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Die Geburtsstunde des Pan-Afrikanismus

Daniel Pelz
19. Februar 2019

Vor 100 Jahren tagte in Paris der erste Pan-Afrikanische Kongress. Die Forderungen: Freiheit für Afrikas Kolonien und mehr Mitsprache für schwarze Menschen weltweit. Eine Idee war geboren, die Afrika bis heute prägt.

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W.E.B. Du Bois steht hinter einer Reihe Mikrofone und hält ein Papier in der Hand
W.E.B. Du Bois bei einer Rede 1949Bild: picture-alliance/AP Images/J.J. Levy

Die Welt ist ins Wanken geraten, W.E.B. Du Bois spürt es deutlich: November 1918, Deutschland hat den ersten Weltkrieg verloren. Das Kaiserreich ist Geschichte. In Versailles soll ein Friedensvertrag verhandelt werden. "Es wäre eine Schande für die gut 200 Millionen schwarzen Menschen in der Welt, wenn sie bei dieser gewaltigen Transformation der Welt ohne eine Stimme und ohne Vertretung blieben", schreibt er.

Der US-Amerikaner Du Bois hat einen ambitionierten Plan, über den selbst manche Weggefährten den Kopf schütteln: eine Versammlung schwarzer Menschen aus Afrika, den USA und anderen Weltregionen mitten in Paris, die Forderungen aufstellt und den Teilnehmern der Friedensverhandlungen präsentiert. "Du Bois wollte eine afrikanische Präsenz in der neuen Weltordnung der Nachkriegszeit sicherstellen", sagt Mamadou Diouf, Professor für Afrikastudien an der Columbia-Universität in New York, der DW.

Denn schon kurz nach dem Krieg ist klar, dass auch das deutsche Kolonialreich in Afrika vor dem Ende steht. "Du Bois war relativ früh überzeugt, dass die europäischen und nordamerikanischen Politiker die Kolonien nicht in die Unabhängigkeit entlassen würden. Aber er hat zumindest versucht, diese Situation zu nutzen, um zu sagen: Wir müssen ganz konkrete Verbesserungen für die Gesellschaften heraushandeln, die in diesen Kolonien leben", sagt Andreas Eckert, Professor für afrikanische Geschichte an der Berliner Humboldt-Universität, im DW-Interview.

Ein schwarz-weißes Portraitfoto von Blaise Adolphe Diagne
Ohne die Initiative von Blaise Diagne wäre der Kongress nicht möglich gewesenBild: Public Domain

Du Bois legt los. Einen Namen als Philosoph, Schriftsteller und Kämpfer für die Rechte schwarzer Menschen hat er sich bereits gemacht. Nun bettelt er Geld zusammen, schreibt potenzielle Teilnehmer an, sucht Unterstützer. Nicht jeder ist begeistert. In Washington versucht er, Zugang zur US-amerikanischen Delegation in Versailles zu erlangen, doch das Außenministerium lässt in abblitzen. Blaise Diagne aber nicht. Der gebürtige Senegalese und erste schwarze Abgeordnete in der französischen Nationalversammlung wird sein wichtigster Mitstreiter. Damals ahnt Diagne noch nicht, dass der Kongress ihn zum Präsidenten wählen wird.

Die Geburtsstunde einer Idee

Am Ende wird es eine übersichtliche Veranstaltung. 57 Teilnehmer treffen sich in Paris, davon 16 aus den USA. Der angelsächsische Raum steht einem Treffen der schwarzen Bevölkerung misstrauisch gegenüber. Frankreich kann sich nun immerhin rühmen, den Kongress ermöglicht zu haben. "Es war schwierig, viele Menschen nach Paris zu bringen. Für Menschen aus den damaligen Kolonien oder für Schwarze aus Nordamerika war es schon eine Herausforderung, Pässe zu bekommen. Es ist nur der Initiative und dem Einfluss von Blaise Diagne zu verdanken, dass der Kongress offiziell stattfinden konnte", sagt Andreas Eckert.

Am Ende der drei Tage formuliert der Kongress klare Forderungen. Dazu gehören die graduelle Selbstverwaltung der afrikanischen Kolonien, Meinungsfreiheit, das Recht auf Landbesitz und vor allem Bildung. Die Unterhändler in Versailles nehmen davon keine Notiz. "Die Reden der Schwarzen aus den USA waren aufrührerisch und verurteilend" schreibt Harry Worley, ein weißer US-Amerikaner, der dem US-Außenministerium vom Pan-Afrikanischen Kongress berichtet. Offiziell vertritt er Liberias Regierung bei dem Treffen.

Doch nun ist ein Traum geboren, der in den nächsten Jahren immer weitere Kreise ziehen wird. "Durch den Kongress kamen Afrikaner und Menschen afrikanischer Abstammung zusammen und begannen eine globale Bewegung. Diese Bewegung hatte keinen direkten Einfluss auf die Verhandlungen, aber sie spielte in der Zeit danach eine wichtige Rolle", sagt Mamadou Diouf von der Columbia-Universität.

Staats- und Regierungschefs der Afrikanischen Union bei einem Gipfel 2018
Der Kongress gilt als Keimzelle der Afrikanischen UnionBild: picture-alliance/AA/M. W. Hailu

Weitere Kongresse finden statt - in London, New York, Manchester. Die Bewegung steckt junge Afrikaner an, die in Europa studieren. Einige der Teilnehmer werden später ihre Länder in die Unabhängigkeit führen, so etwa Jomo Kenyatta in Kenia und Kwame Nkrumah in Ghana. Nkrumah ist es auch, der 1958 als Ghanas Premierminister die erste "Panafrikanische Volkskonferenz" in Ghanas Haupstadt Accra mitorganisiert. Die junge politische Elite des Kontinents ist dabei und bekräftigt feierlich den Geist der afrikanischen Einheit. Die Konferenzen gelten als Keimzelle der Organisation für Afrikanische Einheit, die 2002 in der Afrikanischen Union aufgeht. "Man kann also sagen, dass der Pan-Afrikanismus ein ganz praktisches Ergebnis hatte: Die Gründung einer multilateralen Organisation", so Diouf zur DW.

Rückbesinnung auf Paris 1919

Der Pan-Afrikanische Kongress, die Geburtsstunde der AU? Auch Kommissionspräsident Moussa Faki beschwört den Geist der Pan-Afrikanisten: "Möge dieses Jubiläum das Bewusstsein und den Willen zu einer stärken Mobilisierung stärken, die den heutigen Bedürfnissen entspricht", sagte er in seiner Neujahrsbotschaft für 2019.

Zu einem Zeitpunkt, an dem es um die Organisation nicht besonders gut steht: Ambitionierte Projekte wie ein gemeinsamer Pass oder die panafrikanische Freiheitszone kommen nur schleppend voran. Probleme, die auch Andreas Eckert nicht wegdiskutieren möchte. Aber er sieht noch eine andere Seite: "Eine ganze Reihe von Stimmen sagen, dass Afrikas Chance darin besteht, Zersplitterungen zu überwinden und gemeinsame Interessen zu formulieren. Vielleicht kann man daher sagen, dass der Geist des Pan-Afrikanismus so langsam wieder in die Flure der Afrikanischen Union einkehrt."