1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

40 Jahre Band Aid: Hilfe auf Augenhöhe?

25. November 2024

"Do They Know It's Christmas" feiert sein 40. Jubiläum. Der Benefiz-Song brachte einst Millionensummen für Afrika ein. Doch es gibt auch heftige Kritik. Einige Musiker distanzieren sich inzwischen von dem Song.

https://p.dw.com/p/4nDKC
Stars aus der britischen und irischen Musikszene stehen 1984 in einem Aufnahmestudio vor Mikrofonen und singen.
November 1984: Bob Geldof holt Superstars für den guten Zweck ins StudioBild: Brian Aris/Band Aid/PA Wire/picture alliance

1984 wurde das afrikanische Land Äthiopien von einer verheerenden Dürre heimgesucht, die den größten Teil der Ernten vernichtete. Fast acht Millionen Menschen waren von einer Hungersnot betroffen, Schätzungen zufolge sind zwischen 500.000 und einer Million Menschen daran gestorben. Die Bilder der Verhungernden, vor allem die der Kinder, gingen um die Welt und lösten eine beispiellose Spendenbereitschaft aus. Eine BBC-Reportage zeigte schonungslos das Leid der Menschen.

Unter den TV-Zuschauern war auch der britische Musiker Bob Geldof, der sofort beschloss, tätig zu werden. Zusammen mit seinem Musikerkollegen Midge Ure (Sänger von Ultravox) rief er eine Allstar-Band zusammen, um einen Benefiz-Song für die Opfer der Hungerkatastrophe zu produzieren. Die Gesangsaufnahmen begannen am 25.11.84 - wenige Tage später stand die Single "Do They Know It's Christmas" in den Plattenläden. Begleitet von einem Musikvideo mit allen Mitwirkenden.

Eine derartige Ansammlung von Stars aus der allerersten Reihe hatte man selten gesehen: Sting, Paul Young, Boy George, George Michael, Phil Collins, Duran Duran, Spandau Ballet, U2, Bananarama und viele mehr. Die Single übertraf die Hoffnungen der Produzenten und wurde zu Weihnachten die Nummer eins in zahlreichen Ländern - unter anderem auch in Deutschland.

USA for Africa

In den US-Billboard Charts landete der Song aus Übersee auf Platz 13. Hier schaute man mit großen Augen auf den Hit der britischen Allstars. Der Entertainer und Friedensaktivist Harry Belafonte machte sich Gedanken darüber, dass Weiße Schwarze retten wollen - aber dass Schwarze ja eigentlich ihre eigenen Leute vor dem Hunger retten müssten. Und so übernahm Belafonte die Idee von Bob Geldof und holte im Januar 1985 Lionel Richie, Michael Jackson und Quincy Jones als Produzenten ins Boot. In wenigen Tagen entstand "We Are The World", eingesungen von den größten US-amerikanischen Stars jener Zeit - Schwarzen und Weißen. Auch Bob Geldof war bei den Aufnahmen zugegen und schwor das Starensemble auf ihre Aufgabe ein, indem er von den schrecklichen Zuständen berichtete. "Ich will euch nicht runterziehen, aber vielleicht könnt ihr das, was ihr fühlt und wieso ihr heute hier seid, in diesem Song zum Ausdruck bringen."

Das Resultat ist bekannt. Für den unfassbaren Erfolg sorgten unter anderem Bruce Springsteen, Stevie Wonder, Bob Dylan, Tina Turner , Cyndi Lauper, Al Jarreau, Diana Ross, Dionne Warwick, Willie Nelson und viele weitere Superstars.

Nackt im Wind

Geldofs Idee, Superstars für einen guten Zweck im Studio zu versammeln, machte Schule. Und so blickte auch die deutsche Musikszene Anfang 1985 in dem Benefizsong "Nackt im Wind" mit sorgenvoller Miene nach Afrika - alle, die damals die Hits machten, waren dabei. Herbert Grönemeyer, BAP, Wolf Maahn, Nena, Heinz Rudolf Kunze, Alphaville, Klaus Lage, Udo Lindenberg, Peter Maffay. 

Viele von diesen Musikern fanden sich 2014 erneut im Studio ein, um eine deutsche Version von "Do They Know It's Christmas" einzuspielen - zum 30-jährigen Jubiläum des Originalsongs.

"Do They Know It's Christmas" wurde in den vergangenen vier Jahrzehnten mehrmals neu aufgelegt - immer wieder mit angesagten Stars der britischen und irischen Musikszene.

