Die Pandemie als Treiber regionaler Konflikte?
7. Dezember 2021Nur zwei Polizisten waren im Dienst, als die Islamisten Ende November nach Nadiagou kamen. So schildert es Ali Bernard*. Gegenwehr leisteten die Beamten nicht. "Sie sind geflüchtet. Sie waren zwei gegen viele. Auch wenn sie Panzer gehabt hätten, sie hätten nichts tun können." So konnten die Islamisten Nadiagou problemlos einnehmen - als erstes Dorf in Burkina Faso.
Immer mehr Anschläge
Bernard flüchtete sich in die Hauptstadt Ouagadougou. Dort traf die DW auch Moussa Michel*, der sich ebenfalls an die schrecklichen Szenen in der Gegend um Nadiagou erinnert: "Ein junger Polizist (aus einem Nachbardorf) ist geköpft worden. Sie haben ihm den Kopf abgeschnitten!". Seit der Leichnam abgeholt wurde, sei von den Behörden in der Gegend nichts mehr zu sehen gewesen.
Auch in Mali spitzt sich die Lage zu, fast täglich werden neue Übergriffe bekannt: Am Freitag schossen Terroristen bei Bandiagara im Zentrum des Landes auf einen Bus. 31 Menschen starben. Am Sonntag gab es einen Sprengstoffanschlag auf einen UN-Stützpunkt in Gao, wo auch deutsche Soldaten stationiert sind. Auch weiter südlich geraten Gebiete außer Kontrolle. Zum ersten Mal seit 2013, als Islamisten große Teile Malis unter ihre Kontrolle brachten, ist laut Experten auch die Hauptstadt Bamako wieder in Gefahr.
Warum wird der Terrorismus wieder stärker? Ein Hauptgrund liegt für den pensionierten senegalesischen General Babacar Gaye auf der Hand: "Es sind die begrenzten Kapazitäten der Armeen", sagt Gaye, ehemaliger Chef der UN-Mission in der Zentralafrikanischen Republik, im DW-Interview.
Das Thema dominierte auch das Dakar Forum für Frieden und Sicherheit, zu dem sich afrikanische Staatschefs diese Woche in der senegalesischen Hauptstadt trafen. Sie forderten einen leichteren Zugang zu internationaler Finanzierung. "Die terroristischen Gruppen im Sahel verfügen über viele und hochentwickelte Waffen", kritisierte Nigers Präsident Mohamed Bazoum, der den Waffenschmuggel über Libyen anprangerte. Daher brauche es eine stärkere strategische Unterstützung durch westliche Partnerländer.
Aber auch ein anderes Thema beherrschte viele Diskussionen der zweitägigen Konferenz: Der internationale Umgang mit der Corona-Pandemie sorgte für große Frustration, Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa prangerte gar eine "Impf-Apartheid" der Industrieländer an.
In Dakar mit dabei war Paul Simon Handy, Sicherheitsexperte beim südafrikanischen Institut für Sicherheitsstudien. Für ihn besteht zumindest ein indirekter Zusammenhang zwischen der Pandemie und der angespannten Sicherheitslage in vielen Teilen Afrikas: Die wirtschaftliche Not afrikanischer Staaten habe ihren Teil beigetragen, sagt Handy im DW-Interview. "Finanzielle Bemühungen, den Terrorismus einzudämmen, sind konterkariert worden", so der Experte.
Der Glaube an die eigene Kraft
Gefragt nach der Quintessenz der Konferenz von Dakar, fällt Handy aber noch etwas anderes ein: Der Ruf nach effizienten afrikanischen Allianzen sei lauter geworden. Schon jetzt gelinge es afrikanischen Ländern, Ad-Hoc-Bündnisse zur Bewältigung regionaler Krisen ins Leben zu rufen. Etwa, wenn Ruanda und der südafrikanische Staatenbund SADC Rebellen in Cabo Delgado in Mosambik bekämpfen - und das trotz der extremen Einschränkungen, denen Südafrika, einer der Haupt-Truppensteller, durch immer neue COVID-19-Wellen ausgesetzt sei.
Unterdessen wartet Afrika weiter auf zugesagte Impfdosen aus dem Norden, Südafrika und Senegal stehen in den Startlöchern, um selbst Corona Impfstoff zu produzieren. Präsident Ramaphosa und sein senegalesischer Amtskollege Macky Sall verurteilten die monatelange Blockade der Patentfreigabe für Impfstoffe. Auch sei es unfair, dass kein afrikanisches Land dauerhaft im UN-Sicherheitsrat vertreten sei, sagte Sall in Dakar. "Wir werden weiter für eine Reform des Sicherheitsrats kämpfen."
Der Ärger ist groß, dass die reichen Länder in Krisenzeiten aus afrikanischer Sicht erneut mehr an sich denken - und afrikanische Länder mit ihren Bedürfnissen in internationalen Gremien wenig Gehör finden. Eine Situation, die es dem Kontinent leichter gemacht habe, Dinge in die eigene Hand zu nehmen, schätzt Sicherheitsexperte Paul Simon Handy. "Vielleicht war dieser Schock für Afrika nötig, um zu lernen, mehr auf die eigenen Lösungen zu vertrauen."
*Namen von der Redaktion geändert
Mitarbeit: Richard Tiéné (Ouagadougou), Eric Topona