Ausgangssperre nach schweren Ausschreitungen in Bangladesch
4. August 2024Bangladesch kommt nicht zur Ruhe. An mehreren Orten wurden bei Zusammenstößen von Gegnern und Anhängern von Ministerpräsidentin Sheikh Hasina sowie der Polizei mindestens 27 Menschen getötet. "Die, die jetzt auf den Straßen protestieren, sind keine Studenten, es sind Terroristen, die unsere Nation destabilisieren wollen", sagte Hasina. Sie appelliere an ihre Mitbürger, darauf mit harter Hand zu reagieren. Demonstranten hatten im Laufe des Tages wichtige Verkehrsstraßen blockiert. Die Polizei versuchte unter dem Einsatz von Tränengas und Blendgranaten, die Demonstranten zu zerstreuen. Im ganzen Land wurde das Internet abgestellt.
Bei Ausschreitungen in der Stadt Munsiganj seien am Sonntag zwei Bauarbeiter auf dem Weg zur Arbeit getötet worden, berichteten Augenzeugen. Zudem habe es 30 Verletzte gegeben. Die beiden Männer seien mit Schusswunden in ein Krankenhaus gebracht worden, sagte ein Vertreter des Hospitals. Die Polizei bestritt indes den Einsatz von Schusswaffen.
Bei Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern der regierenden Awami League im Distrikt Pabna im Nordosten des Landes wurden zudem mindestens drei Menschen getötet und 50 verletzt. Zwei weitere Personen wurden bei Gewalttaten im nördlichen Distrikt von Bogura und 20 weitere in neun anderen Bezirken getötet, wie Krankenhausmitarbeiter berichteten. "Ein Angriff auf ein Krankenhaus ist inakzeptabel", sagte Gesundheitsminister Samanta Lal Sen, nachdem eine Gruppe Randalierer in der Hauptstadt Dhaka ein Hospital verwüstet und einen Krankenwagen in Brand gesetzt hatte.
Rücktritt der Premierministerin gefordert
Erst am Samstag hatten erneut Tausende Demonstranten den Rücktritt der autokratisch regierenden Premierministerin Sheikh Hasina gefordert. Dies sei nun die zentrale Forderung der Proteste, sagte Nahid Islam von den Organisatoren der Kundgebung in Dhaka. Berichten zufolge wurde auch in anderen Landesteilen demonstriert.
Kurz zuvor hatte die Regierungschefin die Demonstranten noch aufgefordert, sich mit ihr zu treffen und den Protesten ein Ende zu setzen. Bei politisch motivierten Gewalttaten kamen im Juli nach offiziellen Angaben rund 150 Menschen ums Leben. Rund 10.000 Menschen wurden von der Polizei festgenommen.
Studierende hatten gegen umstrittene Quotenregelungen bei der Vergabe von Stellen im öffentlichen Dienst protestiert. Diese waren dann zwar weitgehend von einem Gericht gekippt worden, doch fordern die Studenten nun Gerechtigkeit für die Familien derer, die bei den Protesten getötet worden waren.
Schwere Vorwürfe gegen Hasina
Menschenrechtsorganisationen und Kritiker werfen Hasina vor, gezielt gegen ihre Gegner und Kritiker vorzugehen sowie Tausende von ihnen festnehmen zu lassen. Auch Meinungs- und Pressefreiheit hätten unter ihrer Regierung gelitten. Sie weist die Vorwürfe zurück.
Unter der Führung der langjährigen Premierministerin erlebte das arme, mehrheitlich muslimische Bangladesch einen wirtschaftlichen Aufschwung. Zuletzt machte aber die hohe Inflation den Menschen zu schaffen. In dem Land mit mehr als 170 Millionen Einwohnern herrscht hohe Arbeitslosigkeit.
Was machen die Streitkräfte?
Unklar ist derzeit, wie sich das Militär zu der Forderung der "Keine Kooperation"-Bewegung positioniert, die zu den jüngsten Protesten aufgerufen hat. Laut Beobachtern gibt es Anzeichen, dass die Armee sich gegen die Regierung wenden könnte. 48 hochrangige pensionierte Offiziere forderten am Sonntag auf einer Pressekonferenz, die Streitkräfte unverzüglich von den Straßen abzuziehen.
Die anhaltenden Unruhen hätten lange bestehende wirtschaftliche, soziale und kulturelle Ursachen, hieß es in der von dem pensionierten ehemaligen Armeechef General Ikbal Karim Bhuiyan vorgetragenen Erklärung. Die Offiziere seien zutiefst besorgt "angesichts der grausamen Morde, Folterungen, Entführungen und Massenverhaftungen, die Bangladesch in den letzten drei Wochen heimgesucht haben", sagte Bhuiyan. Generalleutnant Nuruddin Khan, ebenfalls ein ehemaliger Armeechef, bezeichnete die mehr als 250 Studierenden, die bei den Unruhen der vergangenen Woche von der Polizei getötet worden seien, als "Märtyrer". Die "Keine Kooperation"-Bewegung wird zudem von der größten Oppositionspartei "Bangladesh Nationalist Party" (BNP) unterstützt.
Unliebsame Partei verboten
Erst vor wenigen Tagen hatte die Regierung eine radikal-islamische Partei und ihren Studentenflügel wegen ihrer angeblichen Rolle bei den jüngsten Ausschreitungen verboten. Sie warf beiden in einer Erklärung Anstiftung zu Gewalt und Beteiligung an terroristischen Aktivitäten vor. Die jetzt verbotene Partei Jamaat-e-Islami regierte einst gemeinsam mit der früheren Premierministerin Khaleda Zia. Die Partei darf schon seit Jahren nicht mehr an Wahlen teilnehmen. Allerdings durfte sie bislang andere politische Aktivitäten wie Proteste ausführen.
kle/pg (rtr, dpa, afp, ape, kna)