Falsches Bild von Afrika

Bei aller Begeisterung für die Benefizprojekte gab es von Anfang an allerdings auch Kritik, unter anderem an der Textzeile "Do they know it's Christmas" (Wissen sie, dass Weihnachten ist). Es sei absurd, Äthiopiern, die kulturell zu den ältesten Christen der Welt zählen, zu unterstellen, sie wüssten nicht, dass Weihnachten sei, so der Vorwurf. Dies sei herabwürdigend und zeige eine kolonialistische, westlich zentrierte Sichtweise. Es suggeriere, dass einst unterdrückte, kolonisierte oder ausgebeutete Bevölkerungen in anderen Erdteilen wie Afrika ohne die Hilfe von Weißen keine funktionierende Gesellschaft oder Wirtschaft aufbauen könnten.

David Bowie, Paul McCartney und Bob Geldof und weitere Menschen stehen 1985 auf der Bühne im Wembleystadion, singen und applaudieren.
Höhepunkt der Spendenaktion für Afrika war im Sommer 1985 das "Live Aid"-Konzert, mit u.a. David Bowie (li), Paul McCartney (m) und Bob Geldof (re)Bild: Joe Schaber/AP Photo/picture alliance

Midge Ure wischte dies angesichts der enormen Spendensumme von mehr als acht Millionen britischen Pfund (auf heute umgerechnet waren das mehr als 13 Millionen Euro) - vom Tisch. Es sei nie auf den Song angekommen, sondern auf das, was er bewirkt habe, schreibt er in seiner Autobiografie "If I Was…".

Die Kritik hielt sich dennoch über die Jahre - ob bei der 2004er Version mit Paul McCartney, Robbie Williams und Dido, oder auch bei der 2014er-Version. Geldof rief erneut Musiker zusammen, um diesmal für die Opfer des grassierenden Ebola-Virus Spenden zu generieren. Der Text von "Do They Know It's Christmas" war entsprechend umgeschrieben worden.

"Weißer-Retter-Komplex"

Auch der britisch-ghanaische Musiker Fuse ODG war eingeladen und fand die Idee gut. Trotzdem hatte er ein ungutes Gefühl aufgrund der Texte und Videos vorangegangener Benefiz-Songs. "Ich fürchtete, dass dies zur ständigen negativen Darstellung des afrikanischen Kontinents im Westen beitragen würde," schrieb er 2014 im britischen "Guardian"

Fuse erklärte, dass Aktionen wie "Band Aid" zwar Mitleid erzeugen und zu Spenden führten, aber vor allem schädliche Stereotypen über Afrika festigten und damit Wirtschaftswachstum, Investitionen und Tourismus auf dem Kontinent abwürgen würden.

Und nun, zehn Jahre später, ist Fuse immer noch stocksauer über das, was gerne als "Weißer Retter-Komplex" bezeichnet wird. Auf Instagram macht er kurz vor der Veröffentlichung der Sonderedition von Band Aid 40 seinem Ärger Luft und sagt unter anderem: "Wir möchten als Afrikaner nicht, dass andere Leute unsere Geschichte erzählen."

Jetzt nimmt auch Ed Sheeran Abstand

Mit Ed Sheeran hat Fuse nun einen weißen Mitstreiter. Er schließt sich der Argumentation an und möchte seinen Namen in Zukunft nicht mehr darunter setzen, wenn es um stereotype Darstellungen Afrikas und seiner Bevölkerung gehe. Sheeran war vor zehn Jahren noch dabei, gemeinsam mit One Direction, Angélique Kidjo, Chris Martin (Coldplay), Bono, Sinéad O'Connor und weiteren Stars.

Sheeran möchte aber in der neuen Version nicht mehr vorkommen. Was nicht ganz einfach ist: Denn "Do They Know It's Christmas" 2024 unter dem Projektnamen Band Aid 40 ist ein bereits fertiggestelltes, zusammengemixtes Stück aus den Versionen der letzten vier Jahrzehnte. Wenn er gefragt worden wäre, schrieb Sheeran auf Instagram, hätte er "respektvoll abgelehnt".

Ed Sheeran auf der Bühne, er hebt seine Gitarre hoch.
Ed Sheeran hat seine Meinung gegenüber dem Song geändert.Bild: Peter Cziborra/REUTERS

Indes wird Bob Geldof nicht müde, den Song und die Idee dahinter zu verteidigen. So sagte er zum TV-Sender 1News: "Dieser kleine Popsong hat Hunderttausende, wenn nicht Millionen Menschen am Leben erhalten."

Dennoch denken Radiostationen wie etwa der schweizerische Rundfunk SRF derzeit sehr genau darüber nach, ob sie das Lied in ihr diesjähriges Weihnachtsprogramm aufnehmen oder nicht. 

Wuensch Silke Kommentarbild App
Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online