Angola: Der lange Weg zur Macht
19. Mai 2021Anfang Mai reiste Adalberto Costa Júnior, Präsident der größten angolanischen Oppositionspartei UNITA, für eine 24-stündige Stippvisite nach Berlin. Für "politische Gespräche mit Vertretern deutscher Parteien und Stiftungen", wie er sagte. Oder um es anders auszudrücken: um für sein Programm sowie politische und finanzielle Unterstützung zu werben.
In diesem Zuge meldete er sich auch bei der Deutschen Welle. Seine Schilderungen am Telefon klingen dramatisch: Die politische, wirtschaftliche und moralische Lage in Angola sei "katastrophal", sagte der angolanische Oppositionsführer. Präsident João Lourenço sei 2017 mit dem Wahlversprechen angetreten, das Land zu demokratisieren, die Korruption zu bekämpfen und die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Jetzt, vier Jahre später, liegt das Land nach Ansicht von Adalberto Costa Júnior in Trümmern.
Die Wirtschaft: praktisch kollabiert und nach wie vor vom Erdöl als Hauptexportprodukt abhängig. Dazu kämen galoppierende Lebensmittelpreise, steigende Arbeitslosenzahlen, sowie die Folgen einer Corona-Pandemie, die "außer Kontrolle zu geraten drohe".
Die Bevölkerung: total frustriert. Es sei traurig, aber wahr: Die meisten Angolaner seien zu der Überzeugung gelangt, dass selbst der Langzeit-Machthaber José Eduardo dos Santos und sein Clan, der Angola 36 Jahre lang regiert hatte, in vielen Bereichen besser gewesen sei als der jetzige Präsident João Lourenço, so Oppositionsführer Adalberto Costa Júnior.
Wer die Entwicklungen in Angola beobachtet, weiß: Diese Schilderungen sind kaum übertrieben. Die Lage im Land ist dramatisch, die Stimmung explosiv. Das liegt allerdings nicht nur an der Regierung, sondern auch externen Faktoren wie Entwicklungen in der Weltwirtschaft oder der Pandemie.
Für Adalberto Costa Júnior ist klar, 2022 müsse die MPLA, die Angola seit der Unabhängigkeit des Landes 1975 ununterbrochen regiert, abgewählt werden. Und dafür müssten jetzt - anderthalb Jahre vor der Wahl - die Weichen gestellt werden. Wie genau? Das ließ der angolanische Oppositionsführer in diesem Hintergrundgespräch offen.
Das offiziell inoffizielle Bündnis
Einen Tag später - am 7. Mai 2021 - wird der Pressesprecher der UNITA, Marcial Dachala, im DW-Interview konkreter: Die Partei wolle Gespräche mit allen Oppositionsbewegungen im Lande aufnehmen, "die das gleiche Ziel verfolgen". Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass die UNITA solche ersten informellen Gespräche bereits geführt hat. Und zwar mit den prominenten Oppositionspolitikern Justino Pinto de Andrade und Abel Chivukuvuku.
"Bei den drei Oppositionspolitikern, die sich da zusammengetan haben, handelt es sich um drei Alphatiere der angolanischen Politik", ordnet der Politologe Olívio N'kilumbu im DW-Interview die aktuellen Ereignisse ein. "Wenn es die drei schaffen, sich zu einigen und wirklich ein Bündnis zu schmieden, dann erhöhen sich die Chancen der Opposition bei den Wahlen im nächsten Jahr beträchtlich." Es werde aber nicht einfach sein, eine Hierarchie herzustellen, die alle drei akzeptierten.
Wer wird Präsidentschaftskandidat?
Die als seriös geltende angolanische Zeitung "Novo Jornal" berichtete Anfang Mai, dass sich die Oppositionsparteien bereits einig geworden seien: Adalberto Costa Júnior werde die Nummer eins vor Abel Chivukuvuku und Justino Pinto de Andrade als Nummer drei.
Dies will die UNITA bislang weder bestätigen noch dementieren. "Wir werden erst zu gegebener Zeit bekanntgeben, wer das 'Patriotische Bündnis für Alternanz' als Präsidentschaftskandidat bei den Wahlen 2022 anführen wird", so UNITA-Sprecher Dachala zur der DW.
Pepetela, der derzeit wohl renommierteste angolanische Schriftsteller und zugleich ehemaliger Minister und Mitglied der Regierungspartei MPLA, ist der Meinung, Chivukuvuku sei der stärkste Herausforderer für den amtierenden Präsidenten. Er sei "ein Mann, dessen Name allen Angolanern geläufig ist, ein Mann, der die Sprache der Jugend spricht".
Ziemlich sicher ist laut Pepetala ein knapper Wahlausgang. Die MPLA werde wohl kaum einen Kantersieg einfahren, wie es bisher immer der Fall war. "Die Zeiten sind vorbei", sagt Pepetela.
Politologe Olívio N'Kilumbu sieht es ähnlich: Die Opposition hat seiner Meinung nach erstmals seit der Unabhängigkeit die Chance auf einen demokratischen Regierungswechsel. Doch dafür müsse sich die Opposition noch enger zusammenschließen. Es dürfe nicht bei einer Dreierallianz bleiben. Weitere Parteien sowie andere Bewegungen und Persönlichkeiten, die bislang nicht auf der politischen Bühne stehen, sollten eingebunden werden.
Geht Isabel dos Santos in die Politik?
Eine dieser Persönlichkeiten könnte, nach Meinung von Beobachtern, Isabel dos Santos sein - die in Ungnade gefallene Tochter des ehemaligen Präsidenten José Eduardo dos Santos. Die Unternehmerin, die immer noch als reichste Frau Afrikas gilt und gegen die mehrere Ermittlungsverfahren wegen Korruption anhängig sind, hatte in der Vergangenheit eine Präsidentschaftskandidatur nicht ausgeschlossen.
Der Dos-Santos-Clan ist noch immer einflussreich und könnte der MPLA, der er den Aufstieg verdankt, erheblich schaden, sagen politische Beobachter in Angola.
Schriftsteller Pepetela hält ihre Kandidatur aber für sehr unwahrscheinlich: "Isabel dos Santos hatte nie ein politisches Amt inne. Ich glaube auch nicht, dass sie das notwendige Talent oder echte politische Ambitionen hätte, so ein Amt zu übernehmen. Isabel dos Santos wäre für João Lourenço also keine wirklich gefährliche Konkurrenz."
Politische Beobachter halten es auch deshalb für sehr unwahrscheinlich, dass die Oppositionsparteien eine Beteiligung von Familienangehörigen des Ex-Präsidenten José Eduardo dos Santos an einem Oppositionsbündnis unterstützen würden.
Mitarbeit: João Carlos, Lissabon