Vor 125 Jahren: Erste Kinovorführung
28. Dezember 2020Es war nicht weniger als eine Sensation, als die Brüder Lumière am 28. Dezember 1895 zu ihrer ersten öffentlichen Kinovorführung einluden. Zwanzig Minuten dauerte die Vorstellung im Keller des Pariser Grand Café, am Ende der Projektion waren nach den Worten der Organisatoren alle "sprachlos, erstaunt und unbeschreiblich überrascht". Zum ersten Mal hatten die Zuschauer bewegte Bilder gesehen, der Erfolg war überwältigend.
Auch andere Erfinder forschten an Filmgeräten
Ihren Kinematographen, Kamera und Projektor zugleich, hatten sich Auguste und Louis Lumière bereits am 13. Februar 1895 patentieren lassen. Sie waren mit ihrer Erfindung nicht allein: Auch in Großbritannien, den USA und in Deutschland wurde - unabhängig von den französischen Brüdern - an einem Gerät geforscht, das bewegte Bilder möglich machen sollte. Bereits am 1.11.1895, also gut einen Monat vor den Brüdern Lumière, luden die deutschen Brüder Max und Emil Skladanowsky ihrerseits zu einer öffentlichen Filmvorführung im Berliner Wintergarten ein - jedoch war ihr Projektionsgerät dem der Gebrüder Lumière technisch unterlegen. Und so ist es dieser anfänglichen technischen Überlegenheit und der professionellen Vermarktung des Kinematographen zu verdanken, dass die Brüder Lumière sich als die führenden Erfinder des Kinos durchsetzten und der 28. Dezember 1895 als Geburtsstunde des Kinos in die Geschichte eingegangen ist.
Schwieriges Jahr für die Kinobranche
125 Jahre später wäre das eigentlich ein Grund zum Feiern - wäre da nicht das Coronavirus. Wegen der Pandemie finden in diesem Jahr anlässlich des Jubiläums keine Werkschauen und Festivals statt, anders als vor fünf Jahren zum 120. Jahrestag. Und zum Feiern ist der Kinobranche nach diesem für sie katastrophalen Jahr sowieso nicht zumute. Überall auf der Welt wurden Kinos geschlossen, für manche Kinobetreiber bedeutet dies das Aus. In einer Mitgliederumfrage vom 15. April schätzten schon damals 58% aller teilnehmenden Kinos, "nur noch zwei bis drei Monate durchhalten" zu können - so verkündet es ein Schreiben des Hauptverbandes Deutscher Filmtheater (HDF). Der zweite Lockdown macht die Situation noch schwieriger. In einer neuen Pressemitteilung des HDF warnt die Vorstandsvorsitzende Christine Berg vor den Folgen des erneuten Lockdowns: "Der erneute vierwöchige Teil-Lockdown, von dem auch die Kinos betroffen sind, wird weitere Häuser die Existenz kosten. Wir werden dieses Kinojahr mit Verlusten von ca. einer Milliarde Euro (inklusive Concessions) abschließen. Das ist nicht zu verkraften".
Ein weiteres Problem für die Kinos: Selbst als sie im Sommer für einige Monate aufmachen durften, fehlten die großen Blockbuster - und damit wichtige Einnahmequellen. Die Starttermine großer Hollywood-Produktionen wie der neue James Bond oder "Black Widow", die üblicherweise große Massen an Menschen ins Kino ziehen, wurden ins nächste Jahr verlegt.
Streaming-Plattformen machen Kinos Konkurrenz
Und dann sind da noch die Streaming-Plattformen, die von der Corona-Pandemie profitiert haben. Die Umsätze von Netflix, Amazon Prime und Co. haben mittlerweile die der stationären Kinos überholt. Manche Produktionsfirmen testen gerade, ob man auf die Kinos gänzlich verzichten könnte. So kommt der neue Pixar-Film von Disney ohne Kinostart aus und läuft nur noch auf der hauseigenen Streaming-Plattform Disney+.
Wird das Kino, wie wir es kennen, also aussterben? Diese Frage bleibt offen, aber vom Ende des Kinos sollte man nicht allzu voreilig sprechen. Denn die Kultur der Lichtspielhäuser ist ein echtes Stehaufmännchen. Immer wieder wurde dem Kino ein nahes Ende prophezeit - beispielsweise mit der zunehmenden Verbreitung des Fernsehens ab den späten 1950er-Jahren oder mit dem Aufkommen der VHS-Kassetten in den 80ern. Wie sich das Kino diesmal gegen die technologischen Neuheiten behauptet, wird sich noch zeigen.
Lars Henrik Gass, Kino-Vordenker und Chef der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, fordert stattdessen, dass man die Historisierung des Kinos zur Kenntnis nimmt. "Ich denke, man muss davon ausgehen, dass Kino als kommerzielle Auswertungsform von Filmen wirklich nicht überlebensfähig ist", sagt er gegenüber der DW. Die Kinobranche durchlaufe nicht nur eine temporäre Krise, sondern habe ihren Zenit vor rund 60 Jahren überschritten. Seitdem sinke die Anzahl der Kinobesuche.
Doch dies bedeutet beileibe nicht das Ende des Kinos als Vorführungsort von Film. Man solle die Kinos zukünftig als Kulturbauten betrachten, in denen man die Mediengeschichte nacherleben kann. "Ich denke, wenn man Streaming und Kino nicht als Gegensatz betrachtet, sondern auch als historische Chance, beides aufeinander zu beziehen und fruchtbar zu machen, dann glaube ich, haben Kinos, insbesondere solche, die sich um stark kulturell künstlerisches Programm kümmern, eine wirkliche Perspektive", meint Gass. So haben manche Filmfestivals in diesem Jahr auch selber Streaming-Angebote gemacht - und gezeigt, dass man durchaus das bessere Netflix sein kann.