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Musik

"Forever young": Bob Dylan wird 80

Susanne Spröer
23. Mai 2021

Blowin' in the Wind, Mr. Tambourine Man, Forever Young: Bob Dylans Songs waren der Soundtrack ihrer Jugend. Susanne Spröer gratuliert zum 80. Geburtstag.

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Buntes Bob Dylan Wandbild in Minneapolis, Minnesota, USA
Dylan-Wandbild in Minneapolis, USA: Idol über Generationen Bild: Eduardo Kobra/Stephen Maturen/AFP/Getty Images

Mein Lieblingslied von Bob Dylan ist ein Wiegenlied. Dylan hat es 1966 für seinen Sohn Jesse geschrieben: "Forever Young" trifft mich immer wieder mitten ins Herz. Vielleicht, weil auch ich meinen zwei Söhnen innig wünsche, dass sie stark und mutig bleiben mögen, was immer das Leben auch bringen wird: "May you always be courageous, stand upright and be strong, may you stay forever young."

Wie so viele Dylan-Songs ist auch "Forever Young" x-mal gecovert worden. Von so unterschiedlichen Interpreten wie Bruce Springsteen, Harry Belafonte, Meat Loaf und der großartigen Joan Baez. Es gibt Fassungen in vielen Sprachen und sogar eine englisch-kölsche Version im Dialekt meiner Wahlheimat Köln. 

Kennengelernt habe ich Bob Dylan lange, bevor ich nach Köln gekommen bin. Ich war 13. Und Bob Dylans Songs wurden zum Soundtrack meiner Jugend.

"A jingle jangle morning" unter der Schulbank

Seine Lieder brachten die weite Welt in das Dorf in Südwestdeutschland, in dem ich in den 1970er-Jahren aufgewachsen bin. Wo wir heimlich auf den Feldwegen zwischen Weinbergen die erste Zigarette rauchten und bei Jugendfreizeiten am Lagerfeuer "Blowin' in the Wind" auf der Gitarre klimperten. Und im Englischunterricht schlug ich unter der Bank lieber heimlich Dylan-Verse nach, als hölzerne Schulbuch-Dialoge zu lernen. Nicht immer erfolgreich: Einen "jingle jangle morning" fand ich im Schulwörterbuch nicht. Aber wenn ich "Mr. Tambourine Man" hörte, spürte ich ihn: diesen Morgen nach einer durchfeierten Nacht, wenn auf der Veranda ein Traumfänger-Windspiel in der Sommerbrise leise klingelt… Kopfkino.

Das war mein Schlüssel zu Bob Dylans Musik. Ich verstand wenig, aber fühlte viel. Und anders als bei den Textanalysen in der Schule war nicht wichtig, was Bob Dylan mir mit seinen Liedern sagen wollte. Wichtig war, was sie bei mir auslösten.

Kindheit und Jugend in Minnesota

Auch Bob Dylan wuchs in einer eher ländlichen Gegend auf. Geboren wird er am 24. Mai 1941 als Robert Allen Zimmerman in Duluth im US-Staat Minnesota in eine jüdische Mittelstandsfamilie, die einige Jahre später in das Bergbau-Städtchen Hibbing umzieht. Robert lernt, Klavier und Gitarre zu spielen; der sonst eher zurückhaltende Jugendliche gründet erste Rock'n Roll- und Jazz-Bands: Auf der Bühne fühlt er sich pudelwohl.

Bob Dylan
Bob Dylan im Alter von 24 Jahren Bild: IMAGO

Nach der Highschool schreibt er sich in Minneapolis für ein Kunst- und Musikstudium ein. Aber lieber als in Vorlesungen zu sitzen, tritt er mit Songs seines Idols Woody Guthrie auf, begleitet sich dabei mit Gitarre und Mundharmonika.  

