"Ohne den Iran scheitert die Konferenz"
20. Januar 2014DW: Eigentlich war alles klar: Die Syrienkonferenz sollte am Mittwoch (22.01.2014) im schweizerischen Montreux beginnen. Doch jetzt ist der Iran mit dabei - und die syrische Opposition denkt über einen Boykott nach. Auch die USA sehen die Teilnahme der Iraner kritisch. Warum hat Ban Ki-Moon die Iraner trotzdem eingeladen, quasi im Alleingang und auf den letzten Drücker?
Henner Fürtig: Ich glaube, es ist eine ganz klare Anerkennung der Tatsache, dass die Konferenz im Grunde genommen zum Scheitern verurteilt ist, wenn nicht alle maßgeblichen Seiten an den Verhandlungen beteiligt sind. Der Iran ist Teil des Problems - kann aber letztlich auch nur deshalb Teil der Lösung sein. Die Medien haben sehr ausführlich darüber berichtet, dass der Iran und Saudi-Arabien die wichtigsten regionalen externen Mächte im syrischen Bürgerkrieg sind. Es ist völlig klar, dass ohne den Iran eine Konfliktlösung in Syrien nicht denkbar ist. Und der Berufsdiplomat Ban erkennt diese Situation an, indem er den Iran eingeladen hat.
Die Opposition hat als Vorbedingung für die Teilnahme des Irans gefordert, dass dieser die Abschlusserklärung der ersten Syrien-Konferenz anerkennt und seine Kämpfer aus Syrien abzieht. Bislang ist davon aber nur wenig zu sehen.
Vom zweiten Teil der Forderung ist tatsächlich wenig zu sehen. Aber der iranische Außenminister Dschawad Sarif hatte zugesichert, dass er die Ergebnisse der ersten Genfer Konferenz akzeptiert. Das heißt: Am Ende soll durchaus über eine Übergangsregierung mit exekutiven Vollmachten verhandelt werden. Insofern hat er da durchaus Zugeständnisse gemacht.
Im Vorfeld hatte sich die iranische Regierung sogar schon als Vermittler angeboten. Jetzt heißt es von Außenamtssprecher Marsieh Afcham: "Der Iran wird ohne jegliche Vorbedingung teilnehmen." Wie kann der Iran - als Unterstützer des syrischen Regimes - positiv auf Syriens Präsident Assad und sein Regime einwirken?
Wir haben es mit einem tiefgreifenden Konflikt zu tun, in dem gegenwärtig die Positionen noch sehr weit auseinanderliegen. Man muss sehen, inwieweit es da Bewegung gibt. Der Iran könnte immerhin dann erfolgreich einwirken, wenn das Ziel der Konferenz in Montreux tatsächlich in der Bildung einer Übergangsregierung besteht, die nicht nur auf dem Papier existiert - sondern die tatsächlich Regierungsarbeit übernehmen kann. Das ist der Kern der gesamten Verhandlungen und man darf gespannt sein, ob das überhaupt gelingt. Aber wenn der Iran sich an dieser Lösung beteiligt, dann wäre es ein sehr, sehr konstruktiver Beitrag.
Bislang soll der Iran ja nur bei der Auftaktveranstaltung am Mittwoch teilnehmen - nicht bei den Gesprächen am Freitag in Genf zwischen Opposition und Regierung. Warum ist selbst diese kleine Teilnahme trotzdem so ein großer Streitpunkt?
Ich denke, das ist relativ leicht nachzuvollziehen, weil die Opposition natürlich die Gegenseite möglichst geschwächt in den Verhandlungen haben will. Jeder will in Verhandlungen von einer Position der Stärke aus agieren. Und klar ist: Wenn der Iran auch im Verhandlungssaal Platz nimmt, und zwar auf der Seite der Assad-Unterhändler und Russlands, dann ist natürlich die Seite, mit der die Opposition verhandelt, deutlich gestärkt. Und sei es auch nur in der Auftaktveranstaltung. Das wollte man mit großem Nachdruck verhindern. Es geht immer auch sehr um Symbolik.
In den vergangenen Wochen hat sich im Rahmen der Atom-Verhandlungen das Ansehen des Irans ein bisschen verbessert: Das Verhältnis zu den USA ist aufgetaut, die EU hat jetzt Sanktionen gelockert. Sehen Sie da einen Zusammenhang - oder sollte man das voneinander getrennt betrachten?
Getrennt insofern, als dass es nicht unbedingt einen direkten Zusammenhang zwischen der Teilnahme in Genf und den Atomverhandlungen gibt. Aber es gibt natürlich eine Gemeinsamkeit - und die besteht in der neuen außenpolitischen Stoßrichtung, die die iranische Regierung seit der Präsidentschaftsübernahme Hassan Rohanis eindeutig eingeleitet hat. Der Iran versucht, sein internationales Standing zu verbessern, aus dem Paria-Status herauszukommen und sich wieder als berechenbarer Partner in der internationalen Politik zu etablieren. Das ist ja ganz deutlich zu spüren.
Saudi-Arabien - das die Opposition unterstützt - nimmt ebenfalls an der Konferenz teil. Hierüber gibt es aber keine Diskussionen. Was steckt hinter dieser unterschiedlichen Bewertung?
Saudi-Arabien ist in diesem Konglomerat ganz klar Teil der westlichen Verhandlungsparteien - und damit eben auch der Oppositionsgruppen. Dadurch ist die internationale Unterstützung für eine saudische Teilnahme natürlich niemals infrage gestellt worden. Assad selbst hat außerdem großes Interesse daran, dass diese Konferenz zustande kommt: Denn sie akzeptiert und erkennt - für eine mittelfristige Periode - an, dass er im Amt ist und dass mit seinem Regime verhandelt wird. Und mit niemandem anders. Assad gewinnt durch diese Dinge Zeit - und das ist für ihn schon mal ein Erfolg an sich.
Zumal er jetzt erklärt hat, dass er bei der geplanten Präsidentschaftswahl im Juni erneut antreten will. Welche Chancen auf eine erfolgreiche Einigung sehen Sie angesichts dessen bei der Konferenz?
Das kann man von außen nicht wirklich beurteilen, weil man nicht genau weiß, wie weit die veranschlagten zwei Tage überhaupt Gelegenheit geben, in die Details zu gehen. Vermutlich wird es keine Lösung in Montreux geben. Möglicherweise, wenn alles gut läuft, wird die Konferenz Strukturen und Wege zeigen, wie man weiter verhandeln kann - das wäre schon ein Erfolg.
Professor Dr. Henner Fürtig ist seit 2009 Direktor des Hamburger GIGA-Institutes für Nahost-Studien. Er forscht und publiziert unter anderem zum Iran und der Arabischen Halbinsel.