Bahnstreik trennt Frankreichs Familien
21. Dezember 2019In Frankreich drohen zahlreichen Menschen Weihnachtstage fernab ihrer Familien. Wegen der anhaltenden Streiks hat die französische Bahn den Großteil ihrer Verbindungen an Heiligabend gestrichen. Auch an diesem Wochenende ist der Zugverkehr wegen der Proteste gegen die Rentenreform stark eingeschränkt. Nach einer Welle der Empörung sicherte die Bahngesellschaft SNCF immerhin zu, die zunächst gestrichenen Fahrten für Tausende Kinder noch doch zu ermöglichen.
Eine Sprecherin der Bahngesellschaft SNCF sagte, am Sonntag würden 5000 Plätze in 14 TGV-Schnellzügen für allein reisende Kinder im Alter von vier bis 14 Jahren zur Verfügung gestellt. Dies sei möglich geworden, weil einige Fahrer die Arbeit wiederaufgenommen hätten.
"Das ist unmenschlich"
Zuvor hatte die SNCF mitgeteilt, bis einschließlich 24. Dezember könnten allein reisende Kinder keinen Zug nehmen. 6000 Minderjährige sollten davon betroffen sein. Die Familien wurden benachrichtigt, dass die Tickets storniert seien. Die Bahn argumentierte mit der "Sicherheit" der Kinder: Sie sei wegen der Streiks nicht in der Lage, die zugesagte Betreuung zu garantieren.
Die Gewerkschaft CGT, die seit gut zwei Wochen die Bahn-Streiks in Frankreich mitträgt, sprach am Freitag von einem "Skandal". Auch viele Eltern und Politiker reagierten empört. "Das ist unmenschlich", schrieb eine Frau auf Twitter. "Mein Sohn hat den ganzen Abend geweint, weil er seinen Vater an Weihnachten nicht sehen kann."
Sechs von zehn Verbindungen fallen aus
Laut Bahn ist der Fahrplan am 23. und 24. Dezember stark ausgedünnt: Sechs von zehn TGV- und Intercity-Verbindungen sind gestrichen. Demnach kann nur jeder zweite Kunde, der schon ein Ticket hat, auch befördert werden. Die anderen sollen umbuchen - es gibt jedoch kaum noch Plätze. Die Regierung hatte jedem Passagier einen Zug in Aussicht gestellt.
Auch die Verbindungen aus dem Südwesten Deutschlands nach Frankreich wurden stark zusammengestrichen. Betroffen sind nach Angaben der Deutschen Bahn die Verbindung von Frankfurt am Main über Mannheim nach Marseille und die Strecke Stuttgart - Straßburg - Paris.
Chaos auf den Straßen
Viele Franzosen sind nun auf das eigene Auto, eine Mitfahrgelegenheit oder Busse angewiesen. Für diesen Samstag werden lange Staus erwartet. Der Verkehrsdienst Bison Futé warnte landesweit vor schwierigen Verhältnissen auf den Straßen.
Aus Protest gegen die geplante Rentenreform der Regierung von Präsident Emmanuel Macron waren viele Bahn-Mitarbeiter am Freitag bereits den 16. Tag in Folge im Streik. In Paris verkehrten zudem die meisten Metros und Busse nicht. Das soll auch an diesem Wochenende so bleiben.
Die größte französische Gewerkschaft CFDT entschied am Freitag, ihren Streikappell wegen "unzureichender" Fortschritte in den Gesprächen mit der Regierung aufrechtzuerhalten. Auch die Gewerkschaften CGT und FO riefen weiter zu unbefristeten Arbeitsniederlegungen auf.
Neues Jahr - neue Verhandlungen
Verhandlungen zwischen Premierminister Edouard Philippe und den Gewerkschaften hatten am Donnerstag keinen Durchbruch gebracht, sie wurden auf Anfang Januar vertagt. Die zweitgrößte Eisenbahnergewerkschaft Unsa sprach sich dagegen für eine Streikpause aus.
Mehrere Gewerkschaften erklärten den 9. Januar zu einem branchenübergreifenden Protesttag mit Streiks und Kundgebungen. Seit Beginn der Protestwelle vor gut zwei Wochen hat es bereits drei solche Aktionstage gegeben, dabei gingen jeweils mehrere Hunderttausend Menschen gegen die Rentenreform auf die Straße.
Ein "harter Punkt" in den Verhandlungen bleibt das künftige Renteneintrittsalter, wie die CFDT erklärte. Die Regierungspläne sehen vor, dass es de facto von 62 auf 64 Jahre steigt.
Die Rentenreform ist das zentrale Reformversprechen Macrons. Er will das komplizierte System mit 42 verschiedenen Regelungen in Frankreich vereinheitlichen und das Milliardendefizit der Rentenkassen abbauen.
jj/pg (dpa, afp)