Bayern zeigt Härte gegen "Gefährder"
1. März 2017Die bayerische CSU-Landesregierung prescht wieder mal nach vorn, wenn es um das Thema innere Sicherheit geht. Das Landeskabinett in München hat einen Gesetzentwurf beschlossen, der eine ganze Reihe von weiteren Sicherheitsmaßnahmen vorsieht. Es geht zum Beispiel um einen ausgeweiteten Einsatz elektronischer Fußfesseln bei sogenannten "Gefährdern" oder die längere Speicherung von Überwachungsvideos.
Den größten Wirbel hat allerdings ein Bericht der "Süddeutschen Zeitung" ausgelöst. Danach plant die Landesregierung unter Ministerpräsident Horst Seehofer auch, Gefährder selbst vorbeugend und ohne zeitliche Begrenzung einsperren zu können. Bedingung ist laut dem Blatt, dass ein Richter auf Antrag der Polizei diese Haft anordnet, soweit dies unerlässlich sei, um eine schwere Gefahr für die Öffentlichkeit zu verhindern.
Eine vorbeugende Haft ist in Deutschland möglich, allerdings ist sie bisher überall begrenzt, von wenigen Tagen in Berlin bis zu zwei Wochen in Baden-Württemberg und Bayern.
"Eine Gefahr für die Demokratie"
Seit die Nachricht durchgesickert ist, hagelt es Kritik. Ulrich Schellenberg, der Präsident des Deutschen Anwaltsvereins, nannte den Entwurf laut der "Süddeutschen Zeitung" noch sehr zurückhaltend "verfassungsrechtlich bedenklich". Die SPD-Politikerin Gesine Schwan sieht gar eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland. Im Deutschlandfunk sagte sie, es gelte nicht mehr "im Zweifel für den Angeklagten", sondern "im Zweifel gegen den Verdächtigen". Das sei eine Umkehrung des Rechtssystems. Katrin Göring-Eckardt, Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, sagte: "Die Gefahr, die von Gefährdern ausgeht, ist zweifelsfrei groß, die Gefahr, die von diesem Gesetzentwurf für den Rechtsstaat ausgeht, ist mindestens genauso groß."
In Bayern selbst sagte Natascha Kohnen, Generalsekretärin der bayerischen SPD, in einem Gespräch mit der Deutschen Welle: "Die CSU muss die Frage beantworten: Wer will in einem Land leben, wo Menschen einfach im Gefängnis verschwinden können?" Die CSU suspendiere damit den Rechtsstaat und schüre Angst.
Gefahr des Missbrauchs
Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP hat schwere Bedenken in gleich mehrfacher Hinsicht. Im Deutschlandfunk wies sie einmal darauf hin, dass "Gefährder" ein "sehr schwammiger Begriff" sei und damit einen großen Auslegungsspielraum offen lasse. Auch sie sieht "die Unschuldsvermutung deutlich ausgehöhlt"; es werde "ganz schwierig sein für die Betroffenen, das dann zu widerlegen, weil ja bisher nichts passiert ist". Es gebe auch rein praktische Schwierigkeiten: "Ein Richter, der nicht eine andere Tatsachenlage hat, wie soll der denn nach einem Jahr entscheiden, ob jemand entlassen wird?" So könne sich die Haft schnell über Jahre hinziehen.
Außerdem sieht Leutheusser-Schnarrenberger die Gefahr des Missbrauchs, wenn Richter über einen solchen Fall zu entscheiden hätten, "die mit unserem Rechtsstaat heutiger Prägung nicht viel am Hut haben - dann kann sich gerade unser Rechtsstaat ganz schnell in einen Unrechtsstaat verkehren". Die frühere Ministerin plädiert dafür, den Begriff "Gefährder" bundeseinheitlich zu definieren und auch die Höchstdauer einer Vorbeugehaft einheitlich festzusetzen, "vielleicht künftig drei Wochen". Denn wenn es in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich scharfe Gesetze gebe, könnten Gefährder einfach in ein anderes Bundesland gehen, "dann ist ja nichts an Sicherheit gewonnen".
Gegenangriff der CSU
Möglicherweise hat man im bayerischen Innenministerium nach der heftigen Kritik kalte Füße bekommen. Jedenfalls dementierte ein Sprecher inzwischen laut dem Bayerischen Rundfunk, dass Gefährder in Zukunft unbegrenzt inhaftiert werden könnten. Innenminister Joachim Herrmann stellte auch noch einmal klar, bei der Haftdauer bewege man sich "im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen". Über die Haftdauer entscheide in jedem Einzelfall ein Richter.
Gleichzeitig ging CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer gegenüber der SPD in die Offensive. Im ZDF-"Morgenmagazin" sagte er voraus, dass die SPD schließlich doch "auf diese Forderung einschwenkt". Die SPD sei "CSU plus sechs Monate": Die CSU fordere etwas, dann falle jeder darüber her, "und nach sechs Monaten - klammheimlich - schwenkt die SPD auf diese Forderungen ein". Dies sei bei den Asylpaketen so gewesen, dasselbe erwarte er nun beim Sicherheitskonzept der CSU.