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Zu wenig Wohnungen, zu lahme Verfahren

2. August 2015

Die hohen Flüchtlingszahlen setzen die deutsche Politik mächtig unter Druck: Nun soll auch ein Klassiker, der soziale Wohnungsbau, Abhilfe schaffen. Und an weitaus mehr Behördenpersonal wird ebenso kein Weg vorbeiführen.

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Flüchtlinge vor der Zentralen Aufnahmestelle des Landes Berlin für Asylbewerber (Foto: Getty Images/S. Gallup)
Bild: Getty Images/S. Gallup

Die Bundesregierung hat an die Länder appelliert, wegen der hohen Flüchtlingszahlen den sozialen Wohnungsbau anzukurbeln. "Um bezahlbare Wohnungen zu schaffen und Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen, stehen uns bewährte Programme zur Verfügung. Eine besondere Rolle spielt hierbei der soziale Wohnungsbau", sagte Bundesbauministerin Barbara Hendricks der "Rheinischen Post". "Diesen müssen und wollen wir stärken", sagte die SPD-Politkerin.

"Jedes Jahr neue Wohnungen im Umfang einer Großstadt"

Der Bund stelle den Ländern pro Jahr 518 Millionen Euro für neue Sozialwohnungen zur Verfügung. Die Zweckgebundenheit dieser Mittel sei auf Druck der Länder seit 2007 entfallen. Doch im Rahmen des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen "arbeiten wir mit den Ländern darauf hin, dass alle Länder diese Mittel zweckgebunden in den sozialen Wohnungsbau investieren", sagte Hendricks. Auch Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, forderte mehr Sozialwohnungen, um Flüchtlinge unterbringen zu können. "Jedes Jahr brauchen wir im Moment neue bezahlbare Wohnungen im Umfang einer Großstadt", sagte Landsberg der Zeitung. "Die Länder müssen die Förderung des Bundes im vollen Umfang in den sozialen Wohnungsbau stecken und nicht Teile davon in ihre eigenen Haushalte", so Landsberg.

Bundesbauministerin Barbara Hendricks (Foto: picture-alliance/dpa/F. Bensch)
Bundesbauministerin Barbara HendricksBild: picture-alliance/dpa/F. Bensch

Derweil drängt Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) angesichts des Staus bei den Asylanträgen auf eine schnellere Bearbeitung. Sellering sagte dem NDR: "Insgesamt müssen wir möglichst schnell Klarheit schaffen, wenn die Menschen hierher kommen." Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (ebenfalls SPD) ergänzte, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) werde seine Prognose von 450.000 Asylbewerbern für 2015 erhöhen müssen. Länder und Kommunen bräuchten Klarheit für ihre Planungen. Wie die Zeitung unter Berufung auf eine Telefonkonferenz der Innenminister berichtete, wurden in diesem Jahr bereits mehr als 300.000 Asylsuchende registriert.

"Weil die Ressourcen es nicht mehr hergeben"

Nach Ansicht des niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes ist indes das System eines geregelten Aufnahmeverfahrens für Asylbewerber bereits zusammengebrochen. Präsident Marco Trips sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung", es gebe zwar auf dem Papier einen klaren Ablauf, "an den sich aber keiner mehr hält, weil die Ressourcen es nicht mehr hergeben". Die Menschen kämen ohne Gesundheitsprüfungen in überfüllte Erstaufnahmeeinrichtungen, dann würden sie ohne Asylantrag auf die Kommunen verteilt. "Die Bearbeitung der Anträge dauert unglaublich lange", sagte Trips.

Der Gutachter Dietrich Thränhardt kommt in einem Gutachten zu dem Ergebnis, dass Deutschland derzeit knapp 240.000 unbearbeitete Asylanträge vor sich herschiebt. "Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kommt nicht hinterher", sagte Thränhardt auf tagesschau.de. Es gebe zu wenig "Entscheider" in der Behörde. Der von der Bundesregierung zugesagte Stellenaufbau komme nur sehr zögerlich voran. Der Bearbeitungsstau "ist einmalig in Europa", sagte der Migrationsforscher.

Rheinland-Pfalz kündigte unterdessen an, Mitarbeiter aus seinen Landesbehörden abzustellen, damit sie bei der Aufnahme von Flüchtlingen und bei der Bearbeitung von Asylanträgen helfen. Bereits ab kommender Woche sollen zusätzliche Landesbedienstete in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Trier aushelfen. Außerdem sind Einsätze bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge und der Clearingstelle des Trierer Amts für Ausländerangelegenheiten geplant, die unter anderem die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber organisiert. Um wie viele Mitarbeiter es konkret geht, wurde nicht bekannt.

Gewalt in Dresden und Bonn

In Dresden wurden bei einer Auseinandersetzung zwischen Flüchtlingen acht Menschen verletzt. Die Polizei beendete die Massenschlägerei in dem Flüchtlingslager der sächsischen Landeshauptstadt und hielt die jeweils etwa 50 Syrer und Afghanen auseinander, wie ein Sprecher mitteilte. "Männer und Frauen gingen mit allem, was greifbar war, aufeinander los - von der Zaunlatte bis zum Bettgestell." Warum der Streit der beiden Gruppen eskaliert war, blieb zunächst unklar. Rund 80 Polizisten sollen zur Sicherheit vorläufig in dem Zeltlager bleiben, in dem seit einer Woche rund 1000 Asylbewerber campieren.

Nach einem Streit zwischen zwei Bewohnern eines Flüchtlingsheims in Bonn schoss ein Spezialeinsatzkommando der Polizei auf den Angreifer und verletzte ihn schwer. Wie ein Polizeisprecher sagte, hatte der 23-jährige Mann, der aus Guinea stammen soll, seinen 27-jährigen Mitbewohner mit einem Messer attackiert und leicht verletzt. Die Situation eskalierte dann noch, als der Flüchtling mit zwei Messern bewaffnet auf die Polizeibeamten zulief. In dem ehemaligen Bonner Seniorenheim sind derzeit 200 Flüchtlinge untergebracht.

sti/kle (afp, dpa, kna)