Algerier wollen politischen Neubeginn
15. März 2019Viele Demonstranten kamen mit algerischen Flaggen zu den Kundgebungen. Im Zentrum der Hauptstadt Algier sammelten sich an großen Plätzen Zehntausende Menschen. Einige Beobachter sprachen sogar von Hunderttausenden Teilnehmern. Nach Angaben von Augenzeugen war es die größte Protestkundgebung seit Beginn der Demonstrationen im Februar.
Die Menschen stimmten Sprechchöre gegen die verlängerte Amtszeit des altersschwachen Staatschefs an und forderten einen grundlegenden Wandel des politischen Systems. Die komplette Regierung müsse abtreten, sagte ein Demonstrant. Es ist der vierte Freitag in Folge mit Massenprotesten in Algerien.
Viele Festnahmen
In der Hauptstadt Algier wurden die Proteste von einem massiven Aufgebot der Polizei begleitet. 75 Menschen wurden nach Behördenangaben festgenommen. Elf Polizisten seien verletzt worden, hieß es. Über der Stadt kreisten Überwachungshubschrauber. Zugleich ließ die Polizei Busse stoppen, die Demonstranten aus dem Umland in die Innenstadt bringen sollten. Auch die Metro stellte über Stunden ihren Verkehr ein. Jedoch beschrieben Beobachter die Situation als entspannt.
Der 82-jährige Staatschef Abdelaziz Bouteflika, seit Jahren schwer krank und an den Rollstuhl gefesselt, hatte vor wenigen Tagen nach wochenlangen Massenprotesten erklärt, dass er bei der ursprünglich für den 18. April vorgesehenen Präsidentschaftswahl nicht erneut antreten werde.
Die Wahl wurde anschließend auf unbestimmte Zeit verschoben, wodurch Bouteflika zunächst formal an der Macht bleibt. In dieser Übergangsphase soll Innenminister Noureddine Bedoui die Geschäfte führen. Die neue Führung um Bedoui stellte einen politischen Reformprozess in Aussicht, nach dessen Abschluss die Wahl nachgeholt werden soll.
Expertenkabinett
Bedoui hat angekündigt, eine Regierung aus Experten zu bilden. Dabei wolle er die Forderungen der Straße einbeziehen, erklärte er. Demnach soll die neue Regierung bis Anfang kommender Woche stehen und das gesamte politische Spektrum vertreten, auch die junge Generation.
Dem neuen Premier zufolge soll die Übergangsphase nicht länger als ein Jahr dauern. Die Opposition kritisiert jedoch, der Präsident habe eigenmächtig seine Amtszeit auf unbestimmte Zeit verlängert. Die meist jugendlichen Demonstranten sehen darin ein Manöver. Getragen werden die Demonstrationen vor allem von Studenten.
cgn/se (afp, ap, dpa)