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PanoramaItalien

80. Filmfestspiele von Venedig: Tops und Flops

Scott Roxborough
8. September 2023

Die Teilnahme von Roman Polanski am Wettbewerb war hoch umstritten - aber wie ist sein Film? Klar ist: Frauen präsentierten bisher einige der wichtigsten Festival-Beiträge. Unser DW-Reporter verrät seine Favoriten.

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Eine Frau läuft auf dem Roten Teppich einem Hund hinterher
Der Hund der Schauspielerin Caterina Murino stahl ihr auf dem Roten Teppich die Show Bild: Yara Nardi/Reuters

Bei den 80. Filmfestspielen von Venedig gab es wieder jede Menge Glanz und Glamour - trotz derzeitiger Streiks in Hollywood posierten Stars wie Adam Driver, Priscilla Presley, Fanny Ardant und Mads Mikkelsen für die Paparazzi auf dem Roten Teppich am Lido.

Das diesjährige Festival ist aber auch politisch aufgeheizt: Am Rande gab es bereits Demonstrationen gegen Regierungsgewalt im Iran oder gegen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Eine Protestaktion wendet sich gegen das Festival selbst - wegen der Entscheidung, drei kontroverse Regisseure zu nominieren: Roman Polanski für "The Palace", Woody Allen für "Coup de Chance" und Luc Besson für "DogMan". Alle drei Regisseure sind in der Vergangenheit der sexuellen Nötigung beschuldigt worden.

Doch im Vergleich zu dem, was an Spektakeln auf den Leinwänden geboten wurde, wurden die Proteste zur Nebensache. Die diesjährigen Filme decken die gesamte Bandbreite ab: von beeindruckend über actiongeladen und skurril bis hin zu experimentell und enttäuschend.

"Origin": Ana DuVernay über das Erbe des Rassismus in den USA

Einige der beeindruckendsten Filme, die in diesem Jahr in Venedig gezeigt werden, wurden von Frauen gedreht. Da ist zum Beispiel Ava DuVernay: Sie ist die erste afroamerikanische Filmemacherin, die mit "Origin" einen Film im Wettbewerb der Biennale präsentiert. Darin verwandelt sie Isabel Wilkersons Sachbuch "Caste: The Origins of Our Discontents" (Deutsch: Kaste - Die Ursprünge unseres Unbehagens) über die Wurzeln und das Erbe des Rassismus in der US-amerikanischen Gesellschaft in eine kraftvolle und zutiefst berührende Liebesgeschichte.

Filmstill: Zwei Personen stehen sich nah gegenüber. Ihre Stirne berühren sich.
In "Origin" beschäftigt sich die afroamerikanische Regisseurin Ana DuVernay mit dem tiefsitzenden Rassismus in den USABild: Atsushi Nishijima/Courtesy Array Filmworks

"The Green Border": ein Weckruf für Europa

Agnieszka Hollands Spielfilm "The Green Border" ist ein Weckruf an alle, die die Schrecken am Rande Europas vergessen haben. Die Schrecken, die durch die Politik der vermeintlich demokratischen Nationen im Inneren verursacht werden.

Die polnische Regisseurin beschäftigt sich in ihrem Film mit der Notlage von Flüchtlingen aus Nordafrika und dem Nahen Osten. Sie seien durch weißrussische Propaganda getäuscht worden. Ihnen wurde eine einfache Einreise in die Europäische Union versprochen. Stattdessen finden sie sich an der belarussisch-polnischen Grenze als Schachfiguren in einem geopolitischen Spiel wieder. Als die polnische Regierung anfängt hart gegen sie vorzugehen, sitzen sie fest und müssen sich in den sumpfigen, heimtückischen Wäldern zwischen den beiden Ländern durchschlagen.

Filmstill: Ein Kind steht hinter Stacheldraht.
Der Film "The Green Border" zeigt das Schicksal gestrandeter Flüchtlinge Bild: Agata Kubis/Courtesy of Astute Films

Holland ist eine der bedeutendsten Regisseurinnen des europäischen Kinos. In früheren Oscar-nominierten Filmen wie "Europa Europa" (1990) und "In Darkness" (2011) hat sie bereits das Erbe des Holocaust untersucht. In "Mr. Jones" (2019) setzte sie sich mit dem Erbe des Holodomor, der von der Sowjetunion verhängten Hungersnot in der Ukraine in den frühen 1930er-Jahren auseinander. Mitglieder der polnischen Regierung verglichen ihren neuen Film, ohne ihn gesehen zu haben, mit "Nazi-Propaganda" - wogegen Holland jetzt gerichtlich vorgegangen ist.

"The Palace": ein Flop für Roman Polanski

Roman Polanskis "The Palace" ist eine Farce, ein filmischer Reinfall durch und durch. Der Film, der eigentlich eine schwarze Komödie sein soll, beschreibt einen unlustigen Klassenkonflikt zwischen "Habenichtsen" und dem "einen Prozent" der Privilegierten. Im Film kommt es bei einer Silvesterfeier in einem Schweizer Luxushotel zu einem Showdown zwischen Reichen und ihrem Service-Personal. Ruben Ostlunds "Triangle of Sadness" oder Mark Mylods "The Menu" haben die gleiche Thematik viel besser und lustiger abgehandelt. Sollte "The Palace" der letzte Film des 90-jährigen Regisseurs von "Chinatown" (1974), "Rosemaries Baby" (1968) und "Frantic" (1988) sein, hat er sich auf jeden Fall für einen Abgang auf niedrigem Niveau entschieden.

