Zuflucht für Boko-Haram-Opfer
1. März 2015Minawao, ein Dorf in Nordkamerun, 120 Kilometer von der Grenze zu Nigeria entfernt: Die Vereinten Nationen haben dort ein Flüchtlingslager errichtet. Die UN-Leute haben viel zu tun, all die ankommenden Menschen unterzubringen. 30.000 sind schon vor dem Terror der Boko Haram hierher geflohen und täglich werden es mehr.
Anfang Februar hatte eine multinationale Truppe aus Tschad, Kamerun und Niger ihre Offensive auf Gabaru gestartet, einer Hochburg der Islamisten-Miliz. Seitdem hat der Flüchtlingsstrom stark zugenommen. Auch Muhamadou Ousman, der aus einer 14-köpfigen Familie stammt, ist nach Minawao geflohen. "Vor Boko Haram ist keiner sicher", sagt der 41-Jährige. Alle seine Brüder seien von der Terrorgruppe umgebracht worden, da sie sich geweigert hätten, der Miliz beizutreten. "Wenn du ihnen widersprichst, töten sie dich", beschreibt Ousman, wie Boko Haram versucht, neue Kämpfer zu rekrutieren.
Muhamadou Ousman ist Muslim. Hier im Camp teilt er sich ein Zelt mit Elias Yega, einem Katholiken. Yega fühlt sich unwohl in dieser Situation. Er sei erst vor einer Woche aus Nigeria geflohen - vor Leuten, die ihn gefoltert hätten und behaupteten, Muslime zu sein. Traumatische Erlebnisse wie diese hinterlassen Spuren: "Es gibt manchmal Probleme, weil wir Christen einfach alle Muslime hier im Camp 'Boko Haram' nennen. Manchmal werden die dann festgenommen und zu den Sicherheitsbeamten gebracht", erzählt Yega. Vergangene Woche haben kamerunische Soldaten hunderte Flüchtlinge festgenommen. Sie wurden verdächtigt, Boko-Haram-Anhänger zu sein, die sich ins Camp eingeschlichen haben.
Leben unter unerträglichen Bedingungen
Mouhaman Boukar hat seine Viehherde in Yerwa zurückgelassen und ist aus dem nordnigerianischen Bundesstaat Borno geflohen. Er danke Gott dafür, dass er noch am Leben sei. Jedoch seien die Bedingungen im Camp immer unerträglicher - wegen der steigenden Flüchtlingszahl. Es fehlt nicht nur an Wasser und Toiletten: "Seit etwa 15 Tagen warten wir auf Essen. Uns knurrt allen der Magen", sagt Boukar. "Leider kommen jeden Tag mehr Menschen."
In den vergangenen Wochen haben auch in Nordkamerun die Anschläge von Boko Haram zugenommen. Najat Rochdi, Koordinatorin des UN-Einsatzes in Kamerun, berichtet, dass nicht nur Flüchtlinge aus Nigeria Minawao erreichen, sondern auch Bewohner der Grenzregion in Kamerun. Rochdi befürchtet, dass es zu einer humanitären Katastrophe kommt. "Mit der Hilfe des kamerunischen Militärs und örtlicher Behörden konnten wir 5500 Flüchtlinge von Kolofata nach Minawao holen", sagt sie. Die Grenzstadt, in der sich auch eine Militärbasis befindet, war vor wenigen Wochen von Boko-Haram-Kämpfern überfallen worden. Geplant sei, so die UN-Koordinatorin, täglich bis zu 1000 Menschen von dort in Sicherheit bringen.
Keine Rückkehr nach Nigeria in Sicht
Trotz der schwierigen Lage im Flüchtlingslager: Die Bereitschaft der geflohenen Nigerianer ist gering, in ihre Heimatorte zurückzukehren. Zu groß ist die Angst vor neuen Angriffen der Islamisten-Miliz.
Das Vertrauen der Bevölkerung in das eigene Militär ist gering. Immer wieder sei es zu Boko-Haram-Überfällen gekommen, heißt es, obwohl das Militär noch kurz zuvor Schutz versprochen habe.
Ein Großteil der Flüchtlinge in Minawao sind von Heimweh geplagte Kinder und Jugendliche. Sie wünschen sich zu Schule gehen zu können, was in ihrer Heimat von Boko Haram verhindert wird, weil sich die Terrorgruppe auch den Kampf gegen westliche Bildung auf die Fahnen geschrieben hat. Bejigele James ist ein Junge aus Yerwa. Er besucht zwar eine Schule im Camp, sehnt sich aber nach seiner Klasse in Nigeria. Sobald Boko Haram dem Frieden eine Chance gibt, da ist sich der Neunjährige sicher, wird er in seine Heimatstadt zurückkehren.