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Zwischen Zerrbildern und Propaganda

Najima El Moussaoui17. August 2013

Gefälschte Zahlen, geschönte Bilder: Unabhängige Informationen sind in Ägypten derzeit Mangelware. Staatsmedien stützen das Militär, die private Presse verfolgt derweil eigene Interessen.

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Mohammed Beltagi, ein Mitglied der Muslimbruderschaft gibt einem ausländischen Kamerateam ein Interview in der Rabaa al-Adawiya Moschee (Foto: AFP)
Bild: Khaled Desouki/AFP/Getty Images

"Krieg der Medien" - so nennt Sarah Hartmann die Situation der Presse in Ägypten. Die Leiterin des EU-Middle-East-Forums für Auswärtige Politik verfolgt die Berichterstattung aus dem nordafrikanischen Land intensiv: "Es ist allerdings sehr schwer, bei diesen extrem unterschiedlichen Berichten und Zahlen einzuschätzen, was sich wirklich abspielt."

Seit dem Sturz des Islamisten Mursi durch das Militär (03.07.2013) stellen sich die ägyptischen Massenmedien auf die Seite des Militärs und gegen die Muslimbrüder. Journalisten, die positiv von den Pro-Mursi-Demonstrationen berichten, geraten unter Druck. In der Vergangenheit ist es bereits zu Festnahmen gekommen.

Ein Fernsehteam steht neben Panzern und Angehörigen des Militärs während im Hintergrund Feuer und zerstörte Straßen nach einem Zusammenprall zwischen der Polizei und Pro-Muris-Demonstranten zu sehen sind (Foto: REUTERS)
Gewaltbereite Polizisten und Demonstranten erschweren derzeit die Arbeit der JournalistenBild: Reuters

Zerrbilder in den Zeitungen

In Ägypten habe es seit Jahrzehnten "Tradition", dass der Staat auf die Berichterstattung in den Medien Einfluss nimmt, erklärt der Berliner Politikwissenschaftler Hamadi El-Aouni im Gespräch mit der DW. "Seit der Revolution von 1954 hat der ägyptische Staat unter Präsident Gamal Abdel Nasser entschieden, dass die Medien eine strategische Rolle zu spielen haben."

Beispiele dafür liefert unter anderem das Zentrum für Medienfreiheit in Doha:

Zur Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr etwa hätten viele Zeitungen verstärkt über Wähler im Ausland berichtet. Dabei fanden Länder mit kleinen Mengen von Exilägyptern, die mehrheitlich gegen Mursi stimmten, hohe Aufmerksamkeit. Große Gruppen von pro-Mursi Exilägyptern in anderen Ländern wurden dagegen oft ignoriert - was für die Zeitungsleser und Wähler daheim in Ägypten ein Zerrbild der tatsächlichen Lage schuf.

Auch bestimmte Formulierungen oder eine entsprechende Bildauswahl, ja sogar die gezielte Auswahl eines Bildausschnittes, welcher dann nicht sichtbare Details "verschweigt" - all dies sind Instrumente für eine irreführende, manipulative Berichterstattung.

Abwarten wer das Rennen macht

Eine Praxis, an der sich seither nichts geändert habe: "Medienberichterstattung in Ägypten heißt, Sprachrohr der offiziellen Politik, des Staates und der Regierung zu sein", so El-Aouni. Entsprechend hätten die Führungskräfte bei den staatlichen Zeitungen zunächst auch sehr vorsichtig reagiert, als das Militär die Regierung Mursi absetzt hat: "Jeder Chefredakteur einer staatlichen Zeitung wartet noch ab, welche Politik sich unter dem neuen Regime herausschält und welche Erwartungen der Armee er berücksichtigen muss", sagt Attija Eissawi, Chef vom Dienst beim Staatsblatt "Al-Ahram", gegenüber der deutschen Presse.

Millionen Mursi-Unterstützer etwa werden in staatlichen Medien ausgeblendet. Ebenso wenig berichten diese darüber, wie viele Islamisten tatsächlich bei der Räumung ihrer Protestlager getötet worden sind.

Journalisten des Nachrichensenders Al Jazeera sitzen in der Redaktion in Katar und besprechen sich (Foto: AP)
Der arabische Nachrichtensender Al Jazeera hat seine Zentrale in Doha, KatarBild: AP

Al Jazeera - Gegengewicht oder "Propaganda-Kanal"?

Arabischsprachige Auslandsprogramme bilden hier ein Gegengewicht, darunter Al Arabiya, Al Jazeera, die Deutsche Welle und BBC Arabic. Am weitesten verbreitet ist in Ägypten der in Katar ansässige Sender Al Jazeera. Der Nachrichtenkanal hatte es zunächst geschafft, sich international als seriöser Sender zu etablieren. Dann aber geriet er in den Verdacht, ein Sprachrohr der Muslimbrüder geworden zu sein. Einige Journalisten haben deswegen inzwischen den Sender verlassen.

Politologe El-Aouni teilt diese Einschätzung. Er nennt Al Jazeera einen "Propaganda-Kanal" für die Muslimbruderschaft, der "Kanonenpolitik gegen die Opposition in Ägypten" betreibe.

Unterstützung aus Saudi-Arabien

Unter den privaten Medien finden sich zahlreiche Sender, die sich selbst als religiös motiviert bezeichneten, so El-Aouni. Finanziert würden sie von Milliardären aus der Golfregion, "damit sie eine bestimmte Denkweise des Islams weltweit und insbesondere in der arabischen Region propagieren". Hier habe Saudi-Arabien den größten Einfluss.

"Alle Massenmedien - sowohl die privaten als auch die staatlichen - sind momentan eindeutig parteiisch", bestätigt Ägypten-Expertin Sarah Hartmann. Ein weiteres, wesentliches Problem bei der Informationsbeschaffung ist aber auch die hohe Analphabetismusrate: Ein großer Teil der ägyptischen Bürger kann nicht lesen. Andere verfügen weder über einen Fernseher noch Zugang zum Internet. "Etwa 40 Prozent der Ägypter verfolgen ausschließlich die staatlichen Medien oder sie glauben das, was die Muslimbrüder über sich als Propaganda oder Information herausgeben", fasst El-Aouni zusammen.