Israelischer Pavillon auf der Biennale bleibt geschlossen
17. April 2024Die Künstlerin Ruth Patir, die Israelbei der renommierten Kunst-Biennale in Venedig vertritt, will den Pavillon ihres Landes erst der Öffentlichkeit zugänglich machen, wenn eine Feuerpause im Gaza-Kriegvereinbart ist. Die Video-Installation mit dem Titel "(M)otherland" hätte eigentlich am Samstag in dem Pavillon in der italienischen Lagunenstadt präsentiert werden sollen. Am Dienstag erklärte Patir jedoch, dass ihr Kunstwerk verhüllt bleibe. Angesichts aktueller Diskussionen über Israels Biennale-Teilnahme vor dem Hintergrund des Gaza-Kriegs führte die Künstlerin auf Instagram aus, sie und die Kuratorinnen Mira Lapidot und Tamar Margalit seien mittlerweile die Nachricht geworden, und nicht die Kunst. "Und wenn mir solch eine bemerkenswerte Bühne geboten wird, möchte ich, dass sie zählt." Sie habe "daher entscheiden, dass der Pavillon erst geöffnet wird, wenn sich die Freilassung der Geiseln und eine Feuerpause ereignet". Der anhaltende Konflikt sei nicht mehr zu ertragen. Sie gehöre zu der großen Gruppe in Israel, "die zu einem Wandel aufruft".
Der Gaza-Krieg dürfte in diesem Jahr eins der beherrschenden Themen in Venedig sein, das in den nächsten Monaten (20. April bis 24. November) erneut zum Zentrum der internationalen Kunstwelt wird. Mehr als 800.000 Kunstfreunde pilgerten vor zwei Jahren in die auf Pfählen erbaute Lagunenstadt, davon zwei Drittel aus dem Ausland - ein neuer Rekord.
Politische Ausrichtung der Biennale
Die älteste Kunst-Biennaleder Welt ist wahrscheinlich noch politischer und internationaler als in den letzten Jahrzehnten. Erstmals sind Ost-Timor und Panama mit eigenen Pavillons vertreten. Auch der afrikanische Kontinent ist immer präsenter. Ghana und Madagaskar waren 2019 erstmals dabei. Im Jahr 2022 folgten Uganda, Kamerun und Namibia. Die afrikanischen Neuzugänge auf diesem - neben der documenta in Kassel - wichtigsten Kunstspektakel der Welt heißen Äthiopien, Benin, Tansania und Senegal. Unter das Motto "Everyting precious is fragile" (Alles Wertvolle ist zerbrechlich) stellt Azu Nwagbogu den Beitrag des westafrikanischen Benin. Der international vernetzte nigerianische Kurator verbindet die Werke der Künstlerinnen Chloé Quenum und Moufouli Bello, ihres Kollegen Ishola Akpo und die Arbeit von Romuald Hazoumé, dem aktuellen Star der Kunstszene Benins. Nwagbogu ist Gründer und Direktor des Lagos Photo Festivals und der African Artists' Foundation (AAF), eine gemeinnützige Organisation, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, zeitgenössische afrikanische Kunst zu fördern und weltweit zu promoten.
Stimmen Afrikas auf der Kunst-Biennale
Mit Erfolg, wie sich zeigt: Hazoumés berührendes Werk "Dream" (Traum) hatte den heute 62-jährigen Künstler auf der Kasseler documenta 12 von 2007 weltbekannt gemacht; Hazoumé präsentierte ein mehrere Meter langes Boot aus Plastikkanistern, Glasflaschen, Briefen und Fotos, das er vor einer Fotoleinwand platzierte. Flucht, Vertreibung, Verlust von Heimat - Assoziationen wie diese entstanden nicht zufällig.
Kurator Nwagbogu will mit dem nationalen Beitrag Benins ebenfalls, wie er vor Journalisten sagte, zum "Umdenken" anregen. Er möchte die "Restitution von Wissen" fördern und dabei mit Hilfe einer "Bibliothek des Widerstands" vor allem Frauen Gehör verschaffen - zu Themen wie afrikanischer Identität, zu Ökologie und Wissenschaft.
Sind afrikanische Stimmen in Venedig nun ausreichend präsent? "Ich würde gerne viel mehr davon sehen", sagt Nwagbogu im Deutsche Welle-Interview, "vor allem würde ich mir wünschen, dass auf dem Kontinent eine umfassendere kulturelle Infrastruktur aufgebaut und unterstützt wird und dass die beeindruckenden Veranstaltungen, die wir bereits in ganz Afrika aufgebaut haben, mehr Unterstützung erhalten."
Biennale-Motto kreist um "Fremdheit"
Die Hauptausstellung der Kunst-Biennale verantwortet in diesem Jahr der Brasilianer Adriano Pedrosa, als erster Lateinamerikaner überhaupt auf diesem prestigeträchtigen Posten. "Stranieri Ovunque - Fremde überall", taufte er seine Schau, die sich nun über die parkähnlichen Giardini, die "Arsenale" genannten historischen Werfthallen und weitere Kunst-Orte der Lagunenstadt erstreckt. Pedrosas Fokus liegt, wie er ankündigte, "auf Künstlern, die selbst Ausländer, Immigranten, Expatriates, Diaspora, Emigranten, Exilanten oder Flüchtlinge sind". Der Kreis ist riesig. Insgesamt 330 Künstler wurden eingeladen, 88 Länder unterhalten Pavillons, 34 Begleit-Events verteilen sich über das Stadtgebiet.
Die Idee des Chefkurators: Er möchte Kunst aus den weniger privilegierten und weniger industrialisierten Regionen des Globalen Südens zeigen. Der Slogan selbst geht zurück auf das Pariser Künstlerkollektiv Claire Fontaine, das ihn als Neonschrift in 53 verschiedenen Sprachen produzieren ließ. Sie leuchten jetzt in den Arsenale.
Russlands Pavillon bleibt wieder leer
Die Kriegsgegner Ukraine und Russland werden in Venedig kaum aufeinanderprallen: Der russische Pavillon bleibt abermals leer. Die Ukraine nimmt mit der Gruppenausstellung "Nest Building" teil. Nach dem Überfall auf das Nachbarland im Februar 2022 hatten die für den russischen Pavillon ausgewählten Künstler und Kuratoren ihren Verzicht erklärt. Einen offiziellen Ausschluss Russlands gab es nicht.
Der Deutsche Pavillon öffnet mit einer Präsentation des Berliner Theaterregisseurs Ersan Mondtag und der israelischen Künstlerin Yael Bartana. Unter dem Titel "Thresholds" (Schwellen) wollen sie Geschichte und Zukunft aus der Perspektive verschiedener künstlerischer Positionen ergründen. Kuratorin ist in diesem Jahr - nach Yilmaz Dziewior 2022 - die in Istanbul geborene Architektin und Co-Direktorin der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden, Çağla Ilk. "Wir befinden uns auf der Schwelle", wird Ilk zitiert, "nichts ist sicher."
Einen der spektakulärsten Auftritte hat in diesem Jahr der Vatikan: Er platziert seinen Pavillon in das Frauengefängnis der Lagunenstadt. Insassinnen begleiten Besucher auf einem Kunstparcours durch die Haftanstalt. Auch Papst Franziskus will den Pavillon besuchen. Er wäre der bisher erste Pontifex bei einer Biennale.