Mythos Vagabund: Mit dem Güterzug nach New York

In Minneapolis wird aus Robert Allen Zimmerman Bob Dylan - inspiriert von dem Dichter Dylan Thomas, wie er in seiner 2004 erschienenen Autobiographie "Chronicles" erzählt. Bald wird ihm Minneapolis zu klein, und im Januar 1961 fährt der 19-Jährige nach New York. Mit dem Güterzug, behauptet er damals - das Image eines Vagabunden pflegend, das so gut zu seinen Songs passt. (Erst viel später wird er zugeben, dass er tatsächlich bequem im Auto gereist ist.)

Mit seinem Folk-Repertoire, das zunehmend von eigenen Liedern ergänzt wird, tingelt er durch die Cafés und Clubs des Künstlerviertels Greenwich Village. Hier lernt er auch Joan Baez kennen, die damals schon ein Star der Folk-Szene ist. 

Vom Folk-Vagabunden zur Ikone der Protestbewegung

Als ihn Joan Baez im August 1963 mit auf Tournee nimmt, hat er schon zwei Alben veröffentlicht. Aber erst die gemeinsamen Auftritte vor Zehntausenden bringen den Durchbruch - eine beispiellose Karriere beginnt.  

Joan Baez und Bob Dylan singen gemeinsam beim Marsch auf Washington 1963
Ikonen des Protestsongs: Joan Baez und Bob Dylan in WashingtonBild: gemeinfrei

In kurzer Zeit wird aus dem 20-Jährigen eine Ikone der Protestbewegung. Seite an Seite mit Baez und Martin Luther King nimmt Dylan am Marsch auf Washington teil, bei dem mehr als 200.000 Menschen gegen Vietnamkrieg und Rassentrennung demonstrieren und Martin Luther King seine berühmte Rede "Ich habe einen Traum"  hält.

Im Jahr darauf erscheint Dylans drittes Album "The Times They Are a-Changin".

"The Times They Are a-Changin": auch in den 1970er-Jahren

Das Titellied wird 15 Jahre später auch für mich und meine Clique zum Protest-Song schlechthin. "Mütter und Väter im Land, eure Söhne und Töchter sind nicht unter eurem Kommando, kritisiert nicht, was ihr nicht verstehen könnt": Das spricht uns aus dem Herzen. Auch wir finden, dass sich die Zeiten unbedingt ändern müssen.

Denn Ende der 1970er-Jahre befindet sich die Welt im Kalten Krieg, NATO und Warschauer-Pakt-Staaten stehen sich unversöhnlich gegenüber, bis zum Mauerfall wird es noch zehn Jahre dauern. Im Januar 1979 gibt es den ersten Smog-Alarm in der Bundesrepublik, im März erfahren wir aus der "Tagesschau" vom Reaktor-Unglück im US-amerikanischen Harrisburg, dem bis dahin schwersten Störfall in der Geschichte der Kernenergie.

Autorin Susanne Spröer mit Tramper-Rucksack auf einer Landstraße
Im Protest-Modus: Autorin Susanne Spröer als JugendlicheBild: privat

Dylans Texte scheinen wie gemacht für unseren jugendlichen Protest gegen Atomkraft und Umweltverschmutzung und die pubertäre Rebellion gegen Eltern und Lehrer. 

"It Ain't Me, Babe": Kein Sprachrohr einer Generation

Eine Ikone des Protestes, das Sprachrohr einer Generation - das will Bob Dylan da schon längst nicht mehr sein. Glaubt man seiner Autobiographie, wollte er es nie: "Alles, was ich je getan habe, war Songs zu singen, die ohne Umschweife zur Sache kamen, Stücke, in denen es um kraftvolle neue Wahrheiten ging", schreibt er in "Chronicles" rückblickend auf die Zeit Mitte der 1960er-Jahre. "Ich hatte sehr wenig mit der Generation gemein, deren Stimme ich sein sollte."

Dabei hatte das Jahr 1965 auch eine musikalische Wende markiert: Als Dylan auf dem "Newport Folk Festival" erstmals eine elektrische statt der akustischen Gitarre spielte, buhten ihn die Folk-Puristen aus. Rückblickend ein historischer Moment: Aus Folk wurde Rock und das Konzert zur Legende. 

In den nächsten Jahren zieht sich Dylan zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück: Nach einem Motorradunfall 1966 taucht er für Monate ab, auf dem Woodstock-Festival 1969 lässt er sich nicht blicken. In den Jahren darauf experimentiert er mit verschiedenen Musik-Stilen, versucht sich in "Pat Garrett jagt Billy the Kid" auch als Schauspieler. Ende der 1970er-Jahre wendet er sich dem Christentum zu und komponiert Gospels. Nach dem Scheitern seiner ersten Ehe heiratet er ein zweites Mal, ist nun Vater von sechs Kindern. Nach einer Krise Anfang der 1980er-Jahre kommt Dylan Ende des Jahrzehnts zurück, veröffentlicht neue Alben und spielt auf der im Juni 1988 gestarteten "Never Ending Tour" seitdem Hunderte Konzerte im Jahr, gebremst erst im letzten Jahr durch die Corona-Pandemie. 

Bob Dylan als Schauspieler im Film "Pat Garrett and Billy the Kid"
Dylan als Schauspieler und Film-Komponist: "Pat Garrett jagt Billy the Kid"Bild: picture-alliance/dpa/UPI

Reihenweise Preise – und der Nobelpreis für Literatur

Und er sammelt reihenweise Preise: Jede Menge Grammys, einen Oscar für den Film-Song "Things Have Changed", einen Pulitzer-Preis. US-Präsident Barack Obama verleiht ihm 2012 die "Presidential Medal of Freedom". Und im Jahr 2016 bekommt Bob Dylan schließlich den Nobelpreis für Literatur, als erster Musiker überhaupt: er habe "neue poetische Ausdrucksformen innerhalb der großen amerikanischen Song-Tradition erschaffen", urteilt die Jury.

Barack Obama legt Bob Dylan 2012 die "Presidential Medal of Freedom" um
Von US-Präsident Barack Obama erhält Dylan 2012 die höchste US-AuszeichnungBild: picture alliance/dpa/EPA/J. Lo Scalzo

Er reagiert typisch Dylan - erst einmal gar nicht. Zur Verleihung schickt er Patti Smith, die seinen Song "A Hard Rain's A-Gonna Fall" vorträgt. Schließlich holt er den Preis doch ab, im kleinen, nicht-öffentlichen Kreis. Statt der üblichen Vorlesung schickte er eine Tonaufnahme; eine Verbeugung vor musikalischen und literarischen Vorbildern.

May you stay forever young: Herzlichen Glückwunsch, Bob Dylan!

2020 hat Bob Dylan sein jüngstes Album "Rough and Rowdy Ways" veröffentlicht (vermutlich wird es auch nicht das letzte sein). Zu diesem Anlass gab er der New York Times eines seiner raren Interviews. Gefragt, wie er es mache, fit zu bleiben und Körper und Geist in Einklang zu bringen, sagte er: "Ich stelle mir den Verstand gerne als Geist und den Körper als Substanz vor. Wie man diese beiden Dinge integriert, habe ich keine Ahnung. Ich versuche einfach, auf einer geraden Linie zu gehen und auf ihr zu bleiben, auf der Ebene zu bleiben.“

Porträt von Bob Dylan im Jahr 2020, mit weißem Hut und weißer Anzugjacke
Körper und Geist im Einklang: Bob Dylan 2020Bild: Captital Pictures/picture alliance

Ist es seltsam, jemandem mit dessen eigenen Worten zu gratulieren? Nicht, wenn sie so gut sind: "May your heart always be joyful, may your song always be sung, and may you stay forever young".

Möge dein Herz immer voller Freude sein, mögen deine Lieder immer gesungen werden und mögest du für immer jung bleiben: Happy Birthday, Bob Dylan.