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Zyperns Schicksal hängt am Gas

Stefanie Claudia Müller
13. November 2023

Die Mittelmeer-Insel steht doppelt unter Beschuss. Die Positionierung zugunsten Israels im Krieg mit der Hamas provoziert die Türkei. Doch gerade Ankara ist nötig, um den Gasschatz vor der Insel zu heben.

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Der Hafen von Vasiliko auf Zypern: Hier wird ein LNG-Terminal gebaut
Der Hafen von Vasiliko auf Zypern: Hier wird ein LNG-Terminal gebautBild: Danil Shamkin/NurPhoto/picture alliance

Zypern liegt vor Israel, Syrien, der Türkei und Ägypten und diente bisher vor allem als Urlaubsziel für Israelis, Libanesen und in den vergangenen zehn Jahren vermehrt für Russen. Die Insel ist aber auch als Steuerparadies bekannt und für geostrategische Machtkämpfe. Nun dreht sich auf der Insel viel um die in den vergangenen 14 Jahren entdeckten Gasfelder - das letzte davon 2022. Das Gas lässt viele Zyprioten von einer neuen Rolle im Nahen Osten träumen.

Für den Nahostexperten Cosme Ojeda von der Madrider Universität San Pablo CEU könnte die Förderungen des Gases auch eine Chance für Frieden im Nahen Osten sein - und für eine Entschärfung des anhaltenden Konflikts der Griechen mit der Türkei über Zypern. "Die Gasfelder haben das Potenzial für eine enorme Wohlstandsverbesserung aller Beteiligen. Solche Pipeline-Projekte können nicht alleine realisiert werden und zwingen eigentliche Gegner zur Zusammenarbeit", so Ojeda.

Wie unterschiedlich die Positionen aber noch seien, zeige, dass die Türkei derzeit im Krieg in Nahost gegen Israel Stellung beziehe, während Zypern ganz klar die Interessen der Israelis verteidige.

Erstmal keine Pipeline-Projekte?

Die Geschehnisse zwischen Deutschland und Russland mit den Nordstream-Pipelines schreckten Investoren zusätzlich ab, glaubt der Israeli Elai Rettig, Leiter der Energie-Abteilung am Begin-Sadat Center for Strategic Studies (BESA): "Das Offshore-Gasvorkommen im Nahen Osten könnte jedoch die Bedeutung von anderen Gaslieferanten und Abhängigkeiten wie Katar deutlich schmälern."

Rettig glaubt, dass Katar genau wie die Türkei, Russland und der Iran aus verschiedenen Gründen ein klares Interesse an dem Andauern des aktuellen Konflikts mit der Hamas habe. Dabei habe der Nahe Osten in diesem Jahr kurz vor einem historischen Ereignis gestanden: "Es gab ein nicht veröffentlichtes Vorabkommen zwischen Israel und der Gaza-Regierung über eine gemeinsame Nutzung und Finanzierung der Förderung des Gasfeldes Gaza Marine Coworking. Es hätte sehr viele Dinge zwischen Israel und den Palästinensern positiv verändern können und damit auch für die ganze Region." Doch durch den Terrorangriff der Hamas auf Israel sind die Pläne auf Eis gelegt.

Eher LNG auf Zypern als Gas-Pipelines nach Griechenland

Zypern ist seit 1974 zweigeteilt. Der größere Südteil ist eigenständiger EU-Mitgliedsstaat. Der nördliche türkische Teil der Insel, die sogenannte Türkische Republik Nordzypern, wird international nur von der Türkei anerkannt, nicht aber von anderen Staaten. Hinzu kommen Territorialkonflikte um die Seegrenzen. So wurden in den vergangenen zehn Jahren etliche Vereinbarungen zwischen Israel und dem Libanon, Israel und der Türkei sowie zwischen Zypern und Griechenland getroffen, welche die Förderung und den Verkauf des Gases regeln sollte. "Es gab jedoch nie bindende Verträge", sagt Rettig.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz, der den neuen zypriotischen Staatspräsidenten Nikos Christodoulides im Mai traf, ist interessiert daran, dass das zur Europäischen Union gehörende Land zukünftig Gas nach Europa verkauft. Konzerne wie Chevron, Total Energies und Eni sind einige der Player, die an dem Gas im östlichen Mittelmeer interessiert und in verschiedenster Weise bereits involviert sind.

