Präsidentenamt mit Problemen
26. Mai 2014Was als Kampf für Freiheit und Demokratie begonnen hat, mündete in einer schweren Wirtschaftskrise. Drei Jahre nach dem Sturz von Langzeitherrscher Husni Mubarak wählt das Land bis Dienstag (27.5.) bereits zum zweiten Mal einen Präsidenten. Und wenn die Prognosen stimmen, dann wird Abdel Fattah al-Sisi Ägyptens neuer Staatschef. "Sein großes Thema ist die Verbesserung der Sicherheitslage", sagt Ägypten-Experte Stephan Roll von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin (SWP). Daher stand Al-Sisis Wahlkampf ganz im Zeichen des Kampfes gegen Islamisten, besonders gegen die Muslimbruderschaft. Es war der ehemalige Armeechef selbst, der den Aufstand gegen Ex-Präsident Mohammed Mursi ausnutzte, ihn im Juli 2013 absetzte und so den Weg ebnete, um selber Präsident zu werden. Fast jeden Tag kommt es mittlerweile in Ägypten zu Anschlägen. Und seine Anhänger trauen ihm zu, dass er die Unruhen im Land beenden kann.
Die Wirtschaft retten
Doch das drängendere Thema ist für die meisten Ägypter die katastrophale Wirtschaftslage. Und sie erwarten vom neuen Präsidenten eine schnelle Verbesserung der Lebensbedingungen. Die Kassen sind leer, das Haushaltsdefizit beträgt über 14 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und die Arbeitslosigkeit liegt bei geschätzten 13 Prozent. Besonders bei den unter 30-Jährigen ist sie so hoch wie noch nie. Sie machen fast ein Drittel der Arbeitslosen aus.
Unter diesen Vorzeichen muss der neue Mann im Amt seine Macht festigen. Doch welchen Plan hat Al-Sisi im Kampf gegen die Armut des Volkes und das weitere Bankrott-gehen des Staates? Sollte er siegen, werde sich die allgemeine Lage innerhalb von zwei Jahren verbessern, versprach er vor der Wahl. Wie genau, das verriet er nicht. "Er bleibt immer sehr vage", sagt Stephan Roll von der SWP. Es müsse gespart werden und die Steuern müssten angehoben werden, sagte Al-Sisi zwar während seines Wahlkampfes. Wie das angesichts der Tatsache, dass jeder vierte Ägypter unter der Armutsgrenze leben soll, ist aber fraglich.
Die Macht des Militärs
"Mit diesem Mann als Präsidenten würde Ägypten keine durchgreifende Wirtschaftsreform erleben. Denn so eine Reform könnte die Armee mit ihren zahlreichen Unternehmungen nicht aussparen", sagt Josef Janning, Experte für internationale Beziehungen bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP).
Und das ist für Al-Sisi als Ex-Armeechef ein Problem: Denn unabhängig davon, ob er als Kandidat der Generäle in die Wahl gegangen ist oder aus eigener Motivation - er braucht die Unterstützung der mächtigen Militärs. Die Generäle betreiben ihr eigenes Wirtschaftsimperium, das nach unterschiedlichen Schätzungen bis zu 40 Prozent des Wirtschaftsvolumens ausmachen soll. Die Betriebe der Armee unterliegen keiner Kontrolle des Staates, sie sind steuerbefreit und werden sogar subventioniert. Außerdem bietet ihr Imperium großen Teilen der Gesellschaft Arbeitsplätze. Und den Generälen geht es in erster Linie um ihren eigenen ökonomischen Vorteil, daher besteht kein Interesse an Reformen, bei denen sie zur Kasse gebeten werden.
Schwierige Themen meiden
Eine weitere Hürde, um wirtschaftliche Stabilität herzustellen, ist das Thema Subventionen. Die ägyptische Wirtschaft kann die immensen Finanzhilfen für Brot und Treibstoff eigentlich schon lange nicht mehr tragen. Demjenigen, der sie abschaffen will, droht eine Protestwelle. Abdel Fattah al-Sisi und auch sein Kontrahent Hamdien Sabahi scheuten bisher Ansagen zu diesem Thema.
Stattdessen kündigte Al-Sisi vage gigantische Entwicklungsprojekte an, mit denen er in den kommenden zehn Jahren neue Gebiete für Ägyptens Tourismus erschließen will. Maßnahmen, die mit hohen Kosten verbunden sind, deren Finanzierung aber unklar bleibt. Bei seinen Projekten hat er "vor allem die Interessen seiner wichtigsten Unterstützergruppen fest im Blick", sagt SWP-Experte Stephan Roll. Zu ihnen gehören neben dem Militär auch die Golfstaaten. Denn Ägypten wäre ohne Finanzspritzen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und Kuwait schon längst zahlungsunfähig. Im Sommer 2013 sagten die drei Golfmonarchien zwölf Milliarden US-Dollar zu.
Geld aus dem Ausland
Nach Angaben von Al-Sisi selber soll die Unterstützung bis Mai 2014 auf rund 20 Milliarden US-Dollar steigen. Die Golfstaaten haben diese Finanzhilfe offiziell an keine Bedingungen geknüpft; sie haben wirtschaftliche Interessen in dem Land am Nil und die milliardenschweren Hilfszahlungen erleichtern ihnen künftige Investitionen auf dem ägyptischen Markt. Außerdem schätzen sie Al-Sisis rigides Vorgehen gegen die Muslimbruderschaft, von der sie sich in ihren Ländern auch bedroht sehen.
Doch das Geld aus den Golfstaaten wird nicht ausreichen, um die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern, zudem kann ein neuer Präsident nicht dauerhaft mit Zahlungen aus dem Ausland seinen Haushalt planen. "Ich befürchte, dass Al-Sisi die wirtschaftliche Situation nicht in den Griff bekommen wird. Seine einzige Antwort darauf wird der Ausbau des Sicherheitsapparates sein, um Proteste auszuhebeln", sagt Roll. Die ersten Vorkehrungen habe Al-Sisi bereits getroffen. Die staatliche Repression hat er bereits in den vergangenen Monaten ausbauen lassen. Die Muslimbruderschaft, die einzige starke Opposition, hat er verbieten lassen und jeder, der mit ihr in Verbindung steht, wird verhaftet.