Der unglückliche Ban Ki-Moon
22. Januar 2014Da war er mutig - und ist gescheitert. Innerhalb von nicht einmal 24 Stunden vollzog UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon die Kehrtwende: Erst hatte er den Iran kurzfristig zur Syrien-Konferenz im schweizerischen Montreux eingeladen - dann lud er ihn wieder aus. Für Ban muss sich das Hin und Her angefühlt haben wie eine doppelte Niederlage: diplomatisch und persönlich.
"Es stört ihn nicht, das Richtige zu tun und zu scheitern, da ist er recht erbarmungslos", sagt der US-Journalist und Autor des Buches "Conversations with Ban Ki-Moon", Thomas Plate, der DW. "Aber nicht das Richtige tun zu können aufgrund von politischen Beschränkungen, das ärgert ihn gewaltig."
Der Weg in die Eigenständigkeit
"Normalerweise ist Ban Ki-Moon ein geschickter Diplomat", urteilt auch Thorsten Benner vom Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin im Gespräch mit der DW, "weil er sich nämlich zunächst einmal versichert, was das mächtigste Land der Welt - die USA - will." Schon seit seinem Amtsantritt 2007 bemängeln Kritiker, dass Ban sich zu sehr den Vorstellungen der Amerikaner beugt. In Moskau gilt er nach wie vor als "amerikanische Erfindung".
Zuletzt hatte er jedoch auch Stellung gegen den Willen des Weißen Hauses bezogen: Als US-Präsident Barack Obama nach dem Giftgasangriff im syrischen Ghuta einen Militärschlag gegen das Assad-Regime propagierte, verwies Ban auf die UN-Charta: Einmischung nur mit Zustimmung des Sicherheitsrates. Auch 2011, als die USA noch am ägyptischen Diktator Mubarak festhielten, drängte Ban auf Mäßigung. Thomas Plate vermutet daher, dass die Entscheidung, den Iran einzuladen, weitgehend ohne Absprache mit den USA gefallen ist: "Es war eine rein professionelle und richtige Entscheidung, selbst wenn er damit den Widerspruch der USA riskierte."
Vor allem in seiner ersten Amtszeit trat Ban international eher leise auf - und wurde dafür in der Vergangenheit durchaus kritisiert. Etwa, als er keine Stellung bezog gegen die Inhaftierung des chinesischen Nobel-Preisträgers Liu Xiaobo im Jahr 2008.
Bei denen, die ihn seit Jahren kennen, gilt Ban bis heute als zurückhaltend, technokratisch, mitunter langweilig. Der typische Bürokrat, eben der - wie es in der UN-Charta heißt - "höchste Verwaltungsbeamte" der Vereinten Nationen. Aber auch: verlässlich in seinen Aussagen.
Spott und Hohn
Deshalb ist jetzt das Kopfschütteln groß. "Das hätte ihm nicht passieren dürfen", heißt es bei der UN in Genf. Ein Vermittler wie er müsse resolut und überzeugend auftreten. Fehler dürften niemals in der Öffentlichkeit geschehen. Andernfalls büßten Diplomaten erheblich an Autorität ein.
Auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow kritisierte die Ausladung. Sie sei ein Fehler, so Lawrow fast schon spöttisch: "Es ist aber keine Katastrophe." Deutliches Missfallen äußerte die iranische Regierung in Teheran: "Es ist bedauerlich, dass Herr Ban nicht den Mut hat, die wahren Gründe für die Rücknahme zu nennen", sagte Außenminister Mohammad Javed Sarif. "Dieses Verhalten ist unter der Würde eines UN-Generalsekretärs."
Ein ehrenvoller Versuch
Statt auf mutiges Vorpreschen setzt Ban sonst auf Überzeugung und Beharrlichkeit: "Wir Koreaner sind ein energisches Volk. Wir sind von Natur aus geduldig, aber was wir uns vornehmen, wollen wir erreichen", sagte er einmal. Und so handelt er auch. Eine Sache, die er sich vorgenommen hat: Alle Seiten müssen beteiligt werden.
"Der Syrien-Konflikt ist ein schwieriges diplomatisches Spiel - und Ban Ki-Moon ist dabei ein bisschen unter die Räder geraten", sagt Thorsten Benner vom GPPi. "Aber er hat etwas versucht, was durchaus sinnvoll ist: Nämlich die Iraner mit an einen Tisch zu holen." Henner Fürtig vom Hamburger GIGA Institut für Nahost-Studien stimmt dem zu: "Die Konferenz ist im Grunde genommen zum Scheitern verurteilt, wenn nicht alle maßgeblichen Seiten an den Verhandlungen beteiligt sind", sagt er im DW-Interview. "Der Berufsdiplomat Ban erkennt diese Situation an, indem er den Iran eingeladen hat."
Eine Niederlage für alle
In einer Erklärung zeigte sich Ban "tief enttäuscht", dass sich der Iran weigert, die Vorbedingungen der Syrien-Konferenz anzuerkennen. In bilateralen Gesprächen hatten hochrangige Politiker noch zugesagt, die Grundlagen wie die Abschlusserklärung der ersten Syrien-Konferenz 2012 zu akzeptieren.
"Man hat sich in die Konferenz hineingerettet, aber nicht mehr", sagt Thorsten Benner. Dass der Iran an den Gesprächen nicht teilnehme, sei nicht nur eine diplomatische Niederlage für Ban - "es ist eine diplomatische Niederlage für alle". Denn eine Vereinbarung zu einer Übergangsregierung wird es jetzt seiner Ansicht nach auf keinen Fall geben. "Es wäre schon bemerkenswert, wenn man sich auf bessere humanitäre Hilfe einigen könnte." Doch selbst um das zu erreichen, muss der Generalsekretär den Rückschlag einstecken. Und einmal mehr beim Vermitteln zwischen den verschiedenen Seiten Mut zeigen.