Angst vor Glyphosat: Bio-Bier boomt
20. April 2016Es war eine Nachricht, die Deutschland in diesem Februar in Aufruhr versetzte: Glyphosat im Bier! Und das ausgerechnet in dem Jahr, in dem das deutsche Reinheitsgebot seinen 500. Geburtstag feiert.
Im März 2015 hatte die Weltgesundheitsorganisation das Pestizid als "wahrscheinlich krebserzeugend beim Menschen" eingestuft. Auch wenn nach Einschätzungen des Bundesinstituts für Risikobewertung ein Erwachsener tausend Liter Bier am Tag trinken müsste, um wegen Glyphosat Angst um seine Gesundheit haben zu müssen, findet Sophia Guttenberger:
"Als rein kann man das Bier eigentlich nicht mehr bezeichnen, denn die Reinheit, die das Gebot dem Endverbraucher suggeriert, ist nicht vorhanden." Guttenberger ist Mitautorin der Studie zum Glyphosat-Gehalt im Bier, die das Umweltinstitut München herausgegeben hat. Sie fordert, dass die deutschen Brauereien dafür sorgen, dass beim Anbau von Gerste und Hopfen komplett auf Pestizide verzichtet wird.
Reinheitsgebot bedeutet nicht Bio
Für eine Handvoll deutscher Brauereien ist der Verzicht auf Pestizide bereits selbstverständlich. Das Neumarkter Lammsbräu beispielsweise wird seit mehr als 30 Jahren nach den unternehmenseigenen Vorgaben eines "ökologischen Reinheitsgebots" gebraut. Dieses reicht weit über die Vorgaben des deutschen Reinheitsgebots hinaus, das nur festlegt, dass Bier ausschließlich Hopfen, Malz, Hefe und Wasser enthalten darf.
160 Bio-Landwirte liefern ihr Getreide direkt an die Neumarkter Brauerei. Auf ihren Feldern wachsen Wildkräuter zwischen dem Getreide, die für Bienen und viele andere Insekten überlebenswichtig sind. Pestizide, Fungizide und Herbizide sind tabu. Das Wasser für das Bier kommt aus einer eigenen Quelle, die so tief unter der Erde liegt, dass sie laut Konzern gegen Verunreinigungen durch Landwirtschaft und Industrie abgeschirmt ist.
"Wir wollen der Natur Gutes tun und sie auch für zukünftige Generationen erhalten", sagt Susanne Horn, Geschäftsführerin der Bio-Brauerei. "Wir sind der festen Überzeugung, dass das nur über den ökologischen Landbau und den Verzicht auf Agrochemie möglich ist. Anderenfalls nimmt man der Natur jedes Jahr ein großes Stück an Vielfalt und an Bodenqualität, was man ihr niemals wieder zurückgeben kann."
Ein wachsender Markt
Eine Einstellung, die bei den Konsumenten gut ankommt: Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Biovista steigerte sich der Umsatz von Bio-Bier im Fachhandel zwischen 2013 und 2015 um rund 14 Prozent. Als Marktführer beim Bio-Bier verkaufte Neumarkter Lammsbräu 2015 mit einem Absatzplus von sechs Prozent insgesamt 85.698 Hektoliter Bier. Prozentual betrachtet lag das Unternehmen damit nach eigenen Angaben weit über dem Durchschnitt der Braubranche.
Dennoch werde Bio-Bier selbst unter Personen, die großen Wert auf eine ökologische Ernährung legten, noch immer eher stiefmütterlich behandelt, sagt Brauerei-Chefin Horn. Viele Konsumenten gingen davon aus, dass das Reinheitsgebot bereits Bio-Qualität sicherstelle. "Da müssen wir noch viel Aufklärungsarbeit leisten", so Horn.
Große Brauereien drängen in die Nische
Einen wirklichen Trend zu mehr Bio-Bier-Konsum kann Marc-Oliver Huhnholz, Sprecher des Deutschen Brauer-Bunds, nicht feststellen. Auch wenn die Nachfrage erkennbar sei, bleibe Bio-Bier ein Nischenprodukt. Eine Nische jedoch, in der sich inzwischen auch einige konventionelle Brauereien mit eigenen Bio-Varianten positionieren. "Wir sehen, dass viele Brauereien das Angebotsportfolio erweitern, um auch dieses Segment zu bedienen."
Für die große Mehrheit der Brauereien sei Bio jedoch kein Thema: "Aus unserer Sicht ist das deutsche Bier ohnehin schon sehr rein. Die Einträge durch Pflanzenschutzmittel oder ähnliches sind, wenn überhaupt, sehr gering und werden ständig überwacht", sagt Huhnholz.
Agrarwende gefordert
Seit das Umweltinstitut bekannt gemacht hat, dass sich in allen 14 Lieblingsbieren der Deutschen Glyphosat-Rückstände finden, hat das Vertrauen in das deutsche Reinheitsgebot einen Knacks bekommen. "Unsere Abnehmer erzählen, dass seitdem wesentlich mehr Menschen zu unseren Produkten greifen", sagt Lammsbräu-Chefin Horn.
Die Unternehmerin setzt auch privat auf Bio-Lebensmittel: "Ich möchte meinem Körper keine Pestizide und Fungizide zuführen, wenn es nicht sein muss. Es gibt keine Langzeitstudien darüber, ob es nicht doch gesundheitsschädlich ist. Und ich möchte auch nicht, dass wir durch den Einsatz von diesen Mitteln die Artenvielfalt verlieren und unser Wasser verseuchen."
Die konventionelle Landwirtschaft habe ein System erzeugt, dass sich irgendwann selbst zu Grunde richten werde, glaubt auch die Biologin Guttenberger vom Umweltinstitut. Um den Einsatz von Pestiziden zu verringern, hat das Umweltbundesamt jüngst ein Fünf-Punkte-Programm für einen nachhaltigen Pflanzenschutz herausgegeben. Es ist ein Thema, das die gesamte konventionelle Landwirtschaft betrifft - nicht nur das Bier.