Deutschland Olaf Scholz und Nikos Christodoulides in Berlin
Es ging auch ums Gas - Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem zypriotischen Staatspräsidenten Nikos Christodoulides im Mai dieses Jahres. Bild: Sebastian Rau/photothek/IMAGO

Weil der Export des Flüssiggas LNG kurzfristig jedoch einfacher zu verwirklichen ist als der Bau von Pipelines, will die Regierung in Nikosia jetzt so schnell wie möglich einen LNG-Terminal bauen. Allerdings müssen alle Verhandlungen nicht nur über Zypern, sondern auch über die Türkei laufen. Denn seit 1974 erhebt Ankara Ansprüche auf die Bodenschätze im Meer vor Zypern. Für die zypriotische Regierung ist das Gas dagegen eine Chance, wirtschaftlich unabhängiger von den Russen zu werden, die der Regierung nach der Finanz- und Staatskrise 2013 mit verschiedensten Investitionen und Krediten halfen. Auch die russische Regierung war zu diesem Zeitpunkt an dem Gas vor Zypern interessiert, hat ihre Förderpläne aber dann wieder fallen lassen.

Abhängigkeit von Russland und Katar reduzieren

Der zypriotische Wissenschaftler Kyriakos Kokkinos setzte in einem Gespräch vor dem Ausbruch des Krieges mit der Hamas noch alle Hoffnungen auf die wirtschaftliche Annäherung seines Landes mit Israel, um die Abhängigkeit von den Russen zu reduzieren.

Er selber war in der vorherigen zypriotischen Regierung "Chief Scientist": "Das ist ein Posten, den die Israelis geschaffen und den wir übernommen haben, weil wir auch ein internationaler Tech- und Wissenschaftshub sein wollen wie sie." Das Gas könnte die Brücke zu mehr wirtschaftlicher Zusammenarbeit sein, sagt er. An dieser grundsätzlichen Tatsache hat sich auch nach dem Massaker der Hamas vom 07. Oktober wenig geändert, glaubt der israelische Energie-Experte Rettig. Die Frage sei nur wie.

Zypern: LNG Terminal im Bau im Hafen von Vasiliko
Es soll schnell gehen - Bau des LNG-Terminals auf ZypernBild: Amir Makar/AFP/Getty Images

Eigentlich sollte schon seit 2018 gefördert werden. Der ursprüngliche Plan war von Noble erstellt worden, einem unabhängigen Betreiber, den der US-Energiekonzern Chevron im Oktober 2020 übernommen hatte. Der Libanon wiederum hat im vergangenen Jahr mit Israel eine historische Vereinbarung getroffen, das Gasfeld vor ihrer Küste gemeinsam zu nutzen. Aber der aktuelle Konflikt mit der Hamas könnte auch diese Pläne wieder im Sande verlaufen lassen. "Es ist ein Schachern und Austaktieren der verschiedenen Mächte", sagt Geostratege Cosme Ojeda: "Es ist sehr viel Geduld notwendig."

Hoffnung mache jedoch der zypriotische Konzern DEH Quantum Energy, der an einer Stromverbindung nach Europa arbeitet. Rettig glaubt, dass diese Projekt in der aktuellen Lage eher umzusetzen sei als Gas-Pipelines. Die als EuroAsia Interconnector-Project bezeichnete Stromkabelverbindung wäre die längste der Welt. Der unter Wasser liegende 2000-Megawatt-Interkonnektor-Plan involviert aber wieder nicht die Türkei: "Aber damit hätte die dortige Regierung wahrscheinlich weniger Probleme als mit einer Gas-Pipeline von Zypern nach Griechenland", glaubt Rettig. Denn Gas ist und bleibt neben einem lukrativen Geschäft auch ein politisches Druckmittel.