1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Sorge um Afghanistans Kulturschätze

20. August 2021

Die Machtübernahme durch die Taliban ist eine Tragödie für die Menschen in Afghanistan. Auch Mitarbeiter von Museen und Ausgrabungen brauchen Schutz.

https://p.dw.com/p/3zGsW
Ausgrabungen in der Provinz Ghazni: Männer mit Schaufeln und Schubkarren auf einem Grabunsgelände
Ausgrabungen in der Provinz GhazniBild: Ebrahim Mahdavi/DW

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist Mitverfasserin eines Appells von sieben Kultur-Organisationen an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Heiko Maas "sich für Kollegen in Afghanistan, die sich jahrelang mit Ihrer Unterstützung um den Erhalt des Kulturerbes Afghanistans bemüht haben", einzusetzen. 

Auch Ute Franke hat unterschrieben. Sie ist Archäologin am Islamischen Museum in Berlin und hat viele Jahre in Afghanistan geforscht. Von 2004 bis 2012 dokumentierte sie archäologische Fundstätten in der Provinz Herat, leitete Ausgrabungen auf der Zitadelle und katalogisierte die Museumssammlung in Herat im Rahmen der Deutsch-Afghanischen Archäologischen Forschungsmission unter der Schirmherrschaft der Eurasien-Abteilung und später des Museums für Islamische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin. Die DW sprach mit ihr über die prekäre Lage in Afghanistan.

 

Deutsche Welle: Frau Franke, wie sieht im Moment der Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen in Afghanistan aus? Haben Sie Nachrichten von Menschen, mit denen Sie zusammengearbeitet haben?

Ute Franke: Wir sind im Moment in relativ engem Kontakt, sofern die Leitungen das zulassen. Häufig sind die Netze überlastet und dann ist kein Austausch möglich. Es gehen viele Informationen hin und her: Was ist passiert? Wie geht es weiter? Was machen wir Deutsche? Es gibt natürlich auch Bemühungen, gefährdete Personen in Sicherheit zu bringen und zu schützen. 

Sieg der Taliban: Rückkehr des Terrors?

Gibt es Unterstützung von der Bundesregierung? Sie haben gemeinsam mit verschiedenen archäologischen Verbänden und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz einen Brief unterzeichnet, in dem Sie für Menschen, die in kulturellen Institutionen in Afghanistan arbeiten, um Hilfe gebeten haben. Gibt es von der Bundesregierung eine Antwort auf diesen Brief?

Wir sind mit dem Auswärtigen Amt in engem Kontakt und mit den Abteilungen, die diese Dinge leiten und koordinieren.

Wie konkret ist die Bedrohungslage für die Menschen, für die Sie sich gerade einsetzen? Gab es bereits Übergriffe auf sie? 

Von direkten Übergriffen habe ich offiziell noch nichts gehört. Das kommt natürlich auch immer sehr stark darauf an, mit wem man in Kontakt ist. Die Situation in Kabul ist da sicherlich anders als die Situation auf dem Land, wo es keine Presse gibt und wo Neuigkeiten schwerer weitergegeben werden können. In Kabul haben die Leute Angst um sich, ihre Familien und auch um die Sicherheit der Kulturgüter. Und einige hatten auch schon Bemühungen unternommen, das Land zu verlassen und auszureisen, bevor der Vormarsch der Taliban begonnen hat, weil sie aus verschiedenen Gründen bedroht worden sind.

Sind unter den Ausgeflogenen auch Kolleginnen und Kollegen, für die Sie sich engagiert haben?

In den letzten Tagen, also mit den Kontingenten, die bereits ausgeflogen wurden, ist niemand herausgekommen, den ich kenne. Wir warten im Grunde auf Informationen, wie es weitergeht. Die Personen müssen ja erst mal durch die Kontrollen der Taliban zum Flughafen, durch die Menschenmengen und dann durch die Kontrollen der Amerikaner. Das heißt, sie brauchen zunächst erst mal eine Bestätigung, dass es losgeht und dann die nötigen Informationen zum Treffpunkt und zum Flug. 

Die leere Höhle der berühmten Buddha-Staue von Bamiyan, Afghanistan
Die leere Höhle der berühmten Buddha-Statue von Bamiyan - 2001 wurde sie von den Taliban zerstörtBild: Getty Images/AFP/Shefayee

Sie selber haben eine ganze Weile in Kabul und in Herat gearbeitet. Die Zitadelle von Herat soll bereits von den Taliban eingenommen worden sein. Welche Informationen haben Sie von dort?

Ich weiß, dass die Taliban die Stadt am Samstag vor einer Woche eingenommen und dann die Zitadelle besetzt haben. Kampflos allerdings, insofern auch ohne Beschädigungen. Was mit dem Museum ist, das weiß ich nicht genau. Es wurde eine neue Verwaltung eingesetzt, und ich gehe im Moment davon aus, dass in der Zitadelle alles soweit okay ist.

Es ist immer wieder zu lesen, dass Artefakte an sichere Orte gebracht werden sollen. Gibt es eine Infrastruktur, wie Tresore oder andere Orte, an denen die wichtigsten Artefakte vor Übergriffen geschützt werden könnten?

Das ist natürlich der Plan gewesen. Vor gut 20 Jahren war es einfacher, aber jetzt war die Zeit zu kurz. In Herat beispielsweise gibt es keine Möglichkeiten für so ein Depot in der Zitadelle. 

Die Zitadelle Herat vor blauem Himmel
Blick auf die Zitadelle von HeratBild: Masuma Razayi

Sie haben in einer Zeit in Aghanistan gearbeitet, in der es dort relativ sicher war. Sie wurden geschützt von verschiedenen Streitkräften. Wie wichtig waren diese 20 Jahre für die Altertumsforschung?

Die letzten 20 Jahre sind enorm wichtig gewesen. Afghanistan war bereits schon vor 1979 ein Eldorado für Archäologen. Das Land ist sehr reich an Kulturschätzen, die aus unterschiedlichsten Zeiten und Regionen stammen. In den letzten 20 Jahren sind die Forschungen enorm weiter gekommen. 

Haben Sie damals viel mit Ortskräften gearbeitet? Wie sah Ihre Arbeit aus?

Wir haben erst vier Jahre lang im Rahmen eines Trainingsprogramms den Bagh-e Babur (eine Gartenanlage in der Altstadt von Kabul, Anmerk. d. Red.) in Kabul ausgegraben. Damals war ich für das Deutsche Archäologische Institut tätig. Das fing im Jahr 2002 an - in der Zeit, als alle optimistisch waren und Kabul eine zwar teilweise zerstörte, aber doch sehr schöne Stadt war. Die Aufbruchstimmung war unglaublich. Ab 2005 habe ich in Herat gearbeitet. In der Zeit seither hat sich sehr viel verändert. Aber wir haben auch die drei Projekte in Herat immer mit den afghanischen Partner-Institutionen zusammen organisiert.

Wie würde sich eine Zerstörung auf die Forschung auswirken? Würde sie zunichte gemacht?

Zerstörungen würden nicht die bisherige Forschung zunichte machen, denn die ist gut dokumentiert worden. Aber es sind natürlich die physischen Objekte, Monumente und die Fundorte, die für die Zukunft verloren gehen würden.

Schenken Sie den Beteuerungen der Taliban Glauben, dass Sie künftig die Kulturschätze achten werden? 

Das kann ich im Moment nicht abschätzen. Ich hoffe, dass es stimmt. Aber es ist eine gewisse Skepsis vorhanden aufgrund früherer Erfahrungen - und die gehen über die Zerstörung der Buddha-Statuen im Bamiyan-Tal hinaus. Man hört ja, dass es in Bamiyan bereits Übergriffe gegeben haben soll, auch auf die Depots. Es wäre schön, wenn das Versprechen, die archäologischen Fundorte zu schützen und Raubgrabungen zu verbieten, gehalten werden würde. Das wird sich in Kürze zeigen.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen heil rauskommen aus Afghanistan und eventuell auch nach Deutschland gebracht werden?

Ich hoffe sehr, dass es klappt. Es hängt von vielen Faktoren ab. Und Glück ist sicher auch dabei. 

Das Interview führte Sabine Oelze.

Autorin Sabine Oelze
Sabine Oelze Redakteurin und Autorin in der Kulturredaktion