Özdemir: "Islamkonferenz braucht Ziel"
19. Juli 2018Dem früheren Grünen-Chef Cem Özdemir gehen die Pläne des Bundesinnenministeriums für die Islamkonferenz nicht weit genug. "Die Islamkonferenz braucht nicht nur einen Neustart - sie braucht endlich ein Ziel und einen verbindlichen Fahrplan", schreibt Özdemir in einem Gastbeitrag für die "Welt".
Das Ziel sei die rechtliche Integration des Islam, so Özdemir weiter: "Unser Grundgesetz bietet für die Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften einen guten Rahmen." Eine Lösung werde man nicht gegen, sondern nur mit den Verbänden finden können - "allerdings nur mit solchen, die glaubhaft auf dem Boden des Grundgesetzes stehen". Persönlich wünsche er sich einen Islam, der der Gesellschaft zugewandt sei und Zwischentöne zulasse.
Warnung vor der "Verkirchlichung"
Die Publizistin Necla Kelek forderte in einem Gastbeitrag für die Zeitung, die Islamkonferenz müsse den direkten Dialog mit den Menschen mit muslimischem Hintergrund suchen: "Die Islamkonferenz sollte öffentlich tagen und so offen wie nötig die Probleme und Sorgen der Muslime mit dem politischen Islam, aber auch der Gesellschaft mit dem Islam ernst nehmen."
Der Politikwissenschaftler Bassam Tibi warnte in seinem Gastbeitrag vor einer "Verkirchlichung" des Islam: "In Deutschland leben nicht wie angenommen vier bis fünf Millionen Muslime, sondern sieben Millionen. Würden die alle eine islamische Kirchensteuer bezahlen, wären die Islamverbände Milliardäre", so Tibi. Diese Art von "deutschem Islam" lehne er ab: "Er wäre eine Gefahr für die Demokratie und für das friedliche Zusammenleben zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen in diesem Jahrhundert in Deutschland und in Europa."
Ein "deutscher Islam" ab der Sommerpause
Das Bundesinnenministerium will die Deutsche Islamkonferenz nach der Sommerpause neu aufstellen. Dabei sollen die deutschen Muslime einen Islam definieren, "der zu Deutschland gehört"; dies müsse ein "deutscher Islam" sein, "und zwar auf dem Boden unserer Verfassung", hieß es bei der Vorstellung der Pläne. Insbesondere wolle man den Einfluss konservativer Verbände einschränken und stärker als bisher die Interessen der in Deutschland nicht organisierten Muslime berücksichtigen.
Anders als bisher sollen die Teilnehmer der Runde von Mal zu Mal wechseln. Feste Mitgliedschaften werde es voraussichtlich nicht mehr geben, sagte eine Ministeriumssprecherin in Berlin. Geplant seien flexible, themenorientierte Zusammensetzungen, die auch variieren könnten.
Der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte die Islamkonferenz im Jahr 2006 ins Leben gerufen. Das Gesprächsforum soll die Integration voranbringen sowie den Austausch zwischen Staat und Muslimen verbessern. In der Anfangsphase gehörten dem Forum neben Vertretern der Islam-Verbände auch muslimische Persönlichkeiten wie die Anwältin Seyran Ates und der Autor Navid Kermani an. Später war vorübergehend auch der Islamkritiker Hamed Abdel-Samad dabei. Zuletzt waren allerdings nur noch die Islam-Verbände und - als einziger Migrantenverband - die Türkische Gemeinde in Deutschland eingeladen worden. Dies hatten vor allem liberale Muslime kritisiert.
sth/djo (kna, dpa)