstsein seiner Bevölkerung. "Laptop und Lederhose", auch so ein Slogan, der das Spezifische der Bayern auf den Punkt bringt. Fortschritt und Traditionspflege, beides soll Hand in Hand gehen zwischen Main und Alpen.
Zwei Schwestern und keine Konkurrenz
CDU und CSU gehen schon seit 1949 gemeinsame Wege, sie bilden im Bundestag eine sogenannte Fraktionsgemeinschaft. Die CDU darf in Bayern nicht als Partei auftreten, umgekehrt muss die CSU außerhalb der Landesgrenzen politisch abstinent bleiben. Getrennte Organisation, hohe Übereinstimmung in den Programmen, das ist die Vertragsgrundlage der Unionsparteien seit Jahrzehnten. Nur selten lief die konservative Gemeinschaft Gefahr zu zerbrechen.
Franz-Josef Strauß, unumstrittener Parteivorsitzender der CSU der 60er bis 80er Jahre, drohte 1976 der großen Schwester CDU mit der Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft. Elf Jahre später war es erneut Strauß, der dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl vorwarf, die CDU nach links zu führen und ihn medienwirksam und deutlich aufforderte in seiner Partei für Ordnung zu sorgen. Gemessen an den damaligen Streitereien, die immer eindeutig von München aus angezettelt wurden, sind die kleinen Sonderwege Horst Seehofers (zum Beispiel eine Autobahn-Maut für ausländische Kfz auf deutschen Autobahnen zu fordern) lediglich Sticheleien gegenüber Merkel (die das ablehnt), um sich im eigenen Wahlkampf profilieren zu können.
Schafft es die FDP, wo landet die SPD?
Bislang hat es Seehofers CSU geschafft, nahezu alle Themen der politischen Konkurrenz aufzusaugen. Das Kernthema der Grünen, die Energiewende, betreibt Seehofer mit Nachdruck. In der Asylpolitik ließ der CSU-Chef noch schnell vor der Wahl den Passus im bayerischen Recht streichen, demnach die Bereitschaft der Asylbewerber zur Rückkehr in ihre Heimat gefördert werden solle. Die Abschaffung dieses Paragrafen hatte die SPD gefordert. Die CSU hat es erledigt. So und anders entzieht die CSU der politischen Konkurrenz die Themen und gibt sich als Über-Partei. Ähnlichkeiten zu Angela Merkels Politikstil sind erkennbar.
Die FDP könnte am Sonntag (15.09) vom Wähler abgestraft werden und an der Fünfprozenthürde scheitern. Was sie - paradoxerweise - für die Bundestagswahl eine Woche später stärken würde. Mitleidseffekt nennen das die Demoskopen. Es wäre im Interesse der CDU, die Liberalen dann am 22. September mit Leihstimmen über die Fünfprozenthürde zu bringen. Mit Stimmen also, die von Wählern stammen, die eigentlich Unionswähler sind. Mit derlei Hilfe kann die SPD nicht rechnen, sie befindet sich schon zu lange auf der schiefen Ebene nach unten. Um die 20 Prozent geben ihr derzeit die Meinungsforscher. Das ist das Niveau der letzten Bayern-Wahl 2008 und damit historischer Tiefstand.
Wenn alles anders kommt
Die große Unbekannte der Bayern-Wahl sind die Freien Wähler. Eine neue Partei, die ihre Ursprünge in der Lokalpolitik hat und 2008 aus dem Stand über zehn Prozent der Stimmen einfuhr. Stimmen vor allem aus dem CSU-Lager. Das kostete damals Horst Seehofer die Alleinherrschaft. Vorhersehbar war das nicht und die Meinungsforschungsinstitute kamen in Erklärungsnot. Bei den letzten Wahlen hatten sich die Branchenführer der Demoskopie teils erheblich verrechnet. Denkbar ist folgendes: Die CSU verliert am Sonntag ihren Koalitionspartner FDP. Gleichzeitig bekommen SPD, Grüne und Freie Wähler zusammen in etwa so viele Stimmen wie die selbst ernannte "Staatspartei". Es wäre eine Sensation, die die Planspiele aller Parteien in Berlin durcheinander brächte.