Drei Männer posieren in einem Filmstill zu "The Palace"
"The Palace" von Roman Polanski ist in den Augen unseres Reporters keine Glanzleistung des umstrittenen RegisseursBild: Malgosia Abramowska

"Ferrari": Totalschaden mit falschem italienischen Akzent

Michael Mann ist einer der größten lebenden Regisseure Hollywoods. Nach seinem teuren (aber filmisch trotzdem ziemlich guten) Mega-Flop "Blackhat" (2015) wurde er jedoch vom Studiosystem Hollywoods ausgeschlossen und musste deshalb unabhängiger arbeiten. Mit "Ferrari" wollte er sich wieder behaupten. Im Film ist Adam Driver in der Hauptrolle als legendärer italienischer Autobauer Enzo Ferrari zu sehen.

Die Rennszenen mit den prächtigen offenen kirschroten Ferraris aus den 1950er-Jahren sind zwar ein Spektakel für sich, doch der Film als ganzes ist ein Totalschaden.

Enzo Ferrari wird als mürrischer Macho dargestellt, der durch Tyrannei und Bestechung aufsteigt. Er betrügt seine "italienische" Frau (Penélope Cruz, die mit ihrem spanischen Akzent spricht) mit einer "italienischen" Geliebten, die, um einen bekannten Kritiker zu zitieren, in Shailene Woodleys Darstellung "so authentisch italienisch wirkt wie Pizza Hut". Es bleibt zu hoffen, dass Italien Klage wegen nationaler Verleumdung erhebt.

Ein Mann im Anzug , hinter ihm ein Rennfahrer und anderer Männer
Adam Driver als Enzo Ferrari Bild: Eros Hoagland

"DogMan": Luc Bessons verrückter Comeback-Film

Der Franzose Luc Besson stellte in Venedig seinen skurrilen Thriller "DogMan" vor. Der Film könnte dem einst viel gefeierten Star-Regisseur ein Comeback bescheren.

Luc Besson war einer der größten Action-Film-Regisseure der 90er-Jahre. Mit Filmen wie "Das fünfte Element" (1997) und "Leon - Der Profi" (1995) feierte er Blockbuster. Doch nach dem Höhenflug kam der Fall, der Flop seines Science-Fiction-Films "Valerian - Die Stadt der tausend Planeten" (2017) machte ihn zu einem gemiedenen Mann in Hollywood. Außerdem stand er auch im Zentrum eines #MeToo-Skandals. Von einer Anklage wegen Körperverletzung wurde er freigesprochen. Bis heute bestreitet er jegliches Fehlverhalten. Mit "DogMan" kehrt er wieder in die Öffentlichkeit und an die Kinokassen zurück.

Filmstill: Eine Person schaut mit intensivem Blick auf einen Hund.
Mörder in Drag: "DogMan" von Luc Besson ist einer der diesjährigen Favoriten im Rennen um den Goldenen LöwenBild: Shana Besson

In dem Film spielt der US-Amerikaner Caleb Landry Jones einen psychisch labilen jungen Mann, der in seinem Leben viele Rückschläge und Tragödien hinnehmen musste. Geborgenheit findet er bei Hunden und in Drag-Performances. Der Protagonist wird offenbar im Alabama der 1930er-Jahre geboren, wächst jedoch im modernen New Jersey auf und wird dank seiner an Doktor Dolittle erinnernden Fähigkeit, mit Hunden zu kommunizieren, zu einer Art Robin Hood, der die Reichen bestiehlt und den Armen mit Hilfe seiner vierbeinigen Begleiter hilft.

Bessons Film wirkt wie eine Mischung aus drei oder vier Filmen - teils Actionthriller, teils Coming-of-Age-Drama über sexuelle Identität, teils wie "Kevin - Allein zu Haus". Jones jedenfalls glänzt in seiner Rolle. Es gibt wohl nur wenige Schauspieler, die in nur einem Film so wandelbar sind wie er. In einer Szene liefert er sich eine Schießerei mit Latino-Gangstern und in der nächsten gibt er eine Drag-Performance - verkleidet als Edith Piaf. Bei der Oscarverleihung müsste für Jones eine neue Kategorie geschaffen werden, um ihm die gebührende Ehre zu erweisen.

"Poor Things": Neuer Favorit von Yorgos Lanthimos 

Der wohl herausragendste Film beim diesjährigen Filmfestival ist wohl Giorgos Lanthimos "Poor Things".

Der griechische Regisseur war zuletzt mit dem unkonventionellen Historiendrama "The Favourite" (2018) auf dem Lido zu sehen. 

Ein Mädchen lehnt sich in einem Zimmer gegen ein Bett
"Poor Things" mit Emma Stone erzählt eine feministische Frankenstein-GeschichteBild: Yorgos Lanthimos/​Courtesy of Searchlight Pictures

Emma Stone spielt im neuen Film eine verzweifelte Hausfrau aus dem viktorianischen Zeitalter, die nach einem Selbstmord als Frankenstein-ähnliche Kreatur mit dem Körper einer erwachsenen Frau und dem Verstand eines Kindes wiederbelebt wird. Der Film hat feministische Bestrebungen. Die Protagonistin erhebt sich gegen das Patriarchat - auf ereignisreiche und urkomische Weise.

Emma Stones Performance ist furchtlos, umwerfend gut und voll von einprägsamen Filmzitaten. Der Film hat bereits viele Kritikerherzen erobert, und es dürfte zu erwarten sein, dass Stone als beste Schauspielerin bei der Oscarverleihung im nächsten Jahr nominiert wird.

Adaption aus dem Englischen: Kevin Tschierse.