Überfüllter Platz an der Sonne
6. März 2018Wenn der Berliner Messe-Chef Christian Göke von der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) spricht, dann schwingt Begeisterung mit. Kein Wunder, gehört die weltweit größte Reisemesse doch zu den Veranstaltungen im Jahr, für die Göke problemlos ein paar mehr Hallen vermieten könnte - wenn er sie denn hätte. Auch 2018 ist die Nachfrage groß, rund 10.000 ausstellende Touristik-Unternehmen aus 186 Ländern und Regionen präsentieren sich bis zum 11. März auf dem Gelände unter dem Funkturm.
Über 80 Prozent der Aussteller kommen aus dem Ausland, mehr als 100.000 Fachbesucher werden erwartet. Alle erhoffen sich gute Geschäfte, denn weltweit fahren von Jahr zu Jahr mehr Menschen in den Urlaub. Waren es 2017 noch 1,3 Milliarden, so soll diese Zahl bis 2030 auf 1,8 Milliarden ansteigen. Zehn Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, so Messe-Chef Göke, würden heute schon mit dem Tourismus gemacht.
Wirtschaftsfaktor auch für die Entwicklungsländer
Ein Boom, der viele Arbeitsplätze schafft und die Wirtschaft belebt. Gerade auch in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Das betonte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die am Dienstagabend die ITB offiziell eröffnete. "Der Tourismus ist ein ausgezeichnetes Beispiel für die Chancen der Globalisierung", sagte die Regierungschefin. Merkel setzt darauf, dass der Tourismus auch hilft, Vorurteile abzubauen. Gerade in Zeiten, in denen sich Länder zunehmend wieder abschotten. "Tourismus lebt von Weltoffenheit und belebt Weltoffenheit", so die Kanzlerin.
Das ist die eine Seite des Tourismus, doch er hat längst auch seine Schattenseiten. Gerade beliebte Reiseziele sind in der Hauptsaison vollkommen überfüllt. Ob Strände, Sehenswürdigkeiten oder Restaurants, lange Schlangen und Menschenmassen, wohin man sieht. "Overtourism" heißt das Stichwort, das auf der ITB in diesem Jahr eines der Schwerpunkt-Themen ist und das längst nicht nur die Urlauber selbst betrifft.
"Wir als Branche müssen aufpassen, dass uns das Wohlwollen der Wohnbevölkerung durch zu viele Touristen nicht verloren geht", sagt Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbandes DRV. Ob Barcelona, Venedig, Amsterdam oder Mallorca - vielfach fühlen sich Einheimische vom Massentourismus zunehmend überfordert. Fiebig sieht akuten Handlungsbedarf. Florenz und Amsterdam würden bereits zeigen, was möglich sei.
Maßnahmen gegen die Massen
Amsterdam hat die Vermietung von Wohnungen an Touristen meldepflichtig gemacht und auf 60 Tage im Jahr beschränkt, es könnten auch 30 Tage werden. Neue Hotels dürfen nicht mehr eröffnet werden, Touristenbusse und -schiffe müssen die Besucher außerhalb der Innenstadt abladen. Das Stadtmarketing wurde eingestellt, Bierfahrräder sind verboten, Feste und Events reduziert.
Auch auf Mallorca hat sich eine Bewegung gegen den Massentourismus formiert. Ob das ein Grund dafür ist, dass im Sommer 2018 erstmals wieder mehr Deutsche nach Griechenland reisen wollen als auf die Balearen? DRV-Präsident Fiebig sieht das östliche Mittelmeer im Trend. Griechenlandreisen verzeichneten ein Umsatzplus von 40 Prozent. Auch die Türkei sehe in diesem Jahr ein Comeback - "so viel ist sicher", sagt Fiebig. "Aktuell liegen die Umsatzzahlen für Türkei-Buchungen doppelt so hoch wie im vergleichbaren Zeitraum des Vorjahres."
Luxusurlaub in Afrika
Auf Wachstumskurs sind auch Ägypten, Tunesien und Marokko. Gemessen am aktuellen Buchungsstand für die Sommerferien belegt das Land am Nil Platz vier, mit einem Umsatzplus von 64 Prozent. Zwei Drittel aller organisierten Reisen, die in Deutschland verkauft werden, gehen ins Ausland. Im vergangenen Jahr haben die Deutschen rund 91 Milliarden Euro für ihre Urlaube ausgegeben, das war ein im Vergleich zum Vorjahr. Ein neuer Rekordwert.
In Zeiten des Massentourismus versuchen mehr und mehr Reiseveranstalter, Kunden mit teuren, dafür aber besonderen Reisen zu locken. Offenbar ein Geschäft mit Zukunft, denn die ITB hat es in diesem Jahr sowohl auf der Messe, als auch im begleitenden Kongressprogramm zu einem Schwerpunkt-Thema gemacht. Auch afrikanische Länder rechnen sich in diesem Bereich Chancen aus. Es locken Berggorillas in Uganda, Rundreisen mit Privatchauffeur in Äthiopien oder eine Flugsafari in Tansania.
Man kann auch in Deutschland reisen
Wem das zu exotisch ist, der macht Urlaub zwischen Ostsee und Bodensee. 2017 war das achte Rekordjahr für den Deutschlandtourismus in Folge. Fast 460 Millionen Übernachtungen zählte das Reiseland Deutschland. Mit Mecklenburg-Vorpommern ist in diesem Jahr erstmals ein deutsches Bundesland Partnerland der ITB. Laut Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ist die Chance, in Mecklenburg-Vorpommern dem Massentourismus zu entgehen, übrigens sehr hoch. Bei nur 69 Einwohnern pro Quadratkilometer gebe es jede Menge "ruhige und entspannende Orte". Da werde niemand "überrannt", verspricht Schwesig.