Zunehmender Terror vor Olympia
30. Dezember 2013Es war der dritte Terroranschlag innerhalb von zwei Monaten im südrussischen Wolgograd. Am Montagmorgen (30.12.2013) explodierte eine Bombe in einem Bus. Nach Angaben der russischen Behörden wurden dabei zehn Menschen getötet, weitere 19 verletzt. Bei einem Anschlag auf den Bahnhof in Wolgograd waren am Sonntag 17 Personen getötet und mehr als 40 verletzt worden.
Dem Sprecher der russischen Ermittlungsbehörden Wladimir Markin zufolge ist nicht auszuschließen, dass die Anschläge vom 29. und 30. Dezember in einem Zusammenhang stehen. Zuvor war bekannt geworden, dass die Ermittler auch Parallelen zwischen den Explosionen im Bahnhof und in einem Bus festgestellt hätten, in dem am 21. Oktober dieses Jahres - ebenfalls in Wolgograd - eine Bombe gezündet worden war. Hinter all den Anschlägen könnten dieselben Personen stehen, so die Behörden.
Terrorgefahr auch in Zentral-Russland
Der Chefredakteur der russischen Website "Agentura.ru", Andrej Soldatow, geht nicht davon aus, dass für die Anschlagsserie in Wolgograd nur eine kleine Terrorgruppe verantwortlich ist. "Ich befürchte, dass angesichts der bevorstehenden Olympischen Spiele die Strategie verfolgt wird, die Sicherheitskräfte von Sotschi abzulenken", sagte er der Deutschen Welle. Zudem würden die Terroristen zeigen wollen, dass sie in der Lage seien, auch außerhalb des Nordkaukasus zuzuschlagen. Der Experte betonte, Wolgograd könnte von den Terroristen auch willkürlich als Ziel ausgesucht worden sein.
Soldatow vermutet, dass die Explosionen in Wolgograd nach einer Aufforderung des Anführers des selbsternannten "Kaukasus-Emirats", Doku Umarow, erfolgten. Im Juli 2013 habe er seine Anhänger aufgerufen, die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi zu verhindern. Zudem habe er mit Anschlägen auch in Zentral-Russland gedroht. "Leider muss man feststellen, dass Umarow Anhänger hat, die seinen Befehlen folgen und Anschläge verüben können", so der russische Experte.
Konflikte zwischen lokalen Eliten
Auch Sergej Gontscharow, Vorsitzender der Veteranenvereinigung der russischen Anti-Terror-Einheit "Alpha", sieht einen direkten Zusammenhang zwischen den Anschlägen in Wolgograd und den kommenden Olympischen Spielen in Sotschi. Bei denjenigen, die bereits Tickets gekauft hätten, könnten jetzt wegen der Terroranschläge Zweifel aufkommen, ob sie überhaupt noch nach Russland reisen sollten.
Scharfe Kritik übt Gontscharow an der Arbeit der Geheimdienste. "Es stellt sich die Frage, ob die Sicherheitsdienste professionell genug sind. Lageberichten zufolge sind in dieser Region die Behörden schwach, da dort Konflikte zwischen lokalen Eliten herrschen", sagte Gontscharow der DW. Er bemängelt, dass frühere Anschläge nicht zu einer spürbaren Verstärkung von Sicherheitsmaßnahmen geführt hätten.
Nach der Auffassung des Experten hat der terroristische Untergrund in Russland in den letzten Jahren seine Taktik geändert. Darauf hätte reagiert werden müssen. "In ganz Russland gibt es terroristische Gruppierungen aus fünf bis sechs Personen, die eigenständig vorgehen und sich niemandem unterordnen", so Gontscharow. Auch gebe es viele Terroristen, die als Einzeltäter agierten.
Terroristen verfolgen mehrere Ziele
Die Verantwortlichen für die Terroranschläge in Wolgograd würden mehrere Ziele verfolgen, meint Gennadi Gudkow, Oberst der Reserve des Föderalen Sicherheitsdienstes Russlands (FSB). "Das sind ganz klar demonstrative Aktionen. Erstens sollen sie den Russen das Neujahrsfest verderben und zweitens diejenigen einschüchtern, die zu den Olympischen Spielen kommen wollen", sagte er der DW.
Gudkow macht ferner darauf aufmerksam, dass in Russland verschiedene extremistische Bewegungen und Ideologien auf dem Vormarsch seien. Dabei kritisiert er, dass die Anhänger des traditionellen Islam in Russland die radikalen Bewegungen nicht bekämpfen würden.
Kritik übt Gudkow auch am russischen Staat. Die weitverbreitete Korruption, Justizwillkür sowie die Unterdrückung von Rechten und Freiheiten der Bürger würden Extremismus begünstigen. "Es wird deutlich, dass die Behörden tatenlos zuschauen", sagte Gudkow der DW. Somit sei auch der Staat selbst für die zunehmende Radikalisierung verantwortlich. Der Staat müsse die verschiedenen Religionen und die Gesellschaft insgesamt einen. Nur so könne der Terrorismus bekämpft werden.