Afrikas Freihandelszone "auf Kurs"
9. Februar 2019Die größte Freihandelszone der Welt - davon träumt die Afrikanische Union (AU) bereits seit 2012. Den Weg dahin soll das Afrikanische Freihandelsabkommen (AfCFTA) ebnen, das Ergebnis jahrelanger Verhandlungen. Im März 2018 unterzeichneten 44 Staaten in Kigali, Ruanda, das Abkommen zur Errichtung einer panafrikanischen Freihandelszone, mittlerweile ist die Zahl auf 49 gestiegen. Doch um den Vertrag geltend zu machen, müssen ihn mindestens 22 Staaten ratifizieren. Bisher haben dies allerdings nur 17 Staaten getan.
Das langfristige Ziel des AfCFTA-Abkommens ist, den bisher schwachen innerafrikanischen Handel drastisch zu steigern. Grenzüberschreitender Handel soll einfacher und kostengünstiger werden, und neben der Bevölkerung vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen zu Gute kommen.
Dass das Abkommen in Kraft tritt, sei von immenser Wichtigkeit, sagt der AU-Kommissar für Handel und Industrie, Albert Muchanga. "Wir schaffen Chancen für große Investitionen in Afrika. Schon jetzt kommen Mitglieder der afrikanischen Diaspora auf uns zu, um den Investitionsprozess zu starten." Und diese neuen Investitionen sollen vor allem der Jugend Afrikas zugute kommen. "Das wird unseren Kindern viele Jobmöglichkeiten eröffnen."
Nigeria zögert
Mit einem Bruttosozialprodukt von 3,4 Billionen US-Dollar ist Afrika der wirtschaftlich schwächste Kontinent. Für die Aufholjagd hat die Afrikanische Union das AfCFTA entworfen. Sollte das Abkommen alle 55 Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union zusammenbringen, könnte dadurch ein Markt entstehen, der mehr als 1,2 Milliarden Menschen umfasst. Gemessen an der Anzahl der teilnehmenden Länder soll das AfCFTA die weltweit größte Freihandelszoneseit Gründung der Welthandelsorganisation werden.
Schätzungen der UN-Wirtschaftskommission für Afrika (UNECA) zufolge hat das AfCFTA das Potenzial, den innerafrikanischen Handel durch die Abschaffung von Einfuhrzöllen um die Hälfte zu steigern. Ein entscheidender Schritt fand bereits im Jahr 2014 statt, als die Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC), die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) und der Gemeinsame Markt für das Östliche und Südliche Afrika (Comesa) den Wegfall der Handelsbarrieren untereinander beschlossen.
Doch nicht jedes Land teilt die überschwängliche Begeisterung für den Plan. Bisher haben nur neun Länder ihre Ratifizierusurkunde für das AfCFTA bei der Afrikanischen Union hinterlegt: Ghana, Kenia, Ruanda, Niger, Tschad, Guniea, eSwatini (ehemals Swasiland), Uganda und die Elfenbeinküste. Südafrika, Sierra Leone, Mali, Namibia, Senegal, Kongo, Togo und Mauretanien haben die Zustimmung des Parlaments zur Ratifizierung erhalten, so dass die Gesamtzahl der Ratifikationen (hinterlegt und ausstehend) nun 17 beträgt.
Doch Afrikas größte Volkswirtschaft lässt weiterhin auf sich warten. Nigeria ist zögerlich, wenn es zur Unterzeichnung des Deals kommt. Die Regierung befürchtet, das Abkommen könnte nigerianischen Unternehmern schaden und dazu führen, dass ausländische Billigprodukte den nigerianischen Markt ungehindert überschwemmen.
Keine Gefahr aus dem Ausland
Jamie Macleod, Handelspolitik-Experte des African Trade Policy Centre, sieht darin keine Gefahr. "In Nigeria war man besorgt, dass Produkte aus Drittländern wie China in ihre Märkte gelangen, getarnt als Produkte aus anderen afrikanischen Ländern. Und das wird in der Vereinbarung thematisiert, heißt: Wenn man in der Lage ist, solche Produkte zu identifizieren, würden diese vom Markt ausgeschlossen."
Außerdem seien in dem Abkommen Bestimmungen vorgesehen, die in solchen Fällen in Kraft treten. "Sollte durch den Anstieg der Importe eine Gefahr für die heimische Industrie entstehen, die ihr schaden könnte, können sich die Länder auf die Bestimmungen berufen, die es ihnen ermöglichen würden, den Zollsatz für dieses Produkt zu erhöhen", sagt Macleod. Doch man solle realistisch bleiben: Afrika habe nur einen Anteil von drei Prozent am Welthandel. Daher glaubt Macleod nicht, dass es genug Produktionskapazität gäbe, um Märkten wie Nigeria mit Produkten aus anderen afrikanischen Ländern zu schaden.
AU-Kommissar Muchanga ist überzeugt, dass noch viele afrikanische Staaten ihren Ratifizierungsbrief für grenzenlosen Handel in Afrika abgeben werden. "Ich bin optimistisch, dass wir bis zum Treffen im Februar die minimale Anzahl an Unterschriften haben, die wir brauchen, damit das Vorhaben in die Tat umgesetzt werden kann. Wir sind auf dem Kurs." Welche Länder ihre Ratifizierung zugesagt hätten, verrät Muchanga nicht, "um keinen Druck auf diese Länder auszuüben."
Ein Prozess mit Hindernissen
Auch Macleod ist optimistisch, dass sich Länder wie der Wirtschaftsriese Nigeria noch beugen werden. "Ich glaube, dass es in Nigeria politische Hindernisse sind, die sie zurückhalten - in wenigen Wochen stehen dort Wahlen an und sie wollten das AfCFTA nicht zu einem Wahlkampfthema machen." Kurz vor der Unterzeichnung hätte Nigerias Präsident Muhammadu Buhari Bedenken geäußert: "Er sagte, dass er nicht genügend Rücksprache gehalten habe und dies tun wolle, bevor er unterschreibt." Die Signale, die aus Nigeria zu hören seien, klängen jedoch positiv, so Macleod. "Ich denke, dass sie an Bord kommen werden."
Die Herausforderungen kämen erst, wenn Afrikas Freihandelszone wirklich eingeführt werde, betont Muchanga. "Im Leben ist es so: wenn man ein Hindernis überwunden hat, steht man vor dem nächsten." Daher sei auch die Einführung der Freihandelszone vor allem ein Prozess. "Jetzt ist unsere größte Herausforderung die, dass viele Menschen denken, dass wir es nicht schaffen können." Jetzt gelte es, das Gegenteil zu beweisen. "Die Stärke, die wir im Ausland zeigen, spiegelt unsere innere Stärke wieder. Wenn also die afrikanische Wirtschaft wächst, wird sie einen größeren Einfluss auf die Welt haben." Sollte es die Afrikanische Union schaffen, auf ihrem Gipfel am 10. und 11. Februar genügend Mitgliedsstaaten zur Ratifizierung zu bewegen, könnte schon im März der Startschuss für den größten Freihandelsmarkt der Welt